Gitarrist und Komponist Julian Scarcella ist der Kopf des Künstlerkollektivs SAFE (Scarcella And Friends Extended). Mehr als 50 fähige Künstler und Künstlerinnen sind auf „Reizüberflutung“ versammelt. Dass damit großartige Big Band-Momente möglich sind, steht außer Frage („Hoffnung“ ist ein prall gefülltes Horn), doch punktet das Album ebenfalls in den kleinen Arrangements, explizit durch hinreißende Soli („Violon Solo No. 1").
Musikalisch ist „Reizüberflutung“ eine Wundertüte, die in Ausdruck und Vielfalt manch progressives Rockwerk weit in den Schatten stellt. Jazz mag die Grundlage sein, doch schaffen Scarcella und seine Mitmusiker Verbindungen zu Rock, Metal (inklusive Growls!), Klassik, Funk, Flamenco („Danza Appassionada“ – an dem auch James Bond teilnimmt), Chanson und Kaffeehausständchen (das atmosphärisch eingesetzte Akkordeon ist eine Wucht).
Beim Finale „Ein Teil von Dir“ trifft großformatiger klassischer Gesang, fernab von Symphonic Metal-Kitsch, auf imaginäre Filmmusik, markige Rock-Attacken sowie gerappte Passagen. Eine so gewagte wie gelungene Verbindung und leidenschaftliche Quintessenz des gesamten Albums. „Unity“ wiederum ist purer Prog zwischen YES und frühen MARS VOLTA. Dabei wirkt das komplexe Gefüge nie disparat oder erzwungen, der Gesamtsound ist stimmig und wirkt intensiv in besinnlichen wie furiosen Momenten.
Das Album besitzt eine unbändige Kraft, die nicht zügellos ins Nirgendwo schießt. SAFE sind funky, energiegeladen und wissen, wie man schwärmerisch flaniert („Auf der Suche“). Verweise und Anklänge sind zahlreich, egal ob Frank Zappa vorbeirauscht, die grandios gespielte Violine Richtung Jean-Luc Ponty („Grünfink“) oder KANSAS ausschlägt. Alles geht, nichts muss. Voller Reize, aber nicht überflutend, sondern mitreißendes Musizieren zum Staunen, Mitgehen und intensiven Hören.
Den größten Kritikpunkt des Albums liefert die biedere Covergestaltung. Kann man aber sehr gut mit leben.
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FAZIT: SAFE gehören mit ihrem Debüt zum Besten, was aktuell im weitgefassten Jazz-Rock-Rund unterwegs ist. Ein Kollektiv, das im Großen wie Kleinen keine Grenzüberschreitungen scheut und dank hervorragender Instrumentalisten, vorwärtsreibender Rhythmen und einnehmender Melodien, zu einer klangstarken Entdeckungsreise voller berückender Wegpunkte und garniert mit funkelnden Feuerwerken einlädt.
Die Liste der Gastmusiker, der Bequemlichkeit halber diesmal hier:
Michelle Schwarzkopf – Vocals Jazz
Kateryna Agieieva – Vocals Jazz
Roland Loy – Rock Vocals
Sophia Revilla – Opern Vocals
Nora Lotz – Pop Vocals
Tobias Schröder – Rock Vocals
Jonas Ottolien – Rap Vocals
Sesim Bezduz - Violine
Ksenia Kashirina - Violine
Irina Kalinowska – Viola
Luis Ernst - Trompete
Marvin Zimmermann - Trompete
Justus Strohmann - Trompete
Anthony Williams – Trompete
Tom Trabandt - Trompete
Lasse Richter - Posaune
Jan Urnau – Posaune
Okan Gökay - Posaune
Tim Köhler - Saxophon
Yvonne Schwitalla - Querflöte
Lukas Merten - Saxophon
Ruben Vogel - Saxophon
Fynn Grossmann - Saxophon
Rebecca Hempel - Harfe
Felix Lopp - Klavier/Synth
Melissa Joy Gjakonovski - Synth
Tobias Rehor – Hammond Orgel
Jakob Bereznai - Synth
Lukas Blecks – Synth
Andrea Lonardi – E-Bass Metal
Marcos Fischer - E-Bass
Lea Randella – Slap Kontrabas Rock‘a‘Billy
Ludwig Berner – E-Bass
Martin Schwarz – E Bass
Massimilian De Curtis - Rock-Drums
Max Enyedi – Jazz-Drums
Christoph Wirtz - Drums
Peer Bothmer – Rock drums
Erschienen auf www.musikreviews.de am 29.04.2023
Mario Ehrenberg-Kempf
Britta Görtz
Julian Scarcella
Simon Asmus, Markus Becker
Simon Schröder, Francesco Lucidi
Yoshie Okura (Violine), Nicolae Gutu (Akkordeon Jazz), Abigail Stahlschmidt (E-Violine), Jonas Schoen-Philbert (Saxophon), Oliver Mascarenhas (Violincello), Simran Singh Ghalley (Tablas), Mustafa Boztüy (Darbuka), Olga Egorova (Mandoline)
Ears Love Music
73:45
07.04.2023