Wer sich nach einer potenziell lebensbedrohlichen Krankheit benennt, der feiert das Leben nicht zwingend mit ausgelassener Partymusik. Dementsprechend kriechen SEROTONIN SYNDROME auch eher durch die melancholisch-düstere Landschaft der menschlichen Emotionen, als Friede-Freude-Eierkuchen-Musik zu machen.
Melancholie scheint eine der Kernemotionen von „Seed of Mankind“, dem zweiten Album dieser Finnen, zu sein. Neben persönlichem Weltverdruss findet sich in Songs wie dem achtminütigen Einstieg „Among others“ aber auch eine gehörige Portion Wut, die in erster Linie dem grollenden Organ von Sänger Asko geschuldet ist.
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Musikalisch findet sich neben einer gewissen Kälte, aber auch ein immer wieder aufkeimender Sinn für Schönheit, u.a. nachzuhören in den Gitarrenmelodien des Titeltracks, die wahrlich das Potenzial haben, den Hörer an zerklüftete Orte voller naturbelassener Schönheit zu entführen. Zugegeben, dort ist es dunkel, einsam und wenig hoffnungsvoll, das birgt aber auch viele Möglichkeiten für die eigene Sinnsuche.
Musikalisch wird dieser Prozess beispielsweise von einem Piano und vielseitigen Gitarrenmelodien in Szene gesetzt, was sich in „Dot Marks the Spot“ fortsetzt. Hier wird die erwähnte Dunkelheit aber doch zermürbend und hoffnungslos. Bevor es allerdings so weit ist, baut sich das Intro in melancholischer KATATONIA-Manier auf, die Gitarre singt ihr Klagelied und das Keifen von Sänger Asko wird noch etwas galliger. Zwischen reduzierten Momenten und eruptiven Ausbrüchen schimmert eine gewisse Portion Wahnsinn durch, die vor allem den Vocals geschuldet ist. Und doch ist da immer diese Gitarre, die mal schwebend leicht, mal mit ungeheurer Schwere erklingt und den Song wie unter einer Glocke hält. Der Klang schwillt stetig an, peitscht durch die eisige Szenerie, lässt dann aber doch wieder Raum für pure Verzweiflung, welche auch in so manch klagendem Schrei widerklingt.
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Man mag es zwar kaum glauben, aber dieses Stück wirkt trotz konsequentem Seelenleid beinahe schön, ja, reinigend. Es birgt eine Art Gewissheit in sich. Da kommt es nicht von ungefähr, dass der Abschluss als „The End“ tituliert wurde. Vom sanften Start mit Gitarre und Klavier beginnend, hallen die Emotionen wider. Langsam sickert die Erkenntnis der Nichtigkeit des Seins ins eigene Bewusstsein. Und doch spricht gerade jetzt eine innere Stimme, dass die eigene Angst vielleicht doch nicht das Ende aller Dinge ist. Allerdings hält dieser Moment der Hoffnung nicht lange an, denn schon dröhnen die Riffs und die Gitarre klagt ihr Leidenslied, wenn auch ein wenig verspielter und noch filigraner als zuvor.
Hinzu kommt ein leiser Hoffnungsschimmer der speziell vom unterstützenden Piano ausgeht, ehe sich doomige Anleihen wieder in Verdruss und Trauer suhlen. Das Ende gerät schließlich energisch groovend und kratzt doch noch die Kurve zur melodiebestimmten Ablehnung des Seins.
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FAZIT: Ach, ist das schön. SEROTONIN SYNDROM suhlen sich nicht komplett im eigenen Leid und sind auch keine Heulbojen. Stattdessen liefert „Seed of Mankind“, trotz Weltverdruss, eine wohlklingende Melange aus Post-irgendwas-, Doom- und Black-Metal (um mal grob zu schubladisieren) und fesselt dank seiner Emotionalität. Hier und da wünscht man sich vielleicht ein wenig mehr Flexibilität, aber wer sich gerne im Verdruss suhlt, der sucht eher weniger nach Variation. Daher: Gerne weiter so!
Punkte: 13/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 07.02.2023
Jussi Pietarila
Asko Nousiainen
Joonas Hämäaäinen, Timo Lukkariniemi
Rauli Juopperi
Timo Lukkariniemi (Hintergundgesang)
Eigenproduktion
38:13
27.01.2023