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Tenhi: Valkama

Stil: Folk, Soundtrack, Klassik

Cover: Tenhi: Valkama

Zu dem albernen Konkurrenzkampf um die fetteste Produktion, den tiefsten Gitarrensound, die größten Technik-Verrenkungen oder die höchste Spielgeschwindigkeit, den Bands offenbar manchmal auszutragen meinen, verhalten sich die finnischen Nordic-Folk-Spezialisten von TENHI erwartungsgemäß erfrischend konträr. Das ist schon einmal ein Pluspunkt für alljene, welchen das zwar beeindruckende, aber substanzlose Geprügel mancher Progressive-Metal-Acts, das nach dem Motto „Viel hilft viel“ gestrickt ist, hoffnungslos verleidigt scheint. In Anbetracht des dichten, lärmigen Soundwalls mag selbst im Verehrer extremer Klangkunst hier und da der Wunsch aufkeimen, dass Musik sich auf das Wesentliche, Ursprüngliche zurückbesinnt. Kein Wunder also, dass Gruppen wie TENHI im alternativen Musik-Spektrum ihren festen Platz haben, umso weniger, da es sich beim neuesten Album „Valkama“ um ein hochwertiges Klangerlebnis handelt.

Grundsätzlich schreiten die Songs sehr gemächlich voran, vertont mit sanft gestrichener Akustikgitarre, Keyboardflächen und hell erklingenden Pianos. Keine Note ist zu viel; sie würde in dem filigranen Klanggebilde sofort auffallen. Anschwellendes Crescendo, wie im 11-Minüter „Saattue“, geht über einen bestimmten Punkt nicht hinaus: Sobald die Percussions einsetzen und Raum freigemacht wird für das Spiel am Klavier, ist der Höhepunkt erreicht – ein erhabener Moment, in dem das Zusammengehen von chorischen Männerstimmen (bezugnehmend auf ein einleitendes Thema), Tasteninstrument und Folk-Gitarre perfekt arrangiert ist. Ein erstklassiger Türöffner für ein Album, das aller direkter Schönheit zum Trotz Zeit und Hingabe beim Hörer voraussetzt. Zeit und Hingabe, da die Teilhabe an den besonderen Augenblicken in diesem Musik gewordenen Naturreich vielleicht ein bisschen erschwert wird: Man mag in den satten 70 Minuten, dem Resultat jahrelanger Arbeit am Album, den Bezug zum musikalisch Dargebotenen verlieren, weil die Aufmerksamkeit für die minimalistischen – sprich: mit wenigen Mitteln und in oft gleichbleibender Rhythmik arrangierten – Kompositionen bisweilen schwindet. Wer den Zugang findet und sich immer wieder konzentriert auf die Suche nach dem Kristall im kargen Berggestein begibt, wird mit TENHIs sechstem Streich indes viel Freude haben.

Es sind Leerstellen in diesen Liedern, die dadurch auf den Zuhörer erheblich wirken und im Sinne einer Dynamik das emotional Mitreißende songdienlich eröffnen können, so wie im Titeltrack „Valkama“, dessen klassisch vorgetragene Leitmelodie in fremde Welten entführt und monumentales Kopfkino evoziert. Zwar ist die anderweitige Instrumentierung bei den reinen Folk-Parts immer wieder auf dem Rückzug („Kesävihanta“); trotzdem geriert sich die gebotene Musik um einiges vielseitiger, als es der Verweis auf traditionelle Sounds vermuten lässt. Während das Flötenspiel aus „Rintamaan“ ein leicht fernöstliches Flair versprüht, tauchen die orgelartigen Klänge an anderer Stelle („Laineinen“) das Liedgut in eine barocke Schwermut mit dezentem MY DYING BRIDE-Flair, ohne jene natürlich als Auftakt einer düsteren Doom-Symphonie zu gebrauchen. „Valkama“ kommt schließlich ohne E-Gitarren und Metal-Versatzstücke aus. Nichtsdestotrotz hätten die britischen Trauerweiden bestimmt Gefallen an den trübsinntragenden Geigen des achten Stückes „Ulapoi“. Es versteht sich, dass nicht nur die erstaunlich vielseitige Instrumentierung, sondern auch das gesangliche Wechselspiel und Ineinander aus sonorem Brummen, glasklaren Background-Chören und weiblichen Vocals, was dieselbe unverzichtbar komplementiert, gleichermaßen von der handwerklichen Begabung der Finnen zeugt.

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FAZIT: Insgesamt könnte man dazu tendieren, TENHI zu unterschätzen. Denn jenes, was auf „Valkama“ an einem ohne große Mühe unscheinbar vorbeizieht, ist im Detail musikalisch komplex geschrieben und atmosphärisch dicht komponiert. Wer sich vornimmt, die Schönheit und Erhabenheit, die mithin im langen Marsch der Musik verborgen liegt, ans Tageslicht zu fördern, erhält mit diesem minimalistischen Epos aus Folk, Soundtrack und Klassik die vielleicht lang ersehnte Antithese zur emotionalen Armut mancher Extrem-Acts.

Punkte: 12/15

Erschienen auf www.musikreviews.de am 25.09.2023

Tracklist

  1. Saattue (11:09)
  2. Kesävihanta (4:51)
  3. Valkama (7:20)
  4. Rintamaan (3:34)
  5. Rannankukka (3:59)
  6. Laineinen (2:55)
  7. Hele (7:27)
  8. Ulapoi (5:04)
  9. Elokuun Linnut (5:01)
  10. Sydämes On Tiel (5:23)
  11. Veden Elein (6:30)
  12. Aina Sininen Aina (6:50)

Besetzung

  • Bass

    Ilmari Issakainen

  • Gesang

    Tyko Saarikko, Ilmari Issakainen, Tuukka Tolvanen, Jaakko Hilppö

  • Gitarre

    Tyko Saarikko, Ilmari Issakainen

  • Keys

    Tyko Saarikko, Ilmari Issakainen

  • Schlagzeug

    Ilmari Issakainen

  • Sonstiges

    Inka Eerola (Violine), Janina Lehto (Flöte)

Sonstiges

  • Label

    Prophecy Productions

  • Spieldauer

    70:04

  • Erscheinungsdatum

    09.06.2023

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