Wer sich heute an die glamouröse britische Popszene der 80er Jahre erinnert, denkt zunächst an Bands wie ABC, Duran Duran, Heaven 17, Eurythmics, Culture Club oder The Style Council - und vergisst womöglich unverdientermaßen The Blow Monkeys. Dabei war das Quartett um den sehr ansehnlichen, stets stilvoll gekleideten Sänger Robert Howard alias Dr. Robert seinerzeit eine feste Größe (nicht nur) in den UK-Charts. Und es hatte mit eloquentem Links-Drall auch politisch etwas zu sagen im tristen, frustrierten Land der strengen Tory-Regierung von Margaret Thatcher. Wie gut die 1981 gegründete, nach Split und Unterbrechung (1990-2007) längst wieder aktive Band damals wirklich war, lässt sich jetzt mit einer opulenten Wiederveröffentlichung ihres Durchbruch-Albums "Animal Magic" von 1986 nachhören.
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Die ursprünglich elf Songs der Platte hatten alles, was Popfans und Kritiker gleichermaßen entzückte: mitreißende, ins Ohr gehende Melodien; treibende, der schwarzen Musik entlehnte Rhythmen; teilweise ganz schön aufsässige Texte; eine lässige, an Arroganz grenzende Geschmeidigkeit in der Live-Performance; und natürlich mit Dr. Robert einen überaus charismatischen Frontmann. Dass die Band ihre Instrumente (neben Gitarre/Bass/Schlagzeug ein auffällig jazziges Saxofon) beherrschte und mit Keyboards oder auch echten Streichern einen fetten Sound arrangieren konnte, machte das Hörvergnügen bei Songs wie "Digging Your Scene", "Wicked Ways", "Aeroplane City Love Song" oder "Forbidden Fruit" perfekt.
Dabei kam der Erfolg des zweiten Blow-Monkeys-Albums überraschend. Für "Limping For A Generation" (1984) hatte die Band auf einen noch etwas sperrigen Mix aus Glam-Rock und New Wave gesetzt, damit immerhin einen Achtungserfolg erzielt - von einer größeren Resonanz beim Pop-Publikum war man aber noch weit entfernt. Ein Stilwechsel wirkte Wunder: Songwriter Dr. Robert ließ nun seine Liebe zu Soul, Funk und Rhythm 'n' Blues in die Kompositionen einfließen, fuhr im Studio Background-Sängerinnen, Strings und Gebläse auf - und fertig waren eine Handvoll Pop-Perlen, die auch in der Disco bestens funktionierten, ohne die Intelligenz der Tänzer zu beleidigen.
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Im Zoom-Interview erinnert sich der gebürtige Schotte Howard, der seit langem mit seiner Familie in Spanien lebt, an diese Zeit des Umbruchs: "Die Songs vom Debüt "Limping For A Generation" waren unsere ersten, das machte ihre Ausstrahlung aus. Vor "Animal Magic" hatte ich dann wieder viel Kontakt zu Soul-Musik. Ich war ja in einer Art Northern-Soul-Stadt aufgewachsen, meine Schwestern hörten Motown-Musik der Sixties oder Bacharach & David. Soul ist also Teil meiner DNA. Und irgendwann merkte ich eben, dass das zu meiner Stimme und zu meinem Songwriting passte." Die Neuausrichtung der Blow Monkeys kam also nicht schnöde pragmatisch zustande, um unbedingt den Erfolg zu erzwingen. Sie hatte tiefe Wurzeln in der musikalischen Früherziehung des Frontmanns, seine Soul/Jazz-affine Band (Mick Anker am Bass, Neville Henry an Saxofon/Keyboards, Tony Kiley am Schlagzeug) schloss sich bereitwillig und höchst kompetent an.
Dass der auch heute noch unwiderstehliche Glam-Soul-Groove von "Digging Your Scene" den vier jungen Musikern gleich einen Hit bescherte, half enorm (jedenfalls mehr als das stupide-hilflose Prädikat "Blue-Eyed Soul").
Dr. Robert hatte hier nicht nur als Sänger mit hörbarem Marc-Bolan-Einfluss, sondern auch als Texter die Hand am Puls der Zeit. "Also damals ging ja die Aids-Krise los. Die britische Regierung veröffentlichte jede Menge furchterregende Geschichten, es gab viele Falschinformationen", erinnert sich der mittlerweile 62-Jährige. "Ich war ein großer Unterstützer der Gay-Community, ohne selbst schwul zu sein, ging in diese Clubs, hatte viele Freunde in der Szene. Das war dann die textliche Inspiration des Songs. Und die Musik war natürlich vom Soul eines Marvin Gaye beeinflusst."
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Howard hat heute immer noch einen positiven Eindruck von "Animal Magic", nachdem er sich für die Wiederveröffentlichung "nach 30 Jahren wieder" damit befassen musste. Das sehr vielseitige Album sei im Gegensatz zu vielen anderen 80er-Jahre-Produktionen gut gealtert, "es klingt irgendwie immer noch frisch. Also man hört, dass wir Spaß hatten und in guter Stimmung waren." Das lässt sich hörerseitig auch noch bestätigen, wenn man die insgesamt vier üppig gefüllten Reissue-CDs mit allerlei raren Demos und Covers, Single-Versionen, B-Seiten und Remixes nach knapp vier Stunden durch hat: Hier hat sich eine Band gefunden, macht, was sie will - und hebt förmlich ab.
Während "Animal Magic" für Howard "ein richtiges Band-Album" ist, klang das noch stärker politisch engagierte "She Was Only A Grocer's Daughter" nach seinem heutigen Eindruck "sehr 80s-mäßig und daher doch betagt". Nach der starken vierten Platte "Whoops! There Goes The Neighbourhood" (1989) und dem House-infizierten "Springtime For The World" (1990) war dann - trotz weiterhin durchaus erfolgreicher Karriere - erst einmal "Ende der Fahnenstange" für The Blow Monkeys. "Selbst als wir uns 1990 trennten, taten wir das als Freunde", sagt Howard via Zoom. "Daher konnten wir auch 15 Jahre später ohne jedes Zögern wieder zusammen Musik machen." Die Ergebnisse hören sich übrigens bis heute sehr gut an auf insgesamt sechs Alben nach dem Comeback - wie eine stetig weiterentwickelte Version der jungen Blow Monkeys von 1986.
Und was wurde zwischenzeitlich und im fortgeschrittenen Musiker-Alter aus dem smarten, glamourösen Dr. Robert der mittleren bis späten 80er? Zunächst mal ein Solo-Sänger, der in den 90ern mit Folk-, Blues- und Songwriter-Musik wieder durch die kleineren Clubs zog, die "Animal Magic"-Phase also weit hinter sich ließ. "Ich war ja nie ein so erfolgreicher Popstar, dass ich nicht mehr auf die Straße gehen konnte", sagt er glaubwürdig ohne jedes Bedauern. Und fügt hinzu: "Ich wollte einfach ausdrücken, wo ich zum damaligem Zeitpunkt als Musiker stand. Wenn ich einen großen Plan gehabt hätte, wäre ich wohl erfolgreicher gewesen, aber so ticke ich halt nicht."
Statt wie sein langjähriger Freund Paul Weller (The Jam, The Style Council) auch mit dem Solo-Werk seit 30 Jahren in der ersten Britpop-Reihe zu stehen, hat Robert Howard neben den wiederbelebten, immer noch nachdrücklich empfehlenswerten Blow Monkeys ein lockeres Bandkollektiv als "Spiritus Rector" (Sänger, Songwriter, Instrumentalist, Produzent, Inspirator für Talente) um sich geschart: Monks Road Social, inzwischen bereits mit vier feinen, sehr abwechslungsreichen Alben auf dem Markt (gern mal bei Bandcamp nachschauen!). "Das hat mich wieder zum Fliegen gebracht", sagt Howard über das aktuelle Projekt. "Und ich hoffe, da kommt noch mehr." Auf dem neuesten Werk von Monks Road Social, "Rise Up Singing!" (2022), singt übrigens auch ein gewisser Paul Weller mit.
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FAZIT: Mit der üppigen Wiederveröffentlichung des glamourösen Soul-Albums "Animal Magic" werden THE BLOW MONKEYS verdientermaßen als eine der besten britischen Pop-Bands der 80er in Erinnerung gerufen. Enorm eingängige und zugleich intelligente Songs wie "Digging Your Scene", "Forbidden Fruit" oder "Wicked Ways" zünden bis heute. Auch was nach der Hit-Platte von 1986 kam, ist für Pop-Fans eine echte Fundgrube: die Solo-Sachen von Frontmann Robert Howard alias Dr. Robert ebenso wie seine Band-Aktivitäten als gereifter Sänger, Songwriter und Produzent.
Punkte: 12/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 22.01.2023
Mick Anker
Robert Howard, Dr. Robert
Robert Howard, Dr. Robert
Neville Henry
Tony Kiley
Neville Henry (Saxophon)
BMG
224:10
27.01.2023