Wenn ein Album nicht nur „Colours Of Distance“ heißt und zudem jedes der insgesamt acht Stücke eine Farbe als Titel trägt, dann muss die Musik dahinter bestimmt extrem farbenfroh sein. Holt man dann auch noch die streng limitierte LP (insgesamt 150 Stück) aus der schön gestalteten türkisfarbenen LP-Außen- und Innen-Hülle, um zu entdecken, dass auch das Vinyl im wunderbaren Türkis erstrahlt, dann darf man sich fast sicher sein, dass sich solche Erwartungen verwirklichen.
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Mehr noch. Auf diesem Debüt-Album der Dresdner Band UMFYR steht zwar jeweils eine andere Farbe als Titel für sich, doch als Gesamtwerk fließen diese zu einem wunderschönen, sehr farbenfroh-musikalischen Bild zusammen. Auch wenn die erste Farbe „Black“ ist, die wir eigentlich mit dem Tod in Verbindung bringen – sie grundiert einfach auf dunkle Art all das, was uns an Farbvielfalt während der knapp 40 Instrumental-Minuten erwartet. Und sie zeigt uns, dass es bei „Colours Of Distance“ nicht um das Grelle, sondern mehr um das Ruhigere und etwas Düstere geht.
Gleichermaßen werden die Freunde der frühen Krautrock-Zeiten an die entspannten Klangwelten eines EROC erinnert, als der sich auf seine ganz spezielle (noch heute berühmt-bekannte) 'Wolkenreise' begab. Genau diese 'Wolkenreise'-Atmosphäre, während der man größtenteils ein inniges Wohlgefühl empfindet, durchzieht auch dieses Farben-Album des Dresdner Instrumental-Quartetts.
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Doch nicht nur die Wolken begleiten uns bei UMFYR, oft vermitteln die Dresdner gar den Eindruck, ihre Aufgabe wär es, die psychedelisch angehauchte Filmmusik für einen unbekannten Western zu schreiben, der bei solcher Musik allerdings schon so viele Bilder im Kopf erzeugt, dass man das, was auf der Leinwand abläuft, gar nicht unbedingt benötigt. WILCO und GIANT SAND oder die WALKABOUTS – allerdings allesamt unter Verzicht auf jede Form von Gesang – bohren sich beim Hören ins Gedächtnis, ganz genauso wie die großartigen SUTCLIFFE aus Deutschland, denen leider viel zu wenig Beachtung teil wurde und nur als großer Geheim-Tipp gelten. Wahrscheinlich werden UMFYR mit ihnen wohl dieses Schicksal teilen müssen. Deutschland ist noch nicht reif für solche Musik… Schön, wenn diese Behauptung nicht zutreffen würde.
Größtenteils 'uneuropäische' Americana- und Surf-Sounds treffen auf Easy Listening und verspielt anmutenden Bar-Jazz, der am Ende zu besagtem außergewöhnlichen Soundtrack führt, welcher mal wie ein Adler über die Wüste zu schweben scheint oder galoppierend direkt durch sie hindurch führt. Die Stimmungen bewegen sich in oft melancholischen, sehr melodischen Klängen mehr Richtung Sonnenauf- und -untergang, wobei sie die drückende Hitze oder vertrackte Unannehmlichkeiten aussparen. Auf „Colours Of Distance“ und der gesamten Farbpalette dürfen wir mehr träumen als schwitzen. Allerdings gibt es auch ein paar Momente, in denen es – wie auf „White“ – doch ein wenig zu ausgelassen und eingängig wird, so als würde die alte Schmalz-Gitarren-Nase RICKY KING mal auf dem Pony seinen rhythmischen Schunkeleinstand in Wildwest geben wollen. Zum Glück wird er dann ganz schnell von „Umbra“ beeindruckend weggeorgelt, sodass man sich darauf freut, die LP-Seite auf seinem Plattenspieler zu wechseln. Denn sicher geht es auf der zweiten Rille genauso farbenfroh weiter...
Die B-Seite beginnt mit dem jazzig swingenden „Orange“ und etwas Vogelgezwitscher als Beigabe. Schon damit sind die Erwartungen erfüllt und es geht farbenfroh und abwechslungsreich weiter.
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Die letzte Farbe, die im Grunde im gestalterischen Zentrum des gesamten Albums steht, ist das komplexeste und gleichermaßen improvisierteste Stück, welches über das vorangehende „Pink“ bereits recht progressiv eingeleitet wird.
„Turquoise“ wurde während einer Jamsession der Band bereits am 22. Juli 2016 aufgenommen (und klingt daher auch etwas dumpfer als die ansonsten soundtechnisch bestens ausgesteuerten anderen Stücke), bei der in erster Linie der Pianist Arne Maiwald den Ton angibt, während sich im Hintergrund der Bass immer mehr ausbreitet, so als müsste er eine bedrohliche Stimmung aufbauen, die am Ende dann im Einklang der Instrumente aufgelöst wird.
UMFYR haben es vollbracht und die Farbpalette der Musik in ihrem eigenen musikalischen Farbkasten vereint. Das Bild, welches sie dabei mit ihren Instrumenten (Bass, Gitarre, Schlagzeug, Keyboards) malen, begeistert und inspiriert. Hauptsache, man ist als Hörer neugierig genug und nimmt sich einfach mehr Zeit, bei den „Colours Of Distance“ genauer hinzusehen und hinzuhören.
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FAZIT: Welch beeindruckendes instrumentales Debüt-Album der Dresdner Band UMFYR, die sich in ihrer Musik nicht um Radiotauglichkeit scheren, sondern der puren musikalischen Farbvielfalt zuwenden, bei der Americana- und Surf-Sounds im Western-Filmmusik-Style auf Easy Listening sowie psychedelisch Kräuteriges und verspielt anmutenden, swingenden Bar-Jazz treffen, so als sollte die Filmmusik zu einem Western mit ganz unterschiedlichen Szenen geschrieben werden. Den Western gibt’s zwar nicht, dafür aber „Colours Of Distance“, ein Album, das genug Bilder und Farben beim Hören im eigenen Kopf-Kino freisetzt. Genauso farbenfroh wie die Musik ist auch das besonders empfehlenswerte türkisfarbene Vinyl (plus DL-Code) der auf 150 Stück limitierten LP-Version.
Punkte: 12/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 21.06.2023
Ivan Paisrt
Robert J. Mohonk
Arne Maywald
Udo Bornemann
Kråkenduft Records
37:32
22.07.2022