<img src="http://vg02.met.vgwort.de/na/d670174c1ec84c58a99e92107213f827" width="1" height="1" alt=""> Neuerdings scheint es Mode zu sein, ACCEPT zu kritisieren, weil die Band ja eigentlich eine Soloveranstaltung von Gitarrist Wolf Hoffmann sei, der als letztes Mitglied aus der Gründerzeit übriggeblieben ist. Dabei handelt es sich allerdings um keine neue Erkenntnis, und wer der Band ihre Linientreue zum Vorwurf macht, darf das sicherlich, sollte sich aber die Frage stellen, worauf er sich überhaupt eingelassen hat. Wir sprechen immerhin von Pionieren des deutschen Metal, die den Stil auch auf globaler Ebene geprägt haben; es ist also nicht so, dass die mit Unterbrechungen bald ein halbes Jahrhundert aktive Combo noch irgendwelche Neuerungen erzwingen müsste.
<center><iframe width="560" height="315" src="https://www.youtube.com/embed/LYPFFZFBBYY?si=0Ca-RGwHLNiEEpgS" title="YouTube video player" frameborder="0" allow="accelerometer; autoplay; clipboard-write; encrypted-media; gyroscope; picture-in-picture; web-share" referrerpolicy="strict-origin-when-cross-origin" allowfullscreen></iframe></center>
Und was sie etabliert hat, macht sie weiterhin ordentlich und dieser Tage kompositorisch stärker als auf "Too Mean To Die" (2021). "Humanoid" ist etwas vielseitiger als sein Vorgänger und wurde einmal mehr von Andy Sneap produziert, dessen unverkennbarer (negativ ausgedrückt: standardmäßig steriler) Sound dem geradewegs auf den Punkt kommenden Material so gut steht wie ehedem. Und dass Accept fast 40 Jahre nach ihrer sechsten LP "Metal Heart" in einigen Songs mit dem Thema Fortschrittsskepsis spielen, ist im Licht von KI und Co. plausibel, aber natürlich nicht im Sinne einer technophilosophischen Konzeptabhandlung zu verstehen.
Der Opener 'Diving into Sin' entpuppt sich nach seinem sinnfreien Sitar-Intro Intro als unaufdringliche Dampframme, wie es später auch 'The Reckoning' und 'Mind Games' sind. Das peitschende Titelstück und 'Frankenstein' könnten auch von einem der letzten paar Saxon-Alben stammen, während der Trinksong 'Straight Up Jack' die ideale Plattform zur Entfaltung von Sänger Mark Tornillos Reibeisenstimme bietet; die Nummer ist übrigens (vielleicht wider Erwarten angesichts des prosaischen Themas) kein Stinker.
<center><iframe width="560" height="315" src="https://www.youtube.com/embed/yV8USmxRzw0?si=QFAK8xMrpUj-z8om" title="YouTube video player" frameborder="0" allow="accelerometer; autoplay; clipboard-write; encrypted-media; gyroscope; picture-in-picture; web-share" referrerpolicy="strict-origin-when-cross-origin" allowfullscreen></iframe></center>
Müsste man zwei Nummern streichen, um das Ganze prägnanter wirken zu lassen, dann das ruhige, in den Strophen fast niedergeschlagene und seinem Titel gemäß gewollte bestärkende 'Man Up' sowie 'Nobody Gets Out Alive', eine nachdenklich gemeinte, aber schlapp wirkende Ode ans Älterwerden mit irgendwie unpassendem "sonnigen" Unterton. Die Ballade 'The Ravages of Time' (Scorpions-Flair inklusive) widmet sich der Thematik auf überzeugendere Weise. Mit dem selbstreferenziellen 'Unbreakable' - Hoffmann lässt hier eines seiner Klassik-Zitate vom Stapel, eine Anspielung auf das im Rock und Metal beliebte Thema (siehe etwa Savatage) von 'In der Halle des Bergkönigs' aus Edvard Griegs Schauspielmusik "Peer Gynt" - kommt ein Highlight der Platte relativ spät zur Geltung, doch den stärksten Track hat sich die deutsch-amerikanische Zusammenrottung bis zum Schluss aufgehoben: das flinke 'Southside Of Hell' im Schatten von Judas Priest.
FAZIT: "Humanoid" ist ein gutes ACCEPT-Album (ihr 17.!) und gefällt im Vergleich zum Gros dessen, was die Band seit 2009 zu Werke gebracht hat, durch seine unprollige Art. Ansonsten bleibt alles beim Alten - recht schnell durchschaubare Hauruck-Hymnen, Weltklasse-Metal-Gitarrenarbeit und charakteristische Chöre. Inmitten der Meckerei der Szene-Öffentlichkeit sollte man eventuell auch nicht vergessen, dass sich die Band über all die Jahre hinweg nie zu piefigen Elitären gerierte, sondern stets auch einen selbstironischen Humor an den Tag legte und schlicht unterhalten wollte… was sie ungeachtet personeller und produktionstechnischer Fragen immer noch auf gehobenem Niveau tut. Das darf man genauso gut finden wie das aktuelle Schaffen von Ex-Frontmann Udo Dirkschneider.
Punkte: 11/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 15.04.2024
Martin Motnik
Mark Tornillo
Wolf Hoffmann, Uwe Lulis
Christopher Williams
Napalm / SPV
48:13
26.04.2024