Ein knallbunter Blumenstrauß ziert das Cover (so richtig plastisch kommt er natürlich nicht auf einer CD, sondern auf einer Vinyl-LP-Hülle zur Geltung). Das Wort "Twentyfour" hat der Artwork-Florist aus Blüten drüberdrapiert, und fast bescheiden steht über allem der Name des Bukett-Überbringers: AL DI MEOLA. Es ist ein Geschenk an seine vielen langjährigen Fans, das der legendäre Jazz-Fusion-Gitarrist hier darbietet. Und ein bisschen wohl auch eine Geburtstagsgabe an sich selbst - denn am 22. Juli, drei Tage nach der Veröffentlichung dieses neuen Doppelalbums, wird der US-Amerikaner runde 70.
Auf seinem bisher letzten Album <a href="http://www.musikreviews.de/reviews/2020/Al-Di-Meola/Across-The-Universe/" target="_blank" rel="nofollow">"Across The Universe"</a> hatte sich AL DI MEOLA vor vier Jahren mit einer Beatles-Hommage präsentiert. Bereits zum zweiten Mal innerhalb von kurzer Zeit, nach "All Your Life: A Tribute To The Beatles" von 2013, so dass manche Kritiker schon eine kreative Flaute bei dem 1954 in New Jersey geborenen Grammy-Gewinner befürchteten. Doch sie können beruhigt sein - trotz Pandemie (oder auch gerade deswegen) ist AL DI MEOLA mit voll aufgeladenen Batterien zurück.
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Als "Samen, der in den dunklen Zeiten von 2020 gesät wurde", begann "Twentyfour" nach Auskunft seines Schöpfers. "Aber es blühte innerhalb der nächsten vier Jahre auf zu einem beschwingten Bukett musikalischen Ausdrucks, größer und schöner, als ich es mir je hätte vorstellen können. Was als echte Therapie-Übung während der Pandemie begann, entwickelte sich zu einem voll produzierten Kunstwerk. Es ist ein Zeugnis für die heilende und transformative Kraft der Musik."
Da äußert sich ein Künstler also mächtig stolz zu seinem neuen Werk (über das normale PR-Sprech mit Eigenlob-Zitaten hinaus). Und mindestens hochzufrieden darf AL DI MEOLA, auch vorher schon einer der wichtigsten, einflussreichsten Instrumentalisten in Jazz, Latin, Worldmusic und Fusion, gewiss sein im Fall von "Twentyfour". Dies ist eine Plattte, die den (noch) 69-Jährigen schon vom Titel her im Hier und Jetzt verortet.
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Nicht nur ist dieses Opus magnum im Spätwerk von AL DI MEOLA ein quantitativ eindrucksvolles Album mit insgesamt 15 Stücken und über 80 Minuten Spieldauer. Es ist auch rein qualitativ ein äußerst opulentes Gitarren-Jazz/Flamenco/Art-Rock-Juwel - virtuos komponiert, wunderbar instrumentiert und produktionstechnisch perfekt. "Twentyfour" sei angesichts der Transformation von akustischen Ursprüngen zu einer vollwertigen, komplexen Produktion mit teils orchestralen Arrangements "ein gigantischer Sprung in meiner Entwicklung", sagt DI MEOL. "Durch die Pandemie bin ich noch tiefer eingetaucht, als jemals zuvor mit meinem normalen Zeitplan möglich gewesen wäre."
Der US-Amerikaner mit italienischen Wurzeln komponierte nicht nur alle Stücke, sondern spielte auch akustische wie elektrische Gitarren sowie Percussion, Bass und Keyboards ein. Das Orchestra di Bellagio e del Lago di Como steuerte prächtige Streichersätze bei, etwa im formidablen Track "Ava's Dance In The Moonlight". Aber auch im Jazz ungewohntere Instrumente wie Harmonica, Tabla, Cajon oder Chatka Guitar integiert der Maestro in sein Klangbild. Und im melancholischen Lied "Eden" ist die schöne Stimme von Ivan Lopez aka Siuxx zu hören.
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AL DI MEOLA hat im Laufe von rund 50 Jahren Weltkarriere auch mit vielen Folk-, Pop-, Soul- und Rock-Musikern wie Paul Simon, Phil Collins, Stevie Wonder, Jimmy Page, Carlos Santana, Steve Winwood oder Frank Zappa zusammengespielt. ?Aber: "Es ist der Verdienst der Beatles, dass ich heute Gitarre spiele“, sagte er 2020 zu seinem Tribute-Album. "Sie waren für mich die treibende Kraft, um anzufangen, das Gitarrenspiel zu lernen, und hatten einen starken prägenden Einfluss auf mich."
So freundlich die mehrfache Verbeugung vor den Fab Four auch war - als Jazz-Fan freut man sich nun doch, dass DI MEOLA mit einem weiteren selbstkomponierten Alterswerk noch hoch kreativ ist - in der Spätphase einer großen Laufbahn, die für das Berklee-College-Jungtalent im Quintett von Barry Miles begann, in der legendären Fusion-Band Return To Forever mit Chick Corea und Stanley Clarke Mitte der 70er-Jahre weiterging und im ungemein erfolgreichen Trio-Live-Album "Friday Night In San Francisco" (1981) mit Paco Di Lucia und John McLaughlin erstmals gipfelte.
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FAZIT: Seit einem halben Jahrhundert fasziniert der virtuose Sound von AL DI MEOLA. Kann der amerikanische Jazz-Fusion-Maestro aber auch mit dem in der Pandemie-Zeit geschriebenen, später opulent arrangierten Alterswerk "Twentyfour" überzeugen? Und ob. Die Gitarren- und Kompositionskünste des Grammy-Gewinners finden auf einer reifen Platte ihren Ausdruck. Ein prächtiger musikalischer Blumenstrauß - das Cover übertreibt also nicht.
Punkte: 12/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 20.07.2024
Al Di Meola
Siuxx
Al Di Meola
Al Di Meola, Derek Wieland, Hernan Romero
Al Di Meola, Pere Munuera, Tommy Brechtlein
Rodrigo G. Pahlen (Harmonica), Amit Kavthekar (Tabla), Hernan Romero (Chatka Guitar), Gumbi Ortiz (Congas), Richie Morales (Cajon), Orchestra di Bellagio e de Lago di Como (Orchesterarrangements)
earMUSIC
82:39
19.07.2024