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Angélica Garcia: Gemelo

Stil: Indie-Pop, Rock, Electronica

Cover: Angélica Garcia: Gemelo

Zu einer gewissen Berühmtheit gelangte die Musikerin ANGÉLICA GARCIA mit ihrem zweiten Album „Cha Cha Palace“ nicht zuletzt deswegen, weil Barack Obama ihren Song „Jicama“ zu einem seiner Lieblingssongs des Jahres 2019 erklärte. Auf dem Album beschäftigte sich die Musikerin mit ihren Roots als „Chicana“ - einer in den USA geborenen und heutzutage in Los Angeles lebenden Tochter von Einwandererfamilien aus Mexico und El Salvador - und ihrer Jugend in dem Ort El Monte im kalifornischen San Gabriel Valley. Damals sang sie ihre Songs allerdings noch auf Englisch – was dazu führte, dass ihre nur spanisch sprechende Großmutter, der sie das Album dann vorspielen wollte, gar nicht verstehen konnte, wovon sie denn da erzählte.
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Das brachte ANGÉLICA GARCIA dann zu der Erkenntnis, dass sie einen wesentlichen Teil ihrer Kultur und ihrer eigenen Geschichte bis dahin ausgeblendte, weil sie sich dazu entschieden hatte, auf Englisch zu singen. Das ist der Grund, warum sie auf ihrem nun auch physisch erscheinenden dritten Album „Gemelo“ ('Zwilling') – bis auf wenige, einzelne Textzeilen - ihre Texte komplett auf Spanisch schrieb und vorträgt; selbst wenn Freunde ihr davon abgeraten hatten, weil sie aufgrund ihrer bilingualen Erziehung kein perfektes Spanisch spreche.

Wie sich nun herausstellt, ist das aber nicht entscheidend von Belang, denn Garcia ist keine Geschichtenerzählerin, die auf korrekte Grammatik angewiesen ist, sondern stattdessen ihre Texte von vorneherein als Gedichte mit teils assoziativem Bezug anlegt. Inhaltlich beschäftigt sie sich zudem weniger mit Begebenheiten und Anekdoten, sondern mit Reflexionen über Seinszustände, die sich öfter auf Dualitäten beziehen. Da geht es dann um Doppeldeutigkeiten, Reflektionen in Spiegeln, sich ergänzende Gegensätze wie hell und dunkel, Traum und Realität und eben Zwillinge (sowohl das Sternzeichen in dem Song „Gemini“ wie auch das Spiegelbild in „Reflexiones“ betreffend).
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Das mag dann verständnishalber für Musikfreunde, die des Spanischen nicht mächtig sind, zwar hinderlich sein – aber ANGÉLICA GARCIA geht um etwas anderes. Indem sie sich als US-Bürgerin entschloss, ein Album auf Spanisch einzuspielen, wollte sie deutlich machen, dass das Spanische eben auch zu den USA gehört – ob das die alten weißen Männer an den Schalthebeln der Macht nun wissen wollen oder nicht. „Gemelo“ wird so in gewisser Hinsicht nicht nur ein Selbstfindungs-Manifest, mittels dessen sie sich auf die Suche nach ihrer kulturellen Identität begibt, sondern auch ein politisches Album. Von nun an wird ANGÉLICA GARCIA nach eigener Aussage auch weiterhin in beiden Sprachen schreiben und singen – oder aber in einer umgangssprachlichen Mischform, die seit den 1930er-Jahren in den USA als „Spanglish“ bekannt ist.

Die musikalische Umsetzung des Albums in einem experimentellen, elektronischen Umfeld entstand dabei eher zufällig. Nachdem sich Garcia auf ihren ersten Alben noch an Indie-Rock und Americana-Pop orientierte, zwang sie die Pandemie dazu, die Tour zu ihrem Album „Cha Cha Palace“ abzubrechen und sich für anderthalb Jahre in Brooklyn niederzulassen. Zu dieser Zeit arbeitete sie dann in einem Dance-Club, während sie begann, an neuen Songs zu arbeiten, die sie der Umstände halber weitestgehend mit elektronischen Mitteln realisierte und dabei mit Computertechnik, Samplern, Beat-Boxes und Loop-Stations arbeitete.

Produziert wurden die Songs dann schließlich in Garcias alter Heimat Virginia, wobei CARLOS ARÉVALO von der L.A. Rockband CHICANO BATMAN, den sie über Instagram kennengelernt hatte, erstmals als Produzent einsprang. In dessen Studio wurde dann den Tracks, die sie zuvor zusammen über die Distanz erarbeitet hatten, mit Dub-, Trip-Hop-, Hip-Hop- und E-Pop-Techniken der jeweils charakteristische Sound verpasst. Stilistisch hielt sich ANGÉLICA GARCIA dabei alle Türen offen und spielte mit so unterschiedlichen Genres wie Dreampop („Reflexiones“), Electro-Cumbia („Juanita“), R'n'B („Angel“), Indie-Rock („Y Grito“), Dubstep-Pop („Paloma“) oder sogar Kook-Pop („Color De Dolor“).
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Bemerkenswert ist besonders der Umstand, dass keine offensichtlichen Fokustracks aus der Songsammlung herausragen, sondern der Reiz des Albums sich aus der stilistischen Vielfalt der einzelnen Songs ergibt.

Alle wesentlichen musikalischen Elemente wurden von ANGÉLICA GARCIA für dieses Projekt selbst erzeugt und dann mit CARLOS ARÉVALO in der Produktion zusammengeführt.
„Gemini“ ist dabei der einzige Track, bei dem Live-Musiker ins Geschehen eingebunden sind – alles andere entstand auf digitalem Wege. Dennoch ist „Gemelo“ kein abstraktes Experiment – denn als Songwriterin, Arrangeurin und Co-Produzentin hatte ANGÉLICA GARCIA nicht alleine das Sounddesign, sondern vor allen Dingen auch die Songs und deren Unterhaltungswert im Blick, sodass das Werk am Ende dann gar als aufregendes Crossover-Pop-Album funktioniert.
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FAZIT: Für ihr drittes Album „Gemelo“ stellte sich die amerikanische Musikerin ANGÉLICA GARCIA – zwar umständehalber – also musikalisch neu auf und erschuf so eine eigene, neue musikalische Identität, die der politischen Dimension des Albums eine interessante Komponente hinzufügt. Denn der so entstandene elektronische Soundclash ist letztlich weder für die englische noch die spanische Seite ihres Erbes wirklich typisch, sondern spiegelt eher eine Vermischung der Kulturen wider. Kein Wunder also, dass sie in dem Song „Gemini“ singt: „I See Double Everywhere I Go“.

Punkte: 12/15

Erschienen auf www.musikreviews.de am 21.07.2024

Tracklist

  1. Reflexiones
  2. Color De Dolor
  3. Juanita
  4. Angel (eternal)
  5. Mirame
  6. Y Grito
  7. El Que
  8. Intucion
  9. Gemini
  10. Paloma

Besetzung

Sonstiges

  • Label

    Partisan Records

  • Spieldauer

    33:35

  • Erscheinungsdatum

    17.07.2024

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