Nerven euch eigentlich auch die Massen an Weihnachtsplatten, mit denen wir Jahr für Jahr ab Oktober überschüttet werden?
Man könnte glatt zum Grinch werden, wenn man immer die selben ollen, süßlichen "Jingle Bells"- und "Winter Wonderland"-Kamellen hören muss (von Wham! und Mariah Carey mal ganz abgesehen). Und dann auch noch dieser Abzocke-Verdacht: Okay, jetzt macht der/die auch noch einen schnellen Reibach vorm Fest. Ein paar Ausnahmen gibt es natürlich (und sie stammen meist noch aus glorreichen Jazz-Zeiten, von Ausnahmekünstlern wie Frank Sinatra, Ella Fitzgerald oder Louis Armstrong) ...
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Weihnachtsalben auch von wirklich wichtigen Rock- und Popmusikern sind indes schon rein künstlerisch meist mau. Oder mag jemand ernsthaft "Christmas In The Heart" zu den wichtigeren Erzeugnissen der Karriere Bob Dylans zählen, oder "The Beatles Christmas Album" als Highlight der Fab Four bezeichnen, oder "The Beach Boys Christmas Album" als Sternstunde der Strandjungs? Nee, früher, vor Pop und Rock, war auch bei Weihnachtsalben mehr Lametta.
Besser wird's immer dann, wenn aktuelle Musiker statt der oder zumindest neben den meist uralten Klassikern zum Fest auch eigene Kompositionen mit weihnachtlichem Flair zum Besten geben. "One More Drifter In The Snow" von Aimee Mann fällt mir da ein, eine Platte, auf der die große US-Singer-Songwriterin 2006 Lieder aus eigener Feder und der ihres Ehemannes Michael Penn sowie weniger ausgelutschte festliche Songs präsentierte.
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Oder "The Pianoman At Christmas", das der britische Sänger Jamie Cullum 2020 mit lauter schönen Originalsongs rund um Weihnachten bestückte. Zuletzt bekam Norah Jones den Balance-Akt zwischen altbekanntem und eigenem "I Dream Of Christmas"-Liedgut auf ihre charmante Weise ganz gut hin. Jetzt, und damit sind wir auf Umwegen beim Thema, kommt eine Ausnahme hinzu:
"Sleigher" vom Piano-Pop-Großmeister BEN FOLDS ist eine Platte, die man eigentlich auch im Frühjahr, Sommer, Herbst mit Genuss hören kann. Denn hier werden, wie bei den oben Genannten, zahlreiche selbstgeschriebene (und qualitativ sehr gute) Weihnachtslieder oder zumindest "Re-Imaginationen" geboten. Insgesamt alles Songs, die auch auf anderen, "normalen" Platten dieses fabelhaften Melodienerfinders auftauchen könnten - zumal es textlich nicht an dem für FOLDS so typischen Witz mangelt.
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Dass der 58-jährige Amerikaner ein schräger Vogel und augenzwinkernder Schelm ist, deutet nämlich schon der Albumtitel "Sleigher" an - wohl nicht ganz zufällig nach dem Namen einer Thrash-Metal-Band klingend, die mit dem christlichen Fest womöglich wenig am Hut hat. Mit "Xmas Aye Eye" hat er einen ziemlich verrückten Song unter die für BEN FOLDS typisch gefühlvollen Balladen und Midtempo-Lieder gemischt, der das ganze Projekt Weihnachtsalbum auf die Schippe nimmt. Zudem hat er "The Christmas Song" von Robert Wells/Mel Tormé - mit Lagerfeuer-Gitarre und Mundharmonika, was beim jazz-informierten Pianisten FOLDS selten vorkommt - als einziges weithin bekanntes Traditional auf die Platte gepackt.
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Ansonsten ein Instrumental als Opener ("Little Drummer Bolero" - der Titel ist natürlich eine Anspielung auf den berühmten "Little Drummer Boy") sowie sechs eigene Songs. Und die sind großartig. Also wie man es von BEN FOLDS, der mit seinem vorherigen Studioalbum "What Matters Most" (2023) wieder mal nachhaltig die Pop-Kritiker begeisterte, quasi gewohnt ist - mit pfiffigen Lyrics und griffigen Melodien Irgendwo zwischen Burt Bacharach, Paul McCartney, Randy Newman und Brian Wilson. Besonders zu empfehlen sind die wie künftige Weihnachtslied-Klassiker klingenden Sixties-Pop-Juwelen "Sleepwalking Through Christmas", "Christmas Time Rhyme" und "We Could Have This" sowie das Bacharach-Cover "The Bell That Couldn't Jingle".
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FAZIT: Jetzt also auch von BEN FOLDS ein Weihnachtsalbum - muss das sein? Kein Problem in diesem Fall, denn "Sleigher" meidet die üblichen Stolperfallen.
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"Das Ergebnis ist weniger ein klassisches BEN FOLDS-Weihnachtsalbum als vielmehr eine BEN FOLDS-Platte zu Weihnachten", schreibt zutreffend sein Label New West. Der Künstler selbst drückt es so aus: "Weihnachten ist eine Konstante. Es erlaubt dir, eine Bestandsaufnahme zu machen, was anders ist, zu verstehen, wer du bist und wie du gewachsen bist und dich verändert hast." Ein feiner festlicher Songreigen ist dieses "Sleigher"-Album - und dabei auch ein großer Spaß.
Punkte: 12/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 26.10.2024
Lex Price, Jherek Bischoff
Ben Folds, Lindsey Kraft, Kenny Marsh, Julia Dollison
Joe Pisapia
Ben Folds, Ross Garren
Jamie Dick
Ross Garren (Mundharmonika, Vibraphon), Joe Pisapia (Banjo), Kenny Marsh, Julia Dollison (Chor-Arrangements), Jherek Bischoff (Streicher-Arrangements), Daphne Chen, Kate Outterbride (Violine), Marta Sofia Honer (Bratsche), Derek Stein (Cello)
New West Records
34:35
25.10.2024