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Bernd-Michael Land: Einskommafünf – Die Endlichkeit allen Seins

Stil: Elektronische Musik auf drei Säulen

Cover: Bernd-Michael Land: Einskommafünf – Die Endlichkeit allen Seins

<b>„Als Bürger dieser Welt sollte es die oberste Pflicht sein, unserem Planeten die Fürsorge zu schenken, die er verdient“</b> (Bernd-Michael Land)

„Einskommafünf“...
Da war doch was!?
Ach so!
Irgendwie hängt das doch mit dem Klima zusammen, oder?
Wir erinnern uns vielleicht noch, wenn wir gerade nicht um den Erhalt unseres eigenen Wohlstands bemüht sind, dass hinter dieser Zahl ein Weltuntergangsszenario steckt – und zwar (übrigens auch in dem grandios gestalteten 28 Seiten starken Foto-Booklet von „Einskommafünf – Die Endlichkeit allen Seins“ nachzulesen) dass dies die Temperaturschwelle ist, die unbedingt bis 2100 eingehalten werden sollte, um den globalen Treibhauseffekt zu begrenzen, da sonst – wie es zahlreiche wissenschaftliche Studien belegen – „Teile der Erde unbewohnbar würden und somit bis zu 80% weniger Menschen zur Klimamigration gezwungen wären“.
Also: Wandelt sich das Klima so rasant weiter, dann wandelt sich die Menschheit ebenso rasant zurück und der, sicher vielen bekannte weise Spruch der Cree-Indianer Nordamerikas wird sich bewahrheiten: „Erst wenn der letzte Baum gerodet, der letzte Fluss vergiftet, der letzte Fisch gefangen ist, werdet ihr merken, dass man Geld nicht essen kann.“

Nunmehr ist „Einskommafünf – Die Endlichkeit allen Seins“ die auf elektronischer Berliner-Schul-Basis von dem Elektronik-Tüftler BERND-MICHAEL LAND vertonte Ewigkeit des Klimawandels und des (hoffentlich nicht) Untergang allen Seins...
Eine musikalische Symbiose, die fest auf drei Säulen ruht:
* elektronische Synthesizer ** dystopische Naturgeräusche *** symphonische Orchestergongs + Klangschalen + weitere akustische Instrumente, die sich zu außergewöhnlichen Soundscapes vereinen und dabei ein berauschendes, weiträumiges Stereo-Klangbild entfalten, das besonders unter hochwertigen Kopfhörern eine unglaubliche Faszination entwickelt.
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Vordergründig agiert Land hierbei mit analogen und modularen Synthesizern, die allesamt direkt als Audiofile aufgenommen und ohne den Einsatz von Computer oder Midi realisiert wurden, wobei die Idee hinter diesem fast 75 Minuten langen Konzeptalbum auf dem gleichnamigen 33-minütigen Klangkunstwerk basiert, das im Oktober 2023 auf der Kunstausstellung „Rodgau Art“ im Bürgerhaus in Nieder-Roden zur Aufführung kam. Wenn die Kunst bei der Ausstellung nur halbwegs ebenso farbenfroh, aber auch apokalyptisch („Feuerwalze“) wie „Einskommafünf – Die Endlichkeit allen Seins“ war, dann kann sie nur ein voller Erfolg geworden sein.

„Verbrannte Erde“ ist beispielsweise ein grandioser Rückgriff auf eine offensichtlich von TANGERINE DREAM geprägte Atmosphäre, die sich fast immer wieder deutlich aufflackernd durch das gesamte Album zieht, eine bedrückende Wendung in „Letzte Seelen“ findet und über dunkle Moll-Klänge „Planetare Grenzen“ überschreitet, um am Ende, nachdem in „Reset“ tatsächlich dem brodelnden KRAFTWERK ein kurzer Besuch abgestattet wird (Passt ja schließlich bestens!), dem unausweichlichen, finsteren „Hitzetod“ entgegenzusteuern, der sich in schwebenden Synthieklängen mit Erinnerungen an Manuel Göttschings ASH RA TEMPEL entlädt und nicht etwa verbrannte Erde, sondern tiefe musikalische Eindrücke hinterlässt.
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FAZIT: Elektronische Musik mit der Absicht, ein klein wenig zur Rettung der Natur beizutragen, die ein Großteil der im Wohlstand lebenden Zeitgenossen auf Kosten der Menschheit und des Klimas aufs Spiel setzt. Kann es so etwas geben? Bei BERND-MICHAEL LAND schon, der mit seinem 'dreisäuligen' (* elektronische Synthesizer ** dystopische Naturgeräusche *** symphonische Orchestergongs + Klangschalen + weitere akustische Instrumente) Konzept-Album „Einskommafünf – Die Endlichkeit allen Seins“ in gigantischem Stereo-Ton darauf verweist, dass, wenn wir uns an besagtes Ziel, den maximalen Temperaturanstieg auf 1,5° zu begrenzen, nicht halten, es am Ende auf der Erde so aussieht, wie wir es in dem reich bebilderten 28-seitigen Booklet sehen und auf dem Album, das (hoffentlich nicht als Prophezeiung) mit „Hitzetod“ endet, hören. Ambitioniert und richtig stark – und wer behauptet, mit elektronischer Musik könnte man keine Botschaft hinterlassen, der kennt BERND-MICHAEL LAND noch nicht, dem an seiner Musik wie an der Gestaltung seiner Alben mehr als nur 'Ohrenfutter' wichtig ist – auch das Hirn und die Augen sollten angestrengt werden bei „Einskommafünf – Die Endlichkeit allen Seins“ und bei diesem Klang am besten den ganzen Genuss unter einem hochwertigen Kopfhörer nicht häppchenweise, sondern in seinem 75-minütigen Rutsch zu sich nehmen.

Punkte: 13/15

Erschienen auf www.musikreviews.de am 24.08.2024

Tracklist

  1. Evolution
  2. Eisberg A23a Drift
  3. Die Flut
  4. Verbrannte Erde
  5. Lost Places
  6. Gardi Sugdub
  7. Gletscherfels
  8. Ödland
  9. Feuerwalze
  10. Hüpfender Polarbär
  11. Letzte Seelen
  12. Planetare Grenzen
  13. Reset
  14. Hitzetod

Besetzung

  • Keys

    Bernd-Michael Land

  • Sonstiges

    Bernd-Michael Land (Akustische Instrumente, Sounddesign, Fieldrecordings, Naturgeräusche, Symphonisches)

Sonstiges

  • Label

    Eigenvertrieb/Elektro Kartell

  • Spieldauer

    73:41

  • Erscheinungsdatum

    02.08.2024

© Musikreviews.de