Der österreichische Multiinstrumentalist und Sänger BERNHARD EDER muss ein großer Freund des zum Glück nie in Vergessenheit geratenen Krautrocks der Marke NEU! und besonders wohl auch von MICHAEL ROTHER, dem NEU!-Gitarristen, sein. Aber auch der großartige Schweizer STEPHAN EICHER, der mit seiner GRAUZONE den „Eisbären“ aufweckte und RHEINGOLD, die uns wissen ließen, wie die „Dreiklangdimensionen“ tatsächlich klingen, scheinen unsere Ohren immer wieder liebevoll beim Hören von Eders „Golden Days“ zu umschmeicheln. Unter diesem Aspekt wird der klug gewählte Album-Titel zum Programm: Goldene Tage, der anfangs verpönten NDW- und New-Wave- aber auch Krautrock-Bewegung vergoldet Eder mit seinen eigenen musikalischen Ideen, indem er diesen sogar geschickt psychedelische wie progressiv verspielte Zutaten beimischt und dabei die modernste Technik nutzt.
Hält man die LP in den Händen und legt das weiße Vinyl auf seinen Plattenteller – schwarz würde hier tatsächlich nicht passen – wird man als erstes auch von dem warmen wie vollen Bass-Sound von „Golden Days“ beeindruckt sein, der nur zu gerne auch mit interessanten Stereo-Effekten spielt und das klangliche Niveau der damals absolut angesagten 12“er-Maxis erreicht.
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Dass man neben dem weißen Vinyl noch ein LP-großes Textblatt im Inneren des Albums entdeckt, spricht ebenfalls für „Golden Days“, deren Texte durchaus auch einen kritischen Blick auf den aktuellen Zeitgeist werfen, wenn's beispielsweise im Titeltrack heißt: „Take your pills when you get up / You take them also when you're tired, / Before you lay down“. Am Ende sind die wirklichen 'Goldenen Tage' eben vorbei – während wir sie uns - statt auf künstlerischer – auf künstlicher Ebene über Pharmazie und andere Rauschmittelchen wieder zurückholen wollen. Der falsche Weg – der richtige wäre beispielsweise, sich genauer auf „Golden Days“ und die musikalischen wie textlichen Ideen eines BERNHARD EDER einzulassen.
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Hinzu kommt Eders hohe, mitunter fragile Stimme, die sich genauso einzuschmeicheln wie bei einigen Lyrics zu verstören versteht. Vielleicht liegt es ja auch daran, dass sie einerseits Erinnerungen weckt, man aber nie so genau weiß an wen. Vielleicht an Purple Schulz oder Michy Reincke von Felix De Luxe. Und auch dass Eder vom 'Rolling Stone' mit dem Prädikat: „Der Songwriterpop der Stunde kommt aus Österreich“ versehen wurde und selbst für Freunde der DDR-Musik (aus der auch der Kritiker stammt) mit seiner traurigen Interpretation von CITYs „Am Fenster“ sehr interessant sein sollte, ist nunmehr – hoffentlich nach dieser Review – kein Geheimnis mehr.
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„Golden Days“ offenbart beim Hören eben die seltsamsten wie auch schönen Erinnerungen im kunterbunten Wechselspiel. BERNHARD EDER bricht zudem konsequent mit einer NDW- oder New-Wave-Tradition, die sich bei ihren Songs fast immer im radiotauglichen 3- oder 4-Minuten-Format bewegten. Nicht so „Golden Days“, auf der die Hälfte der Songs des Albums die 5-Minuten-Marke knacken und der Album-Endtitel „Nowayout“ über sieben Minuten lang sein psychedelisches Unwesen treibt. Das schafft Raum für spannende Instrumental-Passagen, feine Gitarren-Ausflüge, flirrende Synthie-Sounds sowie krautige Experimente und immer wieder eigenartige Stilwechsel inmitten eines Songs – wie beispielsweise in dem ebenfalls fast siebenminütigen „The Unbeauty Regime“, der die LP-A-Seite abschließt und sich aus ihr ähnlich wie aus einem psyche-gruseligen Computerspiel a'la der mysteriösen Gruselgeschichte „The 7th Guest“ verabschiedet. Da passt eine Textzeile wie: „We are slaves to a dream of the unbeauty regime“, bestens.
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Fünf Jahre werkelte BERNHARD EDER an seinem „Golden Days“-Album und nahm es dann mit seinen Musikern in nur einem einzigen Raum auf. Nur gut, denn so konnten die komplexen Kompositionen gemeinsam im Bandkontext verwirklicht werden – genauso eben, wie man es auch zu Krautrock-Zeiten bevorzugte. Oft ruhig, mitunter traurig und textlich mit dem Finger in der Wunde einer immer kälter werdenden Gesellschaft und eines Zeitgeists, der sich längst auch musikalisch immer mehr von einer dermaßen aufregenden – in die 70er- wie 80er-Jahre schielenden – Musik verabschiedet, lässt „Golden Days“ am Ende nicht etwa die Goldenen Zeiten aufleben, sondern zeigt uns viel mehr, was wir in unserer Sucht nach Optimierungswahn alles an Wertvollem auf der Strecke gelassen haben. Oder um es mit den Worten des letzten ausweglosen Songs „Nowayout“ auszudrücken: „And when the evening comes / There comes the pain“. Das scheint gerade heutzutage ganz besonders auch für die massentaugliche Musik aus den Stream- und Download-Plattformen zu gelten.
Höchste Zeit also, die Dunkelheit zu verlassen und nach den „Golden Days“ Ausschau zu halten. BERNHARD EDER lässt sie auf diesem Album jedenfalls wiederaufleben, bis er diese unter einem schwer psychedelischen „Nowayout“-Schleier begräbt. Es lohnt sich, diesen endlich mit etwas Neugier und offenen Ohren zu lüften!
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FAZIT: Sie sind längst nicht mehr das, was sie einstmals waren: Die Goldenen Zeiten! Eine Erkenntnis, die der österreichische Musiker BERNHARD EDER auf seinem Album „Golden Days“ und seinen musikalischen Ausflügen vom Krautrock (NEU!) bis hin zu den spannend-verspielten NDW-Band-Sounds (RHEINGOLD oder GRAUZONE) und jeder Menge eigener hochinteressanter Kompositionen samt zeitkritischen, metaphorischen Texten auf den Punkt bringt. Es gibt sie also doch noch, die „Golden Days“ und wenn sie sich schon in Gesellschaft wie Politik kaum noch sehen lassen, so können sie sich auf jeden Fall uneingeschränkt bei BERNHARD EDER hören lassen.
Punkte: 13/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 11.03.2024
Marlene Lacherstorfer, Bernhard Eder, Bernhard Schlager
Bernhard Eder
Bernhard Eder, Julian Schneeberger
Bernhard Eder, Ryan Carpenter
Markus Perner, Alex Kerbl
Bernhard Eder (Trompete, Omnichord)
Tron Records
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02.02.2024