Herrje! Jetzt gerät man als Kritiker tatsächlich ernsthaft in die Klemme. Plötzlich liegen hier vor einem zwei an Unterschiedlichkeit kaum zu übertreffende Alben, die jeweils etwas mit dem DEEP PURPLE-Gitarrengott RITCHIE BLACKMORE zu tun haben. Zum Einen das dem Mittelalterrock und der Renaissance sowie der wundervollen Candice Night huldigende BLACKMORE'S NIGHT-Album „Fires At Midnight“, das nunmehr in Form einer Doppel-LP seinen 25. Geburtstag feiert und mit mehreren Bonus-Songs und einer wahrhaft ausgezeichneten Vinyl-Sound-Qualität aufgehübscht wurde und zum Anderen eine grandiose Live-Aufnahme des damals gerade bei DEEP PURPLE ausgestiegenen Teufelsgitarristen, der sich danach sofort dafür entschied, dem Hardrock seiner ehemaligen Kult-Band einen neuen hardrockigen Regenbogen hinzuzufügen.
Ja, was bespricht man zuerst?
Denn in jedem Falle muss man als Kritiker gehörig umswitchen, je nachdem für welches Album man sich zuerst entscheidet. Und da man als ältere Kritikerausgabe eben doch leidenschaftlich und heiß ein Purple-Live-Album wie „Made In Japan“ liebte (und in der DDR verdammt viel Geld dafür ausgab) und auch mit RAINBOW und Blackmore danach echten Frieden schließen und ähnlich begeistert sein konnte, greift man eben doch erstmal zu „Fires At Midnight - 25th Anniversary Edition“ von BLACKMORE'S NIGHT, da man ja immer mit dem Teil, der einen wohl nicht ganz so begeistern wird, beginnen sollte. Vielen geht es sicherlich ähnlich, weil sie den letzten mittelalterlichen Blackmore-Schritt eben nicht so richtig begreifen oder erst gar nicht mitgehen konnten bzw. wollten.
Doch gerade ein Album wie „Fires At Midnight - 25th Anniversary Edition“, das im Jahr 2001 insgesamt dritte Album der Band, hat diese Skepsis nicht verdient, denn es beschreitet einerseits den immer noch spannenden (mit durchaus ein paar härteren Rock-Momenten versehenen) Weg <a href="http://www.musikreviews.de/reviews/2023/Blackmores-Night/Shadow-Of-The-Moon--25th-Anniversary-Edition/" target="_blank" rel="nofollow">des Vorgängers „Shadow Of The Moon“</a> und besticht andererseits durch außerordentlich abwechslungsreiche wie hervorragende Arrangements.
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Da erfreut der Album-Opener „Written In The Stars“, der im Rahmen von „Fires At Midnight - 25th Anniversary Edition“ auch als neue Bonusaufnahme beigefügt wurde, sofort. Er beginnt mit dem kristallklaren Gesang von Candice Night und nimmt sogar richtig rockig an Fahrt auf, ohne auf mittelalterliche Elemente zu verzichten.
Ob einen BOB DYLAN allerdings die folgende Cover-Version von „The Times They Are A-Changin'“ wirklich zusagen würde, bleibt fragwürdig.
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Ja, aber irgendwie passt der Song einfach bestens auf Mr. Blackmore, dessen Zeiten sich ja zu diesem Zeitpunkt ebenfalls gehörig gewandelt hatten hatten.
Oft geht es auf dem Album kammermusikalisch im Stil der Renaissance zu, wobei häufig traditionelle Instrumente zum Einsatz kommen.
Beachtenswert ist zudem, dass Blackmore immer wieder auch zu seiner E-Gitarre greift und beispielsweise den langen Titeltrack zu einem echten Hinhörer werden lässt, bei dem er anscheinend ein wenig wieder seine purplesche Leidenschaft für sich entdeckt, während die Band den Sound ebenfalls druckvoll vorantreibt und seine Ehegattin gleichermaßen ungewohnt laut und voluminös singt. Ein großartiger Song!
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Genauso großartig wie das instrumentale „Fires At Midnight“-Gegenstück, das zarte Renaissance-Instrumental „Fairy Thee Well“, das die LP-B-Seite eröffnet und durch akustische Gitarren-Filigranität besticht. In diesem Sinne ziehen sich die Gegensätze tatsächlich an und schließen sich keinesfalls aus. Eigentlich hätte das gesamte Album in diesem Stil, wie die beiden hier beschriebenen aufeinanderfolgenden Songs eine noch stärkere Atmosphäre und Aura versprüht.
Nun gut, trotzdem versteht dieses Album echt zu punkten – aber vordergründig durch die vielen abwechslungsreichen instrumentalen Parts, egal ob akustisch oder elektrifiziert.
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Mit dem leidenschaftlichen „Hanging Tree“ wartet schon ein weiterer Höhepunkt auf den Hörer, der ein wildes Laut-Leise-Wechselspiel entfacht.
Zum Ende des Albums geht es dann auf der LP-C-Seite doch etwas zu entspannt und träge zu, wobei man sich maßgeblich wieder nach den rockigeren Momenten der vorangegangenen zwei LP-Seiten sehnt, bis das eigentliche Album (ohne Bonustracks) mit dem sehr ruhigen, akustischen Stück „Again Someday“ ausklingt.
Die letzte LP-Seite hat natürlich einen ganz besonderen Wert, denn die letzten drei Songs sind aktuelle Bonusstücke, von denen „Written In The Stars“ und „Fires At Midnight“ als neue 2024er-Vokalversionen abgemischt worden, die rundum zu beeindrucken wissen.
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Sehr gelungen ist auch die Gestaltung der Doppel-LP samt Gatefoldcover, welche sich an dem CD-Original orientiert, in dessen Inneren man noch zwei mit allen Texten und vielen Fotos bedruckte Innenhüllen findet. Außerdem erhält man zu jedem einzelnen Song mal eine längere oder auch kürzere Einleitung, welche auf die Hintergründe der Songentstehung verweist.
Dass BLACKMORE'S NIGHT gerade mit ihrem Song „All Because Of You“ sogar im ZDF-Fernsehgarten auftraten, ist allerdings für viele sicher mehr als befremdlich, denn das hat kein Musiker verdient, der jemals bei DEEP PURPLE war und mit seiner Musik das genaue Gegenteil von den musikalischen Begleiterscheinungen darstellte, mit denen dem deutschen Biedermeier am TV-Bildschirm der Sonntagvormittag versüßt wurde...
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FAZIT: Es ist das dritte und zugleich ein wirklich gelungenes Album von BLACKMORE'S NIGHT. Das Besondere an dieser „Fires At Midnight - 25th Anniversary Edition“-Ausgabe aber ist, dass es erstmals auf Vinyl erscheint, wobei sich die Doppel-LP nicht nur durch einen hervorragenden Sound, sondern auch eine sehr ansprechende Gestaltung und gleich drei Bonus-Songs auszeichnet. Wer kein Problem mit Blackmores Hinwendung zur Mittelalter- und Renaissance-Musik hat, der wird auf diesem Album sogar noch mit ein paar härter rockenden Momenten und richtig guten Blackmore-Soli an der E-Gitarre belohnt!
Erschienen auf www.musikreviews.de am 27.09.2024
Sir Robert Of Normandie
Candice Night
Ritchie Blackmore
Carmine Giglio, Pat Regan
Mike Sorrentino
Ritchie Blackmore (Mandoline, Hurdy Gurdy, Tambourin, Renaissance Drum), Candice Night (Hintergrundgesang, Schalmei, Harfe, Rekorder, Schnabelflöte, Elektrische Dudelsäcke), Chris Devine (Geige, Bratsche, Flöte, Rekorder), Albert Dannemann (Dudelsäcke), Richard Wiederman (Trompeten), John Passanante (Posaune), Sir Robert Of Normandie (Hintergrundgesang), Ruby's Chor (Chor)
earMUSIC/Edel
86:00
27.09.2024