An Live-Alben, auch richtig guten, besteht bei BLUR eigentlich kein Mangel. "Live At The Budokan" erschien 1996 nach dem Aufstieg der vier Musiker in den Britpop-Olymp, später folgten "All The People: Blur At Hyde Park" zu zwei Londoner Großkonzerten mitten in London (2009) und "Parklive" (2012), ebenfalls aus der britischen Metropole. Danach wurde es, sowohl bei neuen Alben als auch bei öffentlichen Auftritten vor ihren Millionen Fans, ruhig um BLUR. Okay, es erschien noch das tolle Studio-Comeback "The Magic Whip" (2015), jedoch ohne große Live-Auswirkung.
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Aber jetzt! BLUR haben was zu feiern - ein monumentales Event, das sich vor etwas mehr als einem Jahr im legendären Londoner Wembley-Stadion abspielte und (mindestens) Britpop-Geschichte schrieb. "Live At Wembley Stadium" liefert allen, die am 8. und 9. Juli 2023 nicht dabei sein konnten, die euphorischen Arena-Konzerte auf zwei CD's oder zwei beziehungsweise drei Vinylplatten frei Haus. Hören wir also gleich mal rein:
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Ohrenbetäubender Jubel, eine E-Gitarre wird kurz angerissen, dann ein knappes, trockenes "Wow!". Es klingt gänzlich ungekünstelt, wie BLUR-Frontmann Damon Albarn mit diesem Ausdruck der Fassungslosigkeit angesichts eines gigantischen Publikums reagiert. Später wird der Sänger die Fans, hörbar gerührt, mit "You're Lovely!" und "Fuckin' brilliant!" anhimmeln - und auch sonst nicht mit seiner Begeisterung hinterm Berg halten.
Am Ende tragen insgesamt mehr als 150 000 Fans die feste Überzeugung nach Hause, dass Albarn (Gesang, Gitarre, Keyboards), Graham Coxon (Gitarre), Alex James (Bass) und Dave Rowntree (Schlagzeug) die größte Band der Welt oder definitiv ihres Lebens sind. Und der gern mal mäkelige "New Musical Express" wird in seiner 5-Sterne-Review über "stadium-sized eruptions of pure, utter joy" schwärmen, ein Freudenfest im Stadionformat also. Was für ein Triumph, und das rund 35 Jahre nach der BLUR-Gründung.
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Noch eine Rückblende. Im Herbst 2022, also lange bevor das Comeback-Album "The Ballad Of Darren" offiziell angekündigt ist und später die Pop-Welt begeistert, kündigt das Quartett auf seiner Website "a very special show at London’s Wembley Stadium on 8th July next year, their only UK appearance and first headline show since 2015" an. Das ist bereits eine Sensation.
Denn seit "The Magic Whip" hat man von BLUR wie schon erwähnt nicht mehr viel gehört. Auch weil Albarn mit etlichen Solo- und Kooperationsprojekten sowie seiner mega-erfolgreichen Cartoon-Band Gorillaz hyperaktiv unterwegs ist und die anderen drei Musiker ebenfalls andere Dinge vorziehen, von Songwriter-Nebenwerken (Rowntree) und Duo-Platten (Coxon mit The Waeve) bis zur einträglichen Gourmetkäse-Produktion (James).
Nun soll es für die gut gealterten BLUR-Herren darum gehen, ihre "ikonischen und vielgeliebten Songs in der ersten Wembley-Stadion-Show überhaupt" zu präsentieren, so die Band vorab. Und wie sie das dann tun, ist, spätestens mit dem neuen Album, wirklich ikonisch. Die Wembley-Songs (insgesamt bis zu 26 in gut zwei Stunden) ergeben auch auf Tonkonserve eines der tollsten Konzerterlebnisse der vergangenen 20 Jahre - mithin einen neuen Livemusik-Klassiker, der vorbildlich zeigt, wie ein fantastisches Publikum auch reifere Musiker auf der Bühne immer wieder zu Höchstleistungen anspornen kann.
Albarn/Coxon/James/Rowntree tanken so viel Energie durch den Jubel, dass der Sänger zeitweise nur noch "Oi, oi oi!" skandieren kann. Angefangen bei der punkrockigen Comeback-Single "St. Charles Square", über ältere Britpop-Kracher wie "Tracy Jacks" oder "Beetlebum", weniger bekanntes Material wie "Trimm Trabb", "Villa Rosie" oder "Lot 105", bis zum London-Song "Under The Westway" erstreckt sich die erste Konzerthälfte. Auch im zweiten Teil feuern BLUR - an beiden Abenden in Höchstform - eine Granate nach der anderen ab: "Parklife", "Song 2", "This Is A Low", "Girls And Boys" und der herrliche Gospel "Tender" folgen Schlag auf Schlag.
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Wer bis hierhin immer noch nicht wusste, dass Graham Coxon einer der besten Gitarristen der Rockmusik und Damon Albarn einer ihrer charismatischsten Sänger ist, kann sich nun davon überzeugen. Mit dem neuen Song "The Narcissist" (einem der stärksten der Bandgeschichte) und dem monumentalen "The Universal" endet ein atemberaubendes Konzert.
FAZIT: Das riesige Wembley-Stadion mit toller Musik quasi anzünden, das können nicht viele Bands. Damon Albarn, Graham Coxon, Alex James und Dave Rowntree schafften es vor gut einem Jahr - und das ist jetzt in voller Pracht und Euphorie nachzuhören auf CD und Vinyl. Ein neuer Livemusik-Klassiker. Und weil es derzeit noch keine Signale gibt, ob BLUR eine Zukunft haben - hier der Appell: Bitte unbedingt weitermachen!
Und jetzt nochmal alle: PARKLIFE!!!
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Erschienen auf www.musikreviews.de am 27.07.2024
Alex James
Damon Albarn, London Community Gospel Choir
Graham Coxon, Damon Albarn
Damon Albarn
Dave Rowntree
Parlophone/Warner Music
134:03
26.07.2024