Er ist das pure Chamäleon der Rock-, Pop- und Jazz-Musik, an dem heutzutage auch nach einem halben Jahrhundert kaum jemand vorbeikommt, der von sich behauptet, im Bereich der Musik nicht ganz ahnungslos zu sein. Denn ein BRYAN FERRY revolutionierte – besonders durch seine charismatische Stimme und sein extravagantes Auftreten – die fast komplette U-Musik, die er ähnlich farbenfroh und vielfältig bereicherte, wie er es im Laufe der Jahre mit seinem Outfit von Glitzerklamotten (bei ROXY MUSIC) bis Nobel-Anzügen (als Solist) tat. Ferry ist eine der faszinierendsten Musiker-Persönlichkeiten schlechthin, die nun auf „Retrospective – Selected Recordings 1973-2023“ ihr halbjahrhundertiges Fazit zieht und allein auf vier LP-Seiten und knapp 80 Minuten Spielzeit ein wechselreiches und bei den vielen Genre-Überschreitungen beinahe unglaublich klangvolles Erscheinungsbild zeichnet.
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Schon ab dem ersten Ton (in diesem Falle von der Dylan-Cover-Version des 1973er „A Hard Rain's A-Gonna Fall“ - enthalten auf dem 1973er-Ferry-Debüt-Album „These Foolish Tings“), wenn die erste LP auf dem Plattenteller rotiert, fällt die großartige Klang-Qualität der Vinyl-Aufnahme auf: Kristallklare Höhen, fette Bässe, beeindruckende Stereo-Effekte sowie eine perfekte Abstimmung zwischen den Instrumenten und Ferrys Stimme.
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Die insgesamt 20 Songs auf „Retrospective – Selected Recordings 1973-2023“ sind chronologisch angeordnet und beweisen so die unglaublich erscheinende musikalische Entwicklung sowie die wilden musikalischen Stile, in denen sich Ferry ohne jegliches Problem bis hin zur Perfektion bewegt, als da wären: Rock'n'Roll, R&B, Klavierballaden, Electronica, Ambient Music, Jazz, Country, Folk, Blues, Avantgarde, New Wave, Progressive- wie Psychedelic-Rock. Die pure Musik-Wundertüte, bei der wahrscheinlich der eine oder andere Hörer, der sich nicht ähnlich wie der ROXY MUSIC-Kopf in all diesen Genre zuhause fühlt, etwas überfordert seien könnte.
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Obwohl: Das Alles vereinende Bindeglied ist die Stimme von BRYAN FERRY, die mal klagend, mal fordernd, mal traurig, mal übermütig, mal laut, mal leise, mal flüsternd, mal schreiend, mal tränenreich, mal bissig klingen kann. Und immer, wirklich immer, erkennt man sofort, dass hier der unvergleichliche Ferry singt, der auch ROXY MUSIC zu einer unvergleichlichen Band werden ließ, deren Einflüsse man besonders unweigerlich auch den frühen Aufnahmen dieses Doppel-Albums – also im Grunde der kompletten ersten LP (und damit den ersten zehn Songs der Jahre von 1973 bis 1985) – anhört.
Besonders in der Mitte der 80er-Jahre-Phase zeichnete sich Ferry als großer Balladen-Sänger (egal, ob nun auf ROXY MUSICs 82er-LP „Avalon“ oder seinen Solo-Alben) aus, wovon wir auf diesem Album diesbezüglich auch seine Mega-Ballade „Don't Stop The Dance“ genießen dürfen, der gleich darauf das verträumte, aber psychedelisch angehauchte „Windswept“ folgt.
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Auf der zweiten LP geht es dann Schlag auf Schlag weiter – einerseits in Richtung flotterer Tanzbarkeit, andererseits verträumtem Bar-Jazz sowie gleich mit zwei weiteren Cover-Versionen von BOB DYLAN („Knockin' On Heaven's Door“ und „Make You Feel My Love“), die wiederum den grandiosen Songwriter Ferry seinen mindestens ebenso grandiosen Vorbildern gegenüberstellt und zeigt, dass hierbei keinerlei qualitative Unterschiede auszumachen sind.
Mit der grandiosen Cover-Version eines ROBERT PALMER-Songs endet die Doppel-LP. „Johnny And Mary“ spielte Ferry gemeinsam mit dem norwegischen DJ und Songwriter TODD TERJE ein, der dem Song tatsächlich eine melancholische Stimmung der 'Marke Skandinavien' verleiht, die kaum besser zu dem diesmal etwas rauen und tiefen Gesang von BRYAN FERRY passen kann, womit ein weiterer stilistischer Wechsel auf dieser Doppel-LP seine Vollendung erfährt.
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Insgesamt halten sich auf der Doppel-LP die Cover-Versionen mit den Eigenkompositionen die Waage – eine sehr ausgewogene Mischung also aus 50 Ferry-Solo-Jahren.
Bleibt am Ende aber doch noch eine Frage offen: Wofür entscheide ich mich?
Wer sich dafür entscheidet, seine hart verdienten Euros in die 5-CD-Box oder nur in der einfachen CD anzulegen, bekommt jedenfalls alle Aufnahmen der Doppel-LP in gleicher Reihenfolge auf der ersten CD der Box bzw. der einfachen CD präsentiert. Obwohl das schwarze vinyle Gold für die Musik eines BRYAN FERRY wohl doch die beste Entscheidung sein dürfte. Zumindest wenn man zu den Musik-Nostalgikern gehört.
Übrigens gilt laut eigener Aussage eine KATE BUSH als eine von Ferry stark beeinflusste Sängerin, die ihn als einen der aufregendsten Sänger bezeichnete, der ihr je begegnet oder den sie je gehört hat. Nur gut, wenn genau das von einer der aufregendsten Sängerinnen, der man je begegnen oder die man je hören kann, zum Ausdruck gebracht wird!
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FAZIT: Mit „Retrospective – Selected Recordings 1973-2023“ scheint es mal wieder an der Zeit zu sein, den begnadeten ROXY MUSIC-Frontmann BRYAN FERRY ausschließlich auf seinen bereits ein halbes Jahrhundert andauernden Solo-Pfaden zu begleiten, die an Abwechslungsreichtum (Rock'n'Roll, R&B, Klavierballaden, Electronica, Ambient Music, Jazz, Country, Folk, Blues, Avantgarde, New Wave, Progressive- wie Psychedelic-Rock) kaum zu übertreffen sind. Über allem aber thront die königliche, unvergleichliche Stimme, die auf „As Time Goes By“ wie direkt aus dem „Casablanca“-Film entstiegen klingen kann – oder auch neben den schönsten Schmachtfetzen („Don't Stop The Dance“) und den poppigsten Tanz-Melodien („Let's Stick Together“) die gute alte, progressiv wie psychedelisch ausgerichtet, Rock-Karte („The 'In' Crowd“) als musikalischen Trumpf ziehen kann.
<b>PS:</b> Auch bei „Retrospective – Selected Recordings 1973-2023“ gilt, dass diese „Best Of“-Veröffentlichung in vielen unterschiedlichen Formaten auf den Markt kommt, wovon das umfangreichste <b><i>die 5-CD-Deluxe-Box</b></i>, welche sich in fünf thematische Abschnitte unterteilt, bei dem sich jede Disk einem anderen Aspekt von Ferrys Karriere widmet. Darum hier für alle, die sich noch unschlüssig sind, auf was sie bei ihrer Kaufentscheidung zurückgreifen wollen, die wichtigsten Angaben, die uns von der Promo-Abteilung zu dieser Box zur Verfügung gestellt worden sind:
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<b>Disk 1: „The Best Of Bryan Ferry“</b> präsentiert 20 unverzichtbare Tracks. Sie beinhaltet weltberühmte Singles wie „Slave To Love“, „The ‚In‘ Crowd“ und „Let's Stick Together“ - Songs, die zweifellos in das musikalische Erbe der britischen Musik eingewoben sind und sich ungebrochener Beliebtheit erfreuen.
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<b>Disk 2: „Compositions“</b> widmet sich dem Zeitraum zwischen 1977 bis 2014 und spiegelt dabei die Entwicklung von Ferrys musikalischem Handwerk wider. Die fesselnde Erzählung von „Can't Let Go“ sowie die tiefe Emotion in „The Only Face“ besitzen die Gabe, dem Hörer ein transformierendes, geradezu mitreißendes Erlebnis zu bieten. In weiteren Stücken wie „Limbo“ und „Loop De Li“ werden konkrete Elemente von Ferrys Arbeit hervorgehoben, die bis heute unverändert geblieben sind: Er hat stets ein Auge auf dieTanzfläche. Das ganz große und konstante Thema seiner Musik ist jedoch die Liebe und all die sich daraus ergebenden Konsequenzen, die er aus vielseitigen Blickwinkeln zu betrachten mag. Mit „When She Walks In The Room“, „I Thought“ und „Reason Or Rhyme“ finden sich hier, thematisch passend, gleich drei seiner besten Aufnahmen wieder, welche gleichermaßen betörend wie auch tiefgründig sind.
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<b>Disk 3: „Interpretations“</b> zelebriert Ferrys Gabe der Re-Kreation bereits bestehender Musiktitel. Seine Neuinterpretationen von „What Goes On“ von VELVET UNDERGROUND, „Hold On (I'm Coming)“ von SAM & DAVE und „That's How Strong My Love Is“ von OTIS REDDING zeigen, auf welch erfrischende und innovative Art Ferry auch die Vergangenheit erforscht und dabei mehrere Genre durchstreift.
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<b>Disk 4: „The Bryan Ferry Orchestra“</b> erforscht das konzeptionelle Projekt, welches Ferry mit dem 2012 erschienenen Album „The Jazz Age“ begann, indem er Musik aus seinem eigenen Repertoire auf eine Art neu interpretiert, als wäre sie bereits neun Jahrzehnte zuvor aufgenommen worden. Zwar singt Ferry auf „The Jazz Age“ nicht, erscheint aber dennoch in einem neuen Licht. Ohne seine Stimme und seine Texte verlagert sich die Aufmerksamkeit des Zuhörers auf sein grandioses Talent als Komponist. Ferry setzt dieses Album-Konzept auf zwei weiteren Veröffentlichungen fort: „Bitter-Sweet“ von 2018 und „The Great Gatsby: The Jazz Recordings“ aus dem Jahr 2013. Letzteres beinhaltet unter anderem ROXY MUSICs „Love Is The Drug“ und eine neue Version von AMY WINEHOUSEs Klassiker „Back To Black“ für den Soundtrack zu Baz Luhrmann's Kinofilm „The Great Gatsby“ (2013).
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<b>Disk 5: „Rare and Unreleased“</b> versammelt B-Seiten, Extras, einzigartige Kuriositäten und seltene Outtakes. Ein schimmerndes Remake von ROXY MUSICs „Mother Of Pearl“, das in den frühen 1990er Jahren, während der Horoscope/Mamouna-Sessions aufgenommen wurde, enthält Backing-Vocals des großartigen RONNIE SPECTOR. „Don't Be Cruel“ wird von ELVIS‘ originalen Rockabilly-Bandkollegen Scotty Moore und DJ Fontana unterstützt, welches für das 2001 erschienene Sun-Records-Tributalbum „Good Rockin‘ Tonight“ aufgenommen wurde. Ferrys muntere Version von JOHN LENNONs „Whatever Gets You Thru The Night“ entstand 1995 für ein von Yoko Ono geplantes Lennon-Tribut, das jedoch nie veröffentlicht wurde. Ferry überarbeitete das Stück 2010 als Bonus-Track für sein Album „Olympia“.
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Erschienen auf www.musikreviews.de am 31.10.2024
Bryan Ferry
Bryan Ferry
Bryan Ferry
BMG
78:27
25.10.2024