Lässt man bei FLESHCRAWL einfach das erste Wort weg, erhält man den Namen einer schwedischen Band, welche stilistisch mit den deutschen Szene-Veteranen verwandt ist. Heißt das jetzt, dass CRAWLs zweites Album „Altar Of Disgust“ kein „Fleisch“ auf den untoten Rippen hätte? Nicht unbedingt. Obgleich mit dieser Platte über weite Strecken lediglich die übliche Genre-Kost gereicht wird, sollten Freunde von rohem Old-School-Gedresche natürlich auf ihre Kosten kommen.
Es ist dabei nur konsequent, dass sich die vier nahe Stockholm beheimateten Musiker als Minimalkonsens auf alte schwedische Death-Metal-Tugenden geeinigt haben, bedenkt man deren frühere musikalische Betätigungsfelder (u.a. DEMONICAL, DECOMPOSED). Der Dödsmetal des Quartetts tönt denn auch wie all jenes, was Bands Marke DISMEMBER ihrerzeit ins Werk setzten und mit damals unerhörtem Brutalo-Sound veredeln ließen.
Im Gegensatz zu den späteren Alben von Kärki, Blomqvist und Co. zeichnet „Altar Of Disgust“ allerdings eine deutlich schnörkellosere, knackigere und rabiatere Spielweise aus. Zwischen standardmäßigem Gerödel, dreckigen Uffta-Beats, brachialen Gitarrenwänden und nach vorne produziertem Bass wird mehr als einmal der Knüppel aus dem Sack gelassen, während Melodien Mangelware sind.
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CRAWL gerieren sich demnach nicht als Wohlfühl-Band. „Crypts“, „Bones“, „Knives“ – das sieht man allein an der textlichen Aufstellung. Der punkige Zuschnitt und die wilden Drums zu Beginn eines „Enslaved In Filth“ (das, nebenbei bemerkt, keine zwei Minuten dauert) lassen gar Assoziationen an so manche Grindcore-Kapelle aufkommen. Gleichwohl die Gruppe sicherlich tief in dem alten schwedischen Hauptstadt-Sound verwurzelt ist, nimmt sie sich in rhythmischer Hinsicht doch ein paar Freiheiten, denn derart rabiat an den Kesseln war lange nicht jeder Stockholm-Vertreter. Da geht es scheinbar weniger darum, alle noch so traditionellen Genre-Standards lehrbuchhaft zu befolgen, sondern dem lauten Extrem-Gebräu eine gehörige Portion Fuck-Off-Attitüde beizumischen und der Szene ein Stück weit den Mittelfinger zu zeigen.
In dem Kontext mag man auch das eine oder andere Black-Metal-Riff sehen, was Klassikern wie „Like An Everflowing Stream“ in gleicher Weise fremd ist. „Buried Lust“, einer der angeschwärzten Tracks und zugleich Schlusslicht der LP, zeigt sich dabei erstaunlich melodisch, wenn auch nur für einen Moment. Ein Verweis auf zukünftige Schaffensperioden? Wer weiß. DISMEMBER haben nach Album Nr. 2 die Kehrtwende zum melodischen Midtempo jedenfalls vollführt – und sind damit zum Szene-Primus avanciert!
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FAZIT: Vielleicht gibt es ja Leute, die neue Releases Richtung Stockholm-Death-Metal sammeln und nicht genug von dem Sound bekommen. Diese dürfen sich CRAWLs „Altar Of Disgust“ natürlich gerne ins Regal stellen, zumal die Herangehensweise der vier Schweden etwas weniger engstirnig als Vergleichbares daherkommt. Diejenigen, die sich nur die Rosinen herauspicken, warten lieber auf die neue DISMEMBER, sollte sie denn einmal produziert werden.
Punkte: 9/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 03.03.2024
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03.05.2024