<b>„Das Leben im 21. Jahrhundert ist so voller Widersprüche und Kopfschmerzen, dass es schwer sein kann, etwas mit Überzeugung zu tun - man könnte sich mit Zynismus davor drücken, etwas zu tun oder zu glauben.“</b> (Dana Gavanski)
Will uns die gute DANA GAVANSKI bei solch einem LP-Cover gleich in den nächsten Horror-Film versetzen?
Och nö, es spielt sich doch schon genug an Horror auf der Welt, in der Gesellschaft und der Politik – und leider auch zwischen den Menschen, die tagtäglich ihren verbalen Hass auf der Straße wie im Netz ungehemmt rauslassen – ab. Da ist die Musik doch noch einer der wenig verbliebenen Rettungsanker in dem alltäglichen Wahnsinn. Und dann schaut uns die Musikerin von ihrem Cover mit diesen teuflischen Augen und mit <a href="https://www.the-artinspector.de/post/gustave-courbet-der-verzweifelte" target="_blank" rel="nofollow">einer COURBET-'Der Verzweifelte'-Geste</a> entgegen. Doch...
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...und das ist das eigentliche Ding hinter „Late Slap“: Sie klingt so entspannt und beruhigend und einnehmend wie jemand, der eher liebe- und friedvoll den Weltfrieden verkünden statt die nächste Apokalypse ausrufen will.
Eine JONI MITCHELL – offensichtlich das große Gavanski-Vorbild – lässt hierbei wieder und wieder grüßen.
Dabei steckt die Absicht hinter „Late Slap“ laut eigener Aussage der kanadischen Musikerin darin, „den Höhen und Tiefen der Gedankenwelt mit all ihren Freuden und Schrecken eine Stimme zu verleihen“.
Es ist eine größtenteils hohe, sehr variabel intonierte Stimme, über die die Songwriterin verfügt und die intensiv zum Einsatz kommt.
Leider fehlen auf der LP – trotz bedruckter Innenhülle – die Texte, was es einem durchaus schwer macht, besagte finstere Vokalisen bei diesem doch insgesamt optimistisch klingenden Album herauszuhören.
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Bei einem Song wie „Ears Were Growing“ ließ sich Gavanski offensichtlich von den TALKING HEADS inspirieren – und sie verbreitet auch auf ihrem Album öfter eine Atmosphäre, wie wir sie von den Solo-Alben des Ober-'Quassel-Kopfs' DAVID BYRNE kennen. Etwas nachdenklich und leidenschaftlich zugleich – mitunter samt eines modernen wie weltmusikalischen, aber auch cineastischen Schlenkers.
Und auch dass die Musikerin den Mut besaß, im Jahr 2020 sich sogar an eine (wahrhaft gelungene) Cover-Version von KING CRIMSONs „I Talk To The Wind“ heranzuwagen, verlangt sogar progressiv ausgerichteten Musikfreunden Hochachtung ab.
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Eine ähnliche Stimmung wie bei dieser traurigen, crimsonesken Cover-Version entdeckt man häufig auch auf der LP, deren A-Seite mit einem ungewöhnlich poppig wie traurig klingenden, doch inhaltlich recht verstörenden Song aufwartet: In „Singular Coincidence“ denkt Gavanski über „das Gefühl der Angst und der Ignoranz nach, das viele menschliche Interaktionen bestimmt" und versucht das wieder zurückzugewinnen, was die „menschliche Verbindung wertvoll und kraftvoll macht", da aus Sicht der recht introvertiert wirkenden Songwriterin eine Vielzahl der Menschen meistens nicht wissen, wovon sie reden, und doch sprechen sie ihren Unsinn so leidenschaftlich und kämpferisch, dass die Kluft zwischen ihnen und ihren Zuhörern oft noch vertieft wird.
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Der letzte Song auf „Late Slap“ verbreitet sogar eine vorsichtig-asiatische Stimmung, die zum Ende hin eine weitere Seite von DANA GAVANSKI aufzeigt und so für einen Schluss sorgt, den man nicht zu schnell vergisst und der zugleich die Worte der Musikerin zu der durch sie beabsichtigten Wirkung ihres Albums deutlich bestätigt: „Das Album hält die scheinbar disparaten Aspekte meines Charakters zusammen, die ich manchmal zu verdrängen versucht habe. Mit diesem Album gebe ich ihnen genug Raum und zelebriere sie in ihrer ganzen Fremdartigkeit - eine Fremdartigkeit, die wir wohl alle auf einer gewissen Ebene teilen“.
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FAZIT: Sie liebt JONI MITCHELL und die TALKING HEADS. Eine doch seltsame Kombination – aber auf „Late Slap“ von DANA GAVANSKI, einer für viele art-poppige Experimente offene kanadische Singer/Songwriterin, klappt diese spannende Mixtur bestens und überzeugt mit einem fetten Vinyl-Sound, der dieser mitunter eigenartigen Mischung genau das notwendige Volumen verleiht. Indie-Pop mit Tiefgang und viel Melancholie sowie ihrer persönlichen Botschaft: „Das Leben im 21. Jahrhundert ist so voller Widersprüche und Kopfschmerzen, dass es schwer sein kann, etwas mit Überzeugung zu tun - man könnte sich mit Zynismus davor drücken, etwas zu tun oder zu glauben." Oder man macht genau so ein Album wie „Late Slap“!
Punkte: 12/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 13.04.2024
David B Miller
Dana Gavanski, Thomas Broda, James Howard, David B Miller, Mike Lindsay, Dimitrios Ntontis
Dana Gavanski, James Howard
James Howard, Dimitrios Ntontis, Dana Gavanski
Thomas Broda
Full Time Hobby/Rough Trade
41:38
05.04.2024