<img src="http://vg02.met.vgwort.de/na/125a4b239c0545448d1acbc226bd5ad1" width="1" height="1" alt=""> Mit einem 23. Studioalbum gewissermaßen noch einen Neuanfang wagen zu dürfen ist eigentlich ein Privileg, obwohl es keine Band leicht hat, einen Gitarristen zu ersetzen, zumal dieser im Fall von DEEP PURPLE Steve Morse war, der die Hardrock-Urgesteine verließ, um für seine krebskranke Frau da zu sein. Auftritt Simon McBride, irischer Rundum-Musiker/Produzent/Dozent, Mitglied der NWOBHM-Kult-Combo Sweet Savage und auch ein arrivierter Solokünstler.
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Beim Hören von "=1" kommt man schnell zu dem Schluss, dass Deep Purple mit McBrides Wahl wirklich alles richtig gemacht haben. Während sich der Plattentitel auf die Vorstellung bezieht, in einer immer komplexer werdenden Welt würde langfristig alles auf einen vereinheitlichten Kern hinauslaufen, kann man ihn auch auf die Gruppe übertragen und sagen: Sie ist so schnell mit ihrem neuen Gitarristen zusammengewachsen, dass man glaube könnte, er sei schon länger an Bord.
Das bedeutet freilich nicht, dass er keine klar hörbaren Akzente setzt, im Gegenteil: Die Platte wirkt ähnlich frisch wie 1996 "Purpendicular" als Debüt von Steve Morse und geizt nicht mit willkommenen Überraschungen. Nehmen wir etwa gleich den vollmundigen Opener 'Show Me' mit seinen vielen unverbrauchten Spitzfindigkeiten, angefangen bei Ian Gillans Sprechgesang über einen Refrain mit am Ende chromatisch absteigender Melodie bis zu Don Aireys Synthesizer (statt der programmatischen Orgel) im Solo-Schlagabtausch mit der Gitarre. Diese Duelle sind ein wiederkehrendes Element auf "=1", wohingegen der Track in Hinblick auf sein kurzes wie dramatisches Finale zusammen mit dem abschließenden 'Bleeding Obvious' insofern eine Klammer bildet, als beide Nummern vor pfiffigen Ideen auf der harmonischen wie melodischen Ebene strotzen und sich zum Ende hin auf spannende Weise steigern.
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'A Bit On The Side' haut ähnlich wie kurz darauf die kompakte Single 'Portable Door' (der Singalong-Chorus des Albums!) mit seinem treibenden Grundpuls heavy ohne Ende auf den Putz. Dazu gibt's einen in kraftvoller Mittellage croonenden Gillan, der hier eine seiner vielen kuriosen Frauengeschichten vom Stapel lässt. Das Grundriff von 'Sharp Shooter' stakst wie später jenes von 'I'm Saying Nothin'' (hier wieder den Solo-Part hören!) in einem Purple-typischen Stechschritt vorwärts, der von einem erhebenden Refrain und einer abermals hochenergetischen Solo-Bridge kontrastiert wird.
Das swingende 'Old-Fangled Thing' geht mit mehreren Stimmungs- und Rhythmuswechseln so weit in Richtung Jazzrock, wie es der Band eigentlich gar nicht zu eigen ist. In den bluesig dahinschleichenden Ballade 'If I Were You' (mit dem Nashville Music Scoring Orchestra) und 'I'll Catch You' sind Gillan und McBride die Stars, letzterer mit einem enorm gefühlvollen Solo, ersterer mit einer Performance, die ein Paradebeispiel für einen Sänger abgibt, der im Alter auf Ausdrucksstärke anstelle stimmakrobatischer Höchstleistungen setzt. Seine lakonische Interpretation des augenzwinkernden Lyrics des stolzierenden 'Lazy Sod' lässt sich in diesem Zusammenhang ebenfalls anführen, nicht zu vergessen das bissige 'Now You're Talkin'', das im Uptempo mit Orgel und entsprechender Akkordfolge etwas von Mark-II-Klassikern wie 'Speed King' hat.
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Das leicht melancholische 'Pictures Of You' ist ebenso wie 'No Money To Burn' (mit Background-Sängerinnen wie auch 'Bleeding Obvious') ein auf den Gesang fokussiertes Füllhorn brillanter Melodiebögen, und wo die Songs nicht gleich aus dem Stegreif begeistern, hallen sie durch ihre Detailverliebtheit oder Emotionalität umso länger nach. Und obendrauf se noch erwähnt, dass mittlerweile vermutlich keine zehn Alben mehr im Jahr herauskommen, auf denen das Schlagzeug so lebendig klingt wie hier - ist zwar traurig, aber eines der vielen kleinen Details, die die Ausnahmestellung dieser Band untermauern.
Der Sonder-Edition liegt die knapp einstündige Dokumentation "Access All Areas" auf DVD bei.
FAZIT: DEEP PURPLE wieder verjüngt - das wieder hervorragend von Bob Ezrin produzierte Album "=1" setzt die Reihe phänomenaler Alterswerke der Gruppe fort und wirkt in Bezug auf den Input des neuen Gitarristen Simon McBride wie ein Paukenschlag, auch wenn sich die "Stammmitglieder" beileibe nicht von dem verhältnismäßigen Jungspund mitschleppen lassen müssen.
Punkte: 13/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 12.07.2024
Roger Glover
Ian Gillan, Patricia Shirley-Okujene, Camille Harrison
Simon McBride
Don Airey
Ian Paice
earMusic / Edel
52:06
19.07.2024