Manchmal zweifelt man als Kritiker wirklich daran, ob man bei einem Album, das es gerade mal auf eine halbe Stunde Laufzeit bringt, wirklich von einem 'Longplayer' (Zu den LP-Zeiten der 80er-Jahre liefen die so genannten 12“-Maxi-Singles etwa so lange!) sprechen kann – und dieser im Falle der britischen Singer/Songwriterin DENVER CUSS, die voller Inbrunst auf „Leaving Me“ dem Rhythm'n'Blues, Soul, Sixties-Pop, Americana sowie den herrlichen Siebziger-Sounds huldigt, als echtes Debüt durchgeht. Da sollte doch auch auf einer LP wirklich deutlich mehr als ein halbes Stündchen drin sein.
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Das Vermaledeite daran ist, dass tatsächlich diese kurze Laufzeit der härteste Kritikpunkt hinter „Leaving Me“ ist. Denn die Stimme der Britin tangiert zwischen gut bis großartig, die musikalischen Ideen sind sehr abwechslungsreich, der Soul nimmt einen mit Bläsern gefangen und die faszinierenden Orgeleien versetzen einen tief in die 60er/70er-Jahre zurück, versprühen sogar mitunter eine schwer beeindruckende Motown-Atmosphäre wie auf dem großartigen, die LP-A-Seite abschließenden „River's Invitation“, dem einzigen Cover-Song (von Percy Mayfield) des Albums.
Und selbst die LP-Covergestaltung im besten Retro-Stil (plus einem Mini-Poster im Inneren) sowie der großartige Klang und die gelungene Produktion sowie die sie begleitenden Musiker, von denen viele zur Creme de la Creme der Londoner Musik-Szene, wie beispielsweise PM WARSON, zählen, passen ideal zur Musik, die sich dahinter verbirgt.
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Auch dass die Musikerin Jazz studiert hat, ist auf dem Album unüberhörbar, welches den Musikern während der Kompositionen jede Menge Freiräume zu eröffnen scheint, während Cuss ihre Stimme darüber sehr variabel intoniert, die immer, sowie sie erklingt, in den Mittelpunkt der Musik gerückt wird, während die Instrumentalfraktion etwas in den Hintergrund tritt.
Unweigerlich kommen einem bei der Sängerin solche Größen wie DUSTY SPRINGFIELD oder NORAH JONES in den Sinn, während DENVER CUSS bemüht ist, das Album wie an einem unsichtbaren roten Faden zusammenzuhalten, der keine Brüche oder unpassende Wendungen zulässt. Die Sounds sind warm und voluminös, so als würden die 60er-Jahre in die Gegenwart geholt und auf der analogen Ebene fortgesetzt, obwohl die digitale Technik dabei noch ein paar mehr kleine Wunder vollbringt als es eben vor über 60 Jahren je denkbar war. So, genau so muss es klingen, wenn musikalische Vergangenheit auf soundtechnische Gegenwart trifft.
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FAZIT: Maßlos kurz und maßlos gut ist dieses Vintage-Album voller Rhythm'n'Blues, Soul, Americana, Singer/Songwriter und Sixties-Flair geworden, das eben seiner Kürze wegen (gerade mal eine halbe Stunde) enttäuscht, von der musikalischen wie klangtechnischen Qualität aber rundum überzeugt. „Leaving Me“ von DENVER CUSS klingt nicht nach dem Debüt einer jungen Musikerin, sondern nach den besten Zeiten einer DUSTY SPRINGFIELD oder SARAH VAUGHAN. Kann man eine Musikerin noch mehr loben als mit solchen Vergleichen? Eigentlich nicht, wenn da nicht die viel zu kurze Spielzeit wäre... Ansonsten ein fettes „Chapeau!“ für DENVER CUSS.
Punkte: 12/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 25.09.2024
Kitt Warren, Pete Thomas
Denver Cuss
PM Warson, Kitt Warren
Alina Bistricka, Jack McGaughey
Billy Stookes, Ben Cullingworth
Meridyth Dickson (Saxophone), George Jefford (Trompete)
Broken Silence Records
30:11
30.08.2024