Die oftmals kitschbehaftete Gothic-Rock-Schublade sprengen die Musiker von DIE KAMMER, ob gewollt oder nicht, relativ leicht. „Maybe Forgotten, Maybe Glorious“ lebt von einer düsteren Melancholie, einer Schwere, die wie ein dunkles Tuch aus leicht kratzigem Stoff über dem Geist des Hörers liegt.
Das Cover-Motiv passt also schon mal sehr gut zur Musik.
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Hierbei treffen dunkle Celli auf akustische Gitarren, während Bass und Beats ihren Pulsschlag vollführen.
Stücke wie „Cold Cold Comfort“ ergehen sich in stoischer Kühle, während der „Melancholy Milkshake“ fast wie eine Antithese zum Düster-Pop so manch aktueller Künstler durchgehen könnte. Denn trotz einer grundlegenden emotionalen Schwere, klingt das Stück beinahe erhebend und kommt mit einem Rhythmus daher, der Bilder von einsamen Tänzen in Cowboystiefeln erzeugt.
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Der Einstieg „My Dearie Don’t Worry“ erinnert dank der rhythmischen Gestaltung gar fast an manchen Sklaven-Gesang aus Western-Filmen, wenngleich das Drama dieses Stücks, genauso wie der übrigen Nummern, weniger in der Vergangenheit liegt, als gegenwartsrelevant bzw. universell zu begreifen ist.
Denn der Verlust des eigenen Schattens (und damit das potenzielle Abhandenkommen eines Teils der eigenen Identität), ist ein Thema, das in Zeiten von grassierendem Identitätsverlust und allgemeiner Unsicherheit keine Seltenheit mehr ist.
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Interessant und eine Freude für den Hörer ist die musikalische Gelassenheit, mit der DIE KAMMER all diese Themen unter einen Hut bringen.
So wirken Stücke wie „The Void“, obwohl emotional aufbrausend, auch sehr gefasst.
„Take away the pain“ singt Marcus Testoy am Ende des Stücks mit sonor-dunkler Stimme, was sich im folgenden „Ago“ als prophetische Aussage herausstellt, denn der Abschiedsprozess bis zum finalen „I Am Leaving Now“ wird von Akustikgitarren und manch elektronischem Rhythmus in einem gleichsam bedrückenden, wie aufrüttelnden Stück Musik beschrieben, das im finalen Epilog einen unerwartet gefassten Abschluss findet.
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FAZIT: DIE KAMMER platzieren sich mit „Maybe Forgotten, Maybe Glorious“ zwischen nachdenklicher Lebensphilosophie und emotionalem Krisenmanagement. Musikalisch eher melancholisch und schwer unterwegs, ebnet das Album aber den Weg für eine Vielzahl von Blickwinkeln auf sich selbst, das Leben generell und eben auch auf die Geschichten, die das Album erzählt. Für eine musikalische Innenschau ist dieses Werk also bestens geeignet.
Punkte: 12/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 14.07.2024
Dennis Bergmann
Marcus Testory
Matthias Ambré
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05.04.2024