Die in der Schweiz lebende, israelische Songwriterin, Poetin, Aktivistin und Philologin ELLA RONEN präsentiert sich auf ihrem dritten englischsprachigen Album „The Girl With No Skin“ als facettenreiches Chamäleon – was sowohl die musikalische Ausgestaltung des mit Hilfe des Musikerkollegen SAM COHEN produzierten Albums als auch die verschiedenen Rollen betrifft, in die sie als Erzählerin schlüpft. Nach den Alben „Mirrormaze“ von 2014 und „Motherland“ von 2021 schlägt ELLA RONEN nun das dritte Kapitel ihres andauernden musikalischen Selbstporträts auf und taucht dabei – nach eigener Aussage – tiefer in die eigene Psyche und Historie ein als je zuvor.
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Gleich die mit bedrohlichen Untertönen unterlegte, pulsierende Akustik-Ballade „Truth“ zeigt ELLA RONEN als Anklägerin eines übergriffigen Dozenten aus ihrer Jugendzeit, dessen Avancen sie damals nur knapp entkam. In „Undercover“ präsentiert sich die Musikerin hingegen als Spionin, die so gut darin ist, mit ihrer Umgebung zu verschmelzen, dass gar nicht auffällt, wenn sie eines Tages nicht mehr da ist. Der polternde Indie-Pop-Track „Fuck Cute“ macht deutlich, dass es ELLA RONEN satt hat, archaischen Stereotypen zu entsprechen, mit denen sich Frauen auch heutzutage noch konfrontiert sehen. Die jazzige Psychedelik-Parabel vom „Girl With No Skin“ basiert auf einer poetischen Mythologie, die sie für sich selbst geschrieben hat. Der mit SAM COHEN im Duett als verträumter Indie-Walzer dargebotene Track „I Just Want To See You“ warnt vor fälschlich überhöhten Erwartungshaltungen in Beziehungen und rät, sich mit dem Grundlegenden zufrieden zu geben.
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Die mit erstaunlich abrasiven Gitarrensounds und verzerrten Vocals angereicherte Fuzz-Rock-Nummer „The Mall“ verdeutlicht mit ihrer unverantwortlich ruppigen Darbietung das ungestüme Chaos von ELLA RONENs Jugendzeit in einer israelischen Mall der 90er Jahre und erzählt von enttäuschten Träumen und Erwartungen, wohingegen der mit Holzbläsern verzierte, als theatralischer Torchsong inszenierte Closer „Rearview“ mit leicht orientalisch anmutendem Touch über den Migrationshintergrund von Ronens persischer Mutter und Großmutter berichtet – und in dem Ratschlag gipfelt, als Frau niemals um Erlaubnis für etwas zu fragen, was man tun möchte, sondern bestenfalls um Vergebung zu bitten, falls das dann gesellschaftlich nicht konform sein sollte.
Der in Brooklyn ansässige Songwriter SAM COHEN ist in der letzten Zeit insbesondere durch seine Arbeit als Musiker und Produzent für so unterschiedliche Acts wie NORAH JONES, JOSEPH ARTHUR, JOSEPH ARTHUR, MADI DIAZ und besonders als kongenialer Partner von KEVIN MORBY bekannt geworden. Es war dann auch der organische Sound von MORBYs Song „No Halo“ und die Theatralik des Tracks „But You“ von ALEXANDRA SAVIOR, die ELLA RONEN überhaupt erst auf dessen Produktionskünste aufmerksam machte. Die Entscheidung, das Album „The Girl With No Skin“ in Cohens Studio in Brooklyn einzuspielen, führte dann zu einer Kollaboration auf Augenhöhe, mittels derer Ronens poetische Kompositionskunst und Cohens Fähigkeiten als Klangzauberer (und Musiker) auf elegante und schlüssige Weise zu einem feinsinnigen, musikalischen Gesamt-Kunstwerk verdichtet wurden.
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FAZIT: Nachdem das Vorgängeralbum „Motherland“ nach ELLA RONENs Aussage ein Abgesang auf ihr „altes Ich“ war, erforscht sie auf dem neuen Album „The Girl With No Skin“ ergo ihr „aktuelles Ich“ als selbstbewusste und selbstständige Frau und Mutter in ihrer schweizerischen Wahlheimat. Dabei gelingt es ihr, mühelos den politischen Aspekten ihres Tuns als jüdisch/persische, braunhäutige Aktivistin mit Migrationshintergrund einen persönlichen Anstrich und zugleich universellen Charakter zu verleihen. In SAM COHEN fand sie dann einen kongenialen Partner, der für jeden Song eine elegante produktionstechnische Antwort auf ihre lyrischen und musikalischen Ambitionen findet.
Punkte: 13/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 07.03.2024
Sam Cohen, Jared Samuel
Ella Ronen, Sam Cohen
Sam Cohen
Jared Samuel, Ella Ronen, Sam Cohen
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08.03.2024