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Emerald City Council: Motion Carries

Stil: Prog-, Art-, Symphonic- und Jazz-Rock

Cover: Emerald City Council: Motion Carries

Immer schön aufpassen, dass man als leidenschaftlicher Liebhaber guten Progressive Rocks nicht doch mal etwas übersieht, das man seiner progressiven Qualität wegen keinesfalls übersehen sollte – so wie EMERALD CITY COUNCIL aus Amerika, die mit „Motion Carries“ ein musikalisch höchst beachtliches, gestalterisch aber noch ein paar Reserven aufweisendes, Album vorlegen, das vielen sicher das retroprogressive Wasser mit härterer, aber auch melodischer Geschmacksnote im Munde und den Ohren zusammenlaufen lässt.

Gerade erst 2021 entstand dieses (nennen wir es mal bisher noch) Projekt um den Keyboarder und Saxophonisten (!!!) Brent Bristow, der keine Kraft und Mühe scheute, sich für EMERALD CITY COUNCIL gleich Jake Livgren (Sänger von PROTO-KAW und KERRY LIVGREN) und Schlagzeuger Noah Hungate (Sohn des TOTO-Mannen David Hungate) sowie den Bassisten Jeremy Nichols und den weniger bekannten, aber umso besseren Gitarristen Seth Hankerson in seinen Progressiven Rat von Emerald City zu holen, um nicht nur die Städte sondern wohl gleich auch Länder, Kontinente und bestenfalls die ganze Welt aufzumischen.

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Bristow selber weiß dabei genau, was er tut, denn er ist Professor für Musik an der Arkansas State University-Beebe, an welcher er sich eigentlich gerade als Saxophonist verstärkt dem Jazz zuwenden musste (und diese Tatsache auf „Motion Carries“ ebenfalls nicht versteckt). Das erschien ihm wohl insgesamt zu einseitig und so entstand in ihm der Gedanke, das Saxophon nicht mehr nur im Jazz-Kontext einzusetzen, sondern die Vielseitigkeit dieses Instruments für die Musik zu präsentieren: Und was eignet sich dafür nicht besser als der Progressive Rock?!

Schwer beeindruckend ist zudem, dass neben dem Saxophon die verschiedensten Gitarrenklänge das gesamte Album mal vorantreiben oder akustisch umschmeicheln, wofür neben Seth Hankerson gleich 9 weitere Gast-Gitarristen (Brent Bristow mit eingeschlossen) sorgen und ein Saitenfeuerwerk, das an Abwechslungsreichtum kaum zu übertreffen ist, entfachen, sodass aus „Motion Carries“ vordergründig eine wilde Mischung aus Saxophon-Gitarre-Feuerwerken der mal bombastischen und mal harmonisch verhaltenen Sonderklasse geworden ist, die sich in der Prog-Klassik (manchmal mit ein paar mittelalterlichen Aspekten, besonders wenn die Flöte um Einsatz kommt) wie Prog-Moderne gleichermaßen wohlfühlt und austobt.

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Leider ist die Gestaltung der CD zwar mit einem 'typischen Prog-Motiv', aber insgesamt nur im aufklappbaren Digipak ohne Booklet sehr spärlich ausgefallen, selbst wenn die Musik das eigentlich wettmacht, so ist es doch sehr schade, dass die Texte, für die ebenfalls neben den Kompositionen ausschließlich Brent Bristow die Verantwortung trägt, nicht enthalten sind. Denn bereits der mit finsteren Key-Saxophon-Klang eingeleitete schauerlich-bedrohliche Beginn mit dem Sprecher Jeffrey Combs, der mit dunkler Stimme einen Blick in die Vergangenheit wirft, verheißt ein (wahrscheinlich) spannendes Konzept, bis dann das Saxophon samt treibendem Schlagzeugspiel und harten Gitarren ein Feuer eröffnet, das sich im Verlaufe der guten Stunde zum Feuerwerk wahrhaft hochklassigen Progressive Rocks entwickelt, bei dem besonders das Saxophon die wunderschönsten Passagen beisteuert und auch der Sänger eine beeindruckende Rolle spielt und auf seine Art sogar einer hymnischen Ballade wie „Mortal Game“ neben dem deutlich an MARILLION orientierten Gitarren-Solo eine immense vokale Tiefe verleiht.

Gibt man sich also mit dem zufrieden, worauf es in erster Linie ankommt – also die Musik – dann wird der Freund von Prog-, Art-, Symphonic- und Jazz-Rock bestens bedient.
Trotzdem hinterlässt ein gutes Album in Kombination mit einer gelungenen Gestaltung und der Chance, beim ersten Hören die Texte mitlesen zu können, um sich den gesamten Band-Kosmos zu erschließen, einen tieferen und bleibenderen Eindruck als richtig starke progressive Musik hinter einer spartanischen Verpackung zu verstecken.

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FAZIT: Ohne Zweifel darf „Motion Carries“ von EMERALD CITY COUNCIL nicht nur als eine weitere großartige Entdeckung für alle Freunde guten Progressive Rocks, die gerne auch ausgiebige Saxofon-Einlagen und vom Jazz Rock angehauchte Klänge mögen, bezeichnet werden, sondern auch als ein Werk, das sich locker und völlig unerwartet in der ersten modern-melodischen Prog-Liga einreiht. Wenn nun auch noch auf den gestalterischen Aspekt hinter dem Album etwas mehr Wert gelegt würde, dann geht „Motion Carries“ schon in Richtung Meisterwerk.

Punkte: 13/15

Erschienen auf www.musikreviews.de am 28.02.2024

Tracklist

  1. Realize I – Escape From The Ancient
  2. Realize II – Brutal Camouflage
  3. Noisy Talking
  4. Mortal Game
  5. Ice Thinning
  6. Platforms Og Illusion
  7. *Connection
  8. **Best Life
  9. ***Comments
  10. ****Identity
  11. *****Revelation
  12. ******Best Life (Reprise)
  13. Diversion I
  14. No Thanks To You
  15. Realize III – The Comfort Of Suffering

Besetzung

  • Bass

    Jeremy Nichols

  • Gesang

    Jake Livgren, Brent Bristow, Heather Bristow

  • Gitarre

    Seth Hankerson, Brent Bristow, Brandon Goff, Paul Bielatowicz, Jeffrey Combs, Steve Rankin, Mike Thompson, Phillip Moore, Douglas Case, Calvin Barnes

  • Keys

    Brent Bristow, Jake Livgren

  • Schlagzeug

    Noah Hungate

  • Sonstiges

    Brent Bristow (Saxophone, Rekorder), Jeffrey Combs (Sprecher)

Sonstiges

  • Label

    Melodic Revolution Records/Just For Kicks

  • Spieldauer

    60:47

  • Erscheinungsdatum

    23.02.2024

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