Wie oft kommt es vor, dass Bo Hansson, Örnatorpet, Paysage d'Hiver und Ildjarn in einem Atemzug als Einflussgrößen für ein Album aufgelistet werden? Wahrlich nicht so oft. Umso mehr könnte also ein genaueres Hinhören bei FÅNTRATTs sechstem (?) Album "Ångerstupa" lohnen…
Doch Obacht, die Gefahr liegt auf der Hand: Nicht wenige werden beim Dungeon Synth alter Schule entweder einzuschlafen drohen oder die Flucht ergreifen, und schlichtweg verpassen, welche spröde Klangmagie sich hier langsam, aber nachhaltig entfalten kann. Und während anfangs der Einfluss früher Mortiis-Aufnahmen durchschimmert, spiegelt sich im fünften Track "En Stilla Flört" tatsächlich auch etwas von der unbeschwerten Spielweise des Keyboard-Pioniers Bo Hansson (vor allem bekannt durch seinen "Lord Of The Rings" Soundtrack und somit quasi ein früher Wegbereiter für Dungeon Synth & Artverwandtes), gleichwohl die Virtuosität des 2010 verstorbenen Tastenritters unerreicht bleibt. Das meditative Zusammenspiel von sanften Melodien und stetem Rhythmus in "I Natt Eller Aldrig" zehrt von Erinnerungen an die Berliner Schule.
Wenn die Stimme der serbischen Sängerin Jovana Cuk durch die Nebelschwaden an der Küste dringt, mögen auf das Reinheitsgebot pochende Gesellen vielleicht die Verwässerung der Genregrenzen befürchten, doch dass Dungeon Synth keineswegs ein bierernster Musikstil ist, beweist FÅNTRATT mit seinem Kommentar zur B-Seite seines neuen Albums, denn dort "nimmt die Reise eine eindringliche Wendung. Bei 45 U/min erinnern traurige Melodien an die Ernsthaftigkeit kampferprobter Küsten, während die Musik bei 33 U/min in eine noch tiefere Melancholie absinkt und die stille Kontemplation eines einsamen Seefahrers widerspiegelt, der in der unendlichen Weite treibt." Käpt’n Blaubär wird sich seinen Teil denken…
"Ångerstupa" erscheint via Nordvis auf Vinyl in purpurfarbenen Schattierungen und als CD.
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FAZIT: "Ångerstupa" lohnt eine nähere Beschäftigung vor allem für eingefleischte Höhlenforscher, also Freunde ursprünglicher Dark Dungeon Music, aber auch für generell an dieser unwahrscheinlichen Musiknische interessierten Hörern, die genügend Phantasie und Enthusiasmus mitbringen, um in Klangwelten einzutauchen, die an der Oberfläche nicht selten nach arg limitiertem Computerspiel-Soundtrack klingen.
Punkte: 10/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 25.08.2024
Jovana Cuk, Daniel Engberg, David Engberg (guest vocals)
Fåntratt
Nordvis
50:49
23.08.2024