Klar, Punkrock sollte in erster Linie die Vertonung einer Antikultur sein. Gegen alles aus Prinzip. Diese Haltung war und ist in gewisser Weise immer noch sowas wie das Fundament der Punk-Subkultur.
Unter diesem Punkt spricht das Cover von „Am Arsch!?“ bereits eine deutliche Sprache. GAFFA strecken alles und jedem den ausgestreckten Mittelfinger entgegen.
Wirklich allem?
Klar, es gibt die übliche Schelte gegen die politische Rechte („V-Mann“ und „Hängt sie höher!“), aber auch gegen die Katastrophengeilheit der Medien (und ihrer Konsumenten) wird ausgeteilt („NTV“).
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Das ist alles legitim und Punkrock bis ins Mark. Vorausgesetzt, die Basis dieser Kritik ist die antikapitalistische und antinationalistische Haltung, die sich die Punk-Subkultur über die Jahre übergestreift hat.
Rollt man die Kultur aber von ihrem Ursprung auf, dann war Punk im Kern eine Antihaltung gegen die Gesellschaft per se. Damit ging aber auch Kritik an allen Formen von politischer Struktur einher, egal von welcher Seite diese Formen geschaffen wurden. Denn Punk stand im Kern immer für Anarchie, d.h. ein Leben ohne jegliche Regeln, außer der eigenen.
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Gemessen daran, ist es doch interessant, dass nicht nur GAFFA, auch viele ihrer Genre-Kollegen, immer in erster Linie in Richtung der politisch rechten Seite feuern. Sicherlich ist das legitim, aber es entsteht eben auch der Eindruck einer einseitigen Verklärtheit, die sich mit den Geschehnissen in der Gesellschaft so eben nicht mehr wirklich deckt. Was sich dagegen eins zu eins ins reale Leben übertragen lässt, ist die Lobbyismus-Kritik, die den Stoff für „Der Idealist“ liefert.
Davon abgesehen geht’s bei GAFFA aber auch lockerer und thematisch seichter zu. So zelebriert „Alkoholintoxikation“ das Lebensgefühl eines Alkoholikers und „Einfach nur weg“ geht als fast sehnsüchtiges Plädoyer für Freiheit und Flucht durch. Sehr schön: Der etwas gemächlichere Aufbau und der Platz für leichte Variationen im Schlagzeugspiel.
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Das DIE GEISTER-Cover „When I’m 84“ dreht sich ums Älterwerden und entpuppt sich zügig als eines der Highlights des Albums, was auch auf das L.A.R.S-Cover „Du hast verloren“ zutrifft. Pluspunkt hier: Die angesprochene Thematik des ausgesaugten Bürgers, der in einer Gedankenblase lebt, ist seit jeher tagesaktuell und relevant.
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Mit dem Ohrwurm „Das Experiment“ gibt’s nochmal einen tanzbaren Kinnhaken gegen die Lethargie der Gesellschaft allgemein, speziell wenn es um Empathie und wirkliche Gemeinschaft unter Menschen geht.
Schöner Abschluss, sowohl musikalisch als auch thematisch.
Als Bonus gibt’s noch eine sehr gut klingende Live-Aufnahme von „Etwas Anderes“ obendrauf.
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FAZIT: Musikalisch bietet „Am Arsch!?“ klassischen Punkrock durch und durch und auch textlich stoßen GAFFA vielfach ins altbekannte Szenehorn. Inwieweit es von einer Engstirnigkeit der Szene per se zeugt, stets gegen die gleichen Feindbilder auszuteilen, ist dabei sicher diskutabel. Allerdings sind die Positionen eben auch wenig verwunderlich, in Anbetracht der seit Jahren vorherrschenden Haltung in der Punkszene. Dementsprechend werden GAFFA mit diesem Album ihr Klientel zufriedenstellen, genauso wie sie diejenigen, die mit Punkrock auf keinen grünen Zweig kommen, wohl kaum zur Szene bekehren werden.
Punkte: 10/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 08.02.2024
Abbruch Records
36:41
29.09.2023