Beginnen wir diese Review einfach mal mit einem Hoffnungsschimmer – und zwar, dass wir hoffen, dass sich zwischen der Entstehung dieses Albums und dieser Review zu dem neuen Album „15 Zoll Maul“ von GAS WASSER INDIEPOP das im neunten Song besungene Problem erledigt hat und aus der selbstbefriedigenden Tatsache eine neue orgastische Antwort erwachsen ist. Denn das mit „Und immer noch nicht gebumst“ gilt ja unter ihres-, unsers- und seinesgleichen als ein ernsthaftes Problem, gerade wenn man bereits seine 'Pickel-auf-der-Stirn'-Phase sowie „Haare am Sack Frustration“ längst überwunden sowie sogar ein sog. Reifezeugnis in der Tasche hat und aus der Pubertät nur noch ein paar unterdrückte, müffelnde Flatulenzen übrig geblieben sind. Schön, dass uns diese problematische Entwicklungsphase des Davors voller Hoffnung auf ein Danach von den deutschen Indie-Pop-Punkern, die als Gas-Wasser-Indiepop-Installateure ihr „15 Zoll Maul“ ganz ohne Schlüssel ansetzen, so intensiv musikalisch und textlich auf gewöhnungsbedürftige Weise nahegebracht wird.
Oder vielleicht sollten wir dazu gleich den „Mobbingmambo Number Five“ tanzen und aus voller Kehle mitsingen.
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Eine streitbare, aber in jedem Falle – besonders auch der größtenteils sprechsingend textlichen Weise wegen – interessante wie provokante Scheibe. Ein Album eben, bei dem man genauer Zuhören und den Texten intensive Beachtung schenken sollte. Besonders empfehlenswert ist zudem die Vinyl-Version von „15 Zoll Maul“, denn hier gibt’s neben der großen schwarzen Scheibe auch noch ein Poster und zwei Aufkleber sowie eine mit allen Texten bedruckte LP-Innenhülle mit dazu.
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Die deutschsprachigen Texte bewegen sich von ernst über ironisch bis hin zu zynisch – aber wirklich klug und gekonnt formuliert, egal, ob es darin um einen Werbeprospekt-Austräger der sich vor anderen als einer der „20 Jahre in der Werbung“ war, bezeichnet oder wir den boshaften „Mobbingmambo Number Five“ tanzen, der gerne auch ein 'Fuckyoufunk' sein darf und die Tristesse der Tage, die nur noch aus Fabrikarbeit und dem 'zurück in meine vier Wände' in dem Song „Zitat Ende“ bestehen. Oder man zieht sich gleich einen Sack über den Kopf und wartet, was passiert.
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Die Sonnenseite des Lebens bescheint zumindest nicht die besungene GAS WASSER INDIEPOP-Klientel, bei denen beispielsweise in dem Longtrack (Ja, den gibt’s wirklich!) „Autobiographie eines Heizlüfters“ überdeutliche KETTCAR-Erinnerungen aufkommen. Und nicht von dem Titel täuschen lassen, denn hier erzählt der Sänger (und kein Heizlüfter) sprechsingend offensichtlich seine Lebensgeschichte, die sich zwischen spannend und lustig, musikalisch informativ („Und ich erinner' mich an / Das traurigste Lied der Welt / Ruf Teddybär 1-4 obwohl hat sich für mich / Geändert in The Power Of Love von / Kristofer Aström“), aber auch sehr traurig (Überraschender Tod einer Freundin: „Ich erinnere mich an Claudia / Jeden Tag seit einem Jahr / An den Anruf aus dem Krankenhaus dass sie es / Nicht schaffen wird / Und an die Frage Warum“) bewegt.
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Mit „Und immer noch nicht gebumst“ setzt sich diese Autobiographie fort – in welche Richtung ist bei diesem Titel ja klar. Diesmal darf sogar mit Rudi Freese (singender Gitarrist bei THE STRANGEMEN) ein Gast mitmachen, der die akustische Gitarre spielt und fast unerwartet diesen Song zur akustischen, traurigen Ballade werden lässt, die dann noch durch das einsetzende Orgelspiel melancholisch verstärkt wird.
So klingt auf „15 Zoll Maul“ eben auch jede Menge 'Hamburger Schule' mit durch – und auch die von der Band selber besungenen BLUMFELD (und ihren Frontmann Jochen Diestelmeyer) sind von vielen Songs des Albums nur einen musikalischen Steinwurf entfernt.
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FAZIT: Man darf GAS WASSER INDIEPOP gerne Glauben schenken, wenn sie selber über sich und ihre Musik verkünden, dass sie auf „15 Zoll Maul“ den Versuch unternehmen, deutschsprachige 'Hymnen des Alltags zwischen Indie-Rock, Elektronik, New Wave und Punk', das alles oft mit sprechsingender Stimme vorgetragen, zu schaffen und eindrucksvoll auf ihre Hörer, die sich unbedingt auch Zeit für die Texte nehmen sollten, loszulassen. Eine Freude bereitet hierbei neben den groovenden und modernen, mitunter elektronischen Rhythmen, das orgelnde Keyboard, welches der Musik immer wieder einen angenehmen Retro-Style verpasst, während die Texte mit dem 'Kettcar' auf CD (Inside-Out-Digipack, 16-seitiges Booklet, zwei 4c-Sticker) und – noch empfehlenswerter – einer LP (bedruckte 4c-Innenhülle, Poster, zwei 4c-Sticker) daherkommen.
Punkte: 11/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 14.08.2024
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