Dies sei "das freizügigste, schmerzhafteste und lyrisch dichteste Album, das ich je aufgenommen habe", sagt HAMISH HAWK im Musikreviews-Gespräch über sein aktuelles Werk "A Firmer Hand". Und der 32 Jahre alte Schotte aus Edinburgh fügt hinzu: "Es fällt mir schwer, es anzuhören, denn es ist, als würde ich alte Tagebucheinträge überfliegen. Sagen wir einfach, ich bin froh, dass die Tage, die mich zu diesen Einträgen inspiriert haben, schon lange vorbei sind." Wir Hörer haben es da leichter, denn wir können auch ohne all den Schmerz von der Platte überwältigt sein. Und überwältigend ist so einiges an "A Firmer Hand" - einer Platte, die HAMISH HAWK jenseits des üblichen PR-Sprechs ("mein bestes... persönlichstes... wichtigstes Album" etc. pp.) ganz gut beschrieben hat.
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Was als erstes auffällt: diese mordsmäßige Stimme. Tief und doch flexibel, mit allen Nuancen zwischen eisiger Kälte und empathischer Wärme, kraftvoll und sensibel zugleich. HAMISH HAWK weiß schon, warum er sich im Opener "Juliet As Epithet" ganz auf seinen Bariton-Gesang verlässt, den Vocals also nur wenig instrumentale Begleitung zumutet. "Das ist einer der wenigen Songs, mit denen ich wirklich total glücklich bin. Ich würde nichts daran ändern. (...) Es ist ein großartiges Gefühl, diesen Song zu hören und jeden einzelnen Teil zu genießen", sagt der ansonsten selbstkritisch-bescheidene Brite. Und Recht hat er.
Das Schöne an "A Firmer Hand" ist nun, dass HAMISH HAWK mit dem tollen Einstiegssong sein Pulver noch lange nicht verschossen hat. "Machiavelli's Room" oszilliert anschließend zwischen Piano-Pop und Art-Rock - als wenn Scott Walker, David Bowie und Jarvis Cocker gemeinsame Sache gemacht hätten. Dieses Lied sei "das lüsterne, animalische, dunkle Herz des Albums", so HAWK.
Mit dem Electro-Funk-Pop von "Big Cat Tattoos", das an die besten Stücke von Heaven 17 oder New Order in den 1980ern erinnert, entert der Schotte elegant den Indie-Dancefloor. Auch hier zeigt er, dass HAMISH HAWK nicht nur griffige Melodien und druckvolle Rhythmen drauf hat, sondern ebenso tolle, sehr bildstarke Lyrics:
A billion dollars in your eyes/
Beside a hospital bed/
Hot wars of the Middle Ages/
Replaying in my head/
You wore your Colonel Tom Parker signet ring/
With the unmistakable air of "Get up there and sing".
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Das hat was. "In meinen Liedern sitzt Britt Ekland neben George Harrison, Elvis Presley spricht mit Bill Callahan, und es sind diese erfundenen Welten und Situationen, die ich zu erkunden versuche", sagt HAMISH HAWK, der Texter, selbst über seine grenzenlose Phantasie. "Diese Namen sind Werkzeuge, genau wie alle anderen Worte in meinen Liedern, um etwas zu erschaffen, um etwas Einzigartiges im Kopf des Zuhörers aufzubauen."
Und so geht's immer weiter mit ambitionierten, flamboyanten Tracks, die den Horizont der starken HAMISH HAWK-Vorgängeralben "Heavy Elevator" und "Angel Numbers" nochmals erweitern. Stagnation, nicht mal eine auf hohem Niveau, kann man diesem Singer-Songwriter wirklich nicht vorwerfen. Angesprochen auf die Unterschiedlichkeit seiner Platten seit dem Debüt "Aznavour" von 2014, sagt HAWK: "Ich schätze, ich bin ziemlich leicht zu langweilen. Und wenn es um Formeln in der Musik geht, oder zumindest in meiner eigenen Musik, finde ich sie ermüdend."
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Dass er als "Troubadour mit der Akustikgitarre in der Hand" (Interview-Zitat HAMISH HAWK) ebenfalls eine gute Figur macht, bewies der 32-Jährige erst kürzlich als Live-Support der irischen Indie-Folk-Band Villagers um den ähnlich hoch veranlagten Singer-Songwriter Conor O'Brien. "A Firmer Hand" ist nun eine wesentlich opulentere Angelegenheit, mit teils wuchtigen, eingängigen Indie-Rock-Songs wie "Nancy Dearest", "You Can Film Me" oder dem an bessere Morrissey-Zeiten gemahnenden "Men Like Wire". Aber auch Hawks verletzliche Seite erhält noch genügend Raum, etwa im schönen Piano-Stück "Christopher St." oder im Closer "The Hard Won" ("eine Art Entschuldigung an die Objekte meiner Zuneigung in früheren Alben").
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Und stets bleiben seine Vocals unfehlbar. "Um ehrlich zu sein, habe ich erst in den letzten ein oder zwei Jahren meine Stimme als Sänger so richtig entdeckt. Es mag ein wenig lächerlich klingen, aber ich habe mich nie als Sänger betrachtet, sondern immer als Songschreiber oder Texter", bekennt HAMISH HAWK im Interview. Spätestens mit seinem neuen Album ist er in allen drei Disziplinen olympiareif.
FAZIT: "Weiter, immer weiter!" - dieses (neben "Eier, wir brauchen Eier!") berühmteste Oliver-Kahn-Zitat gilt ganz sicher auch für die künstlerische Entwicklung von HAMISH HAWK. Der Musiker aus Edinburgh zeigt auf seinem jüngsten und besten Album "A Firmer Hand" nun wieder neue Facetten seiner Songwriter-Kunst - und bei davon überrumpelten Hörern sorgt ja ohnehin seine großartige Bariton-Stimme für den Wiedererkennungs-Effekt. So ist diese Platte ein Aushängeschild für aktuelle schottische Popmusik, die gleichermaßen klassisch-zeitlos und modern klingt. "A Firmer Hand" ist in jeder Hinsicht ein großer Wurf.
Punkte: 13/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 16.08.2024
Hamish Hawk
Andrew Pearson
John Cashman
Stefan Maurice
So
38:56
16.08.2024