„Memento Vivere“ (denke daran zu leben) wird meist ergänzt durch das Pendant „et memento mori“ (und erinnere (dich) an den Tod“). Von diesem Dualismus, das Leben zu schätzen im Wissen um die eigene Vergänglichkeit, handelt das Zweitwerk von HAVEN OF ECHOES. Angesichts der getragenen, oft wehmütig gestimmten Klänge ist „memento vivere et memento mori“ eine nahezu selbstverständliche Komplettierung.
Die Besetzung hat sich zum wohlgeratenen Debüt nicht verändert, die musikalische Ausrichtung wurde um Nuancen verfeinert. Obwohl es mitunter heftig zur Sache geht, ist schnöder Progmetal weit entfernt. HAVEN OF ECHOES sind meisterlich im Erzeugen einer elegischen, traumverhangenen Atmosphäre voller Sehnsuchtsmelodien. Paul Sadler ist ein wandlungsfähiger, stilsicherer Sänger. Zum Beginn erinnert er an Dave Gahan in einer progorientierten DEPECHE MODE-Hommage. Doch bald steigt sein Gesang in wolkenverhangene Höhen.
Andreas Hack hat sein vielfältigen Instrumentenarsenal ebenfalls im Griff, während Nerissa Schwarz mit stimmungsvoll eingesetzten Effekten sowie Tasten- und elektrischen Harfenklängen für den Feinschliff sorgt. Wolfgang Ostermann trommelt effizient und hat keine Angst davor, zu pausieren, wenn es der Gesamtsound verlangt. Dass er ebenso antreibend spielen kann vermittelt spätestens das Schlussdrittel von „It Walks Among Us“.
„Memento Vivere“ besteht nur aus vier Stücken zwischen acht und siebzehn Minuten. Ein weiterer Soundtrack für hoffnungslose Romantiker und leidenschaftliche Philosophen. Stille, verträumte Sequenzen wechseln sich ab mit symphonischer Grandezza. Dabei geht es nicht weinerlich zu, die Musik ist dynamisch und verbindet samtene Sequenzen mit kraftvollen Schüben. Die Grundstimmung bleibt indes schwärmerisch.
Was auch nicht zerstört wird, wenn es lauter zur Sache geht oder sogar Richtung Post Rock oder Peter Hammill linst (das düstere „It Walks Among Us“ ist gotische Phantastik in musikalischer Form. Steven Wilson und speziell STORM CORROSION sind ebenfalls nicht fern). Stilvoll das Leben zu feiern und andächtig dem Gedenken an den Tod Tribut zu zollen, beherrschen HAVEN ECHOES ausgezeichnet.
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FAZIT: „Memento Vivere“ ist ein Zweitwerk nach Maß. HAVEN OF ECHOES behalten die Trademarks der Vergangenheit bei und kultivieren sie gekonnt. New-Art-Rock voller Gefühl und ein wenig Härte, mit Freude an Verzweigungen über Genregrenzen hinaus.
Punkte: 13/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 05.09.2024
Andreas Hack
Paul Sadler
Paul Sadler
Andreas Hack, Nerissa Schwarz
Wolfgang Ostermann
Nerissa Schwarz (electric harp), Andreas Hack
Construction Records/Just For Kicks Music
58:02
20.09.2024