Wenn alles, ja wirklich alles, kaum dass man das Digipak von „Voids And Visions“ der amerikanischen Prog-Rocker/Metaller HOURGLASS geöffnet (und das schrecklich kitschige Frontcover übersehen) hat, optisch nach YES schreit, dann steckt garantiert auch viel YES darin. Aber garniert mit jeder Menge traumtheatralischen Metal-Noten.
Wenn sich eine Band bei ihrer Innen-Cover-Gestaltung bei YES und den Kreativ-Landschaften eines Roger Dean bedient, dann wird diese garantiert auch in der Musik viele YES-Züge in sich tragen. Das ist jedenfalls der erste Gedanke, der sich einschleicht, wenn man das aktuelle Album von HOURGLASS, der amerikanischen Progressive-Rock-Band mit sehr metallischem Hang in den Händen hält.
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Wenn man dann zugleich – sowie die CD im Player rotiert – als Longtrack-Freund entdeckt, dass es insgesamt nur vier Songs darauf gibt, die es allesamt auf eine über zweistellige Laufzeit bringen (von 12 bis 25 Minuten) dann ist endgültig die Neugier und eine YES-Erwartungshaltung geweckt, die uns HOURGLASS hier offerieren – und sogar unter ihrer 'bandcamp'-Seite noch weiter gehen, indem sie feststellen: „Fans von RUSH, DREAM THEATER, SYMPHONY X und YES werden HOURGLASS lieben.“
Bleibt nur die Frage offen: Kann der 1999 in Utah gegründete amerikanische Prog-Fünfer diese Erwartungen auch befriedigen?
Er kann durchaus! Allerdings nicht auf höchstem Niveau...
Die gute Absicht ist – besonders von der instrumentalen Seite her – aber jederzeit erkennbar, selbst wenn ihre amerikanischen Landsleute, die im Traumtheater dem Barte des Spocks huldigen, einem viel eher in den Sinn kommen.
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Leider aber schleppt sich „Voids And Visions“ mitunter über so einige unnötige Längen hinweg, was schon in dem ausgelatscht wirkenden Album-Beginn mit dem 25-Minüter „Void Within“ seinen Ausgang hat. Und auch wenn ein Album über 77 Minuten Laufzeit aufweist, heißt das nicht, dass diese wirklich begeistern müssen. Im Falle von HOURGLASS hätten jedenfalls auch 45 Minuten gereicht – und die Spannung hinter ihrem aktuellen Output wäre auf sicher höherem Niveau geblieben – inklusive der Konzept-Geschichte, die ebenfalls aus gesangstechnischer Sicht viel zu lang geraten ist, wobei man dem guten, aber nicht überragendem Sänger Yahosh Bonner keinen Vorwurf machen kann. Nur den Lorbeerkranz großer Sangeskunst wird man ihm garantiert auch nicht überstülpen.
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Bei denjenigen, die zudem hohe YES-Erwartungen mit dem Album verknüpfen, werden ebenfalls schnell auf dem Boden der musikalischen HOURGLASS-Realität aufschlagen, selbst wenn mitunter die härteren Momente immer wieder durch anheimelnde akustische Gitarren-Passagen beruhigt werden – und die symphonischen wie härter rockenden Passagen mit eingängigen Melodiebögen aufgehübscht werden. HOURGLASS setzen sich jedenfalls zwischen die progmetallischen Stühle und bleiben dort sitzen, ohne sich mal auf eine konkrete Seite zu schlagen, selbst wenn sie sich zum Album-Ende hin deutlich stärker in die Metal-Richtung schlagen.
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Dass HOURGLASS sich 15 Jahre für dieses Album Zeit ließen, ist jedenfalls kaum bemerkbar, denn wer wild übersprudelnde Ideen erwartet, dessen Erwartungen werden enttäuscht.
Wer allerdings auf ausladende Longtracks steht, die nicht das unbedingte Non-Plus-Ultra in puncto Komplexität, dafür aber etwas Härte und viel Raum für solistische Ausflüge (besonders im Gitarrenbereich) aufweisen, der wird mit diesen vier langen Stücken gut bedient, selbst wenn die von ihrem Aufbau und der Struktur her nicht immer schlüssig wie fließend erscheinen.
Dafür aber sind die Gestaltung und der Umfang von „Voids And Visions“ gelungen, da es zu dem Silberling im Digipak noch ein 16 Seiten starkes, reich bebildertes und mit allen Texten versehenes Booklet mit dazu gibt, das garantiert allen haptisch veranlagten Prog-Zeitgenossen, denen die Streaming-Kultur auf ihren Retro-Zeiger geht, garantiert erfreuen wird.
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FAZIT: 15 Jahre nach <a href="http://www.musikreviews.de/reviews/2009/Hourglass/Oblivious-To-The-Obvious/" target="_blank" rel="nofollow">ihrem vierten Album „Oblivious To The Oblivious“</a> kehren die 1999 gegründeten amerikanischen Prog-Rock-Metallisten HOURGLASS in gänzlich neuer Bandbesetzung (einzige Konstante ist Gitarrist Brick Williams) mit „Words And Visions“ zurück, um ihre Konzeptalbum-Pflänzchen mit vier megalangen Longtracks auf dem progmetallischen Acker zwischen DREAM THEATER und YES auszuwerfen. So weckt man zwar hohe Erwartungen. Die versanden leider stellenweise nur im sanduhrigen Mittelmaß und setzen keinerlei Akzente, selbst wenn spieltechnisch jede Menge überzeugende Momente zu entdecken sind und auch die Gestaltung samt fettem Booklet ihre Reize besitzt. Wem das genügt, der darf sich über HOURGLASS' und deren über 77 Minuten langen Visionen freuen, selbst wenn diese – ganz dem Albumtitel entsprechend – doch so einige Leerstellen aufweisen.
Punkte: 10/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 18.08.2024
Brian Hancock
Yahosh Bonner
Brick Williams
Eric Robertson
John Dunston
Eigenpressung/Just For Kicks
77:13
26.07.2024