Der im März 1911 in Neapel uraufgeführte „L’Inferno“ war der erste abendfüllende italienische Spielfilm. Drei Jahre dauerte die Herstellung, verantwortlich zeichneten die Regisseure Francesco Bertolini, Adolfo Padovan und Giuseppe de Liguoro. Als Drehbuchautor wird bei IMDb Dante Alighieri geführt, auf dessen ersten Teil seiner „Divina Commedia“ sich „L’Inferno“ bezieht. Genauso wichtig sind die Illustrationen Gustav Dorès zur „Göttlichen Komödie“, die minutiös filmisch umgesetzt wurden. Ein Meisterwerk des fantastischen Films, dessen Special Effects – nicht nur bezüglich der Entstehungszeit – sensationell sind. Kreativität und gehobene Handwerkskunst machen eine in Kinderschuhen steckende Technik vergessen. Völlig egal, dass Löwen und Leoparden von zotteligen Hunden „dargestellt“ werden (Kleiner Exkurs: Heutige CGI-Effekte wirken mitunter armselig dagegen, vom künstlerischen Gehalt ganz abgesehen - in Gedanken bei Ian Holm und seiner katastrophal schlechten Auferstehung bei „Alien: Romulus“. Der etwas andere Kreis der Hölle).
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Lange nur bruchstückhaft und/oder in schadhafter Form verfügbar, ist „L’inferno“ mittlerweile bestechend restauriert wieder zur Sichtung bereit. Das perfekte Sujet für das italienische Trio IN SINCOPATI und das singende Gesamtkunstwerk Claudio Milano. Musikalisch federführend ist die Komponistin Francesca Badalini, die mit ihrem lyrischen Pianospiel, den atmosphärischen Synthesizer- und Zither-Einsätzen die instrumentale Konzeption gekonnt und mit feinem Gespür trägt und prägt. Der warme, federnde Bass Andrea Grumellis und das pointierte, zurückhaltende wie akzentuierte Schlagwerk Luca Casiraghis sorgen für die stimmige rhythmische Unterfütterung.
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Dazu singt, säuselt, flüstert, krächzt, spielt und schreit Claudio Milano, wandelt inbrünstig von traumverlorener Sanftheit zur Beschwörung panischen Horrors und wieder zurück. Eine aufreibende und aufregende Performance, die die filmische Phantasmagorie perfekt unterstützt. Ein Gothic-Wunderwerk abseits ausgetretener Pfade. In naher Verwandtschaft befindet sich Peter Hammills „The Fall Of The House Of Usher“, dem „Decimo Cerchio – L’inferno 1911 O.S.T.“ musikalisch aber eine Nasenlänge voraus ist.
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FAZIT: I SINCOPATI feat. CLAUDIO MILANO legen mit „Decimo Cerchio – L’inferno 1911“ einen atemraubenden Soundtrack vor, der ein frühes filmisches Meisterwerk kongenial durchleuchtet. Dem Album liegt ein Code bei, mit dem sich ein Konzert zum Film herunterladen und anschauen lassen.
Das ist wieder betörend, wild und herausfordernd. Und auch wenn Dante verlauten lässt: „Lasst, die Ihr eintretet, alle Hoffnung fahren!“ liegt in der musikalischen Bearbeitung und Performance ein Funken. Vielleicht eher der Schönheit als der Hoffnung. Aber immerhin.
Auf einer bekannten Plattform kann man sich die restaurierte Version des Films mit unterschiedlicher musikalischer Begleitung anschauen. Mein Favorit ist die Variante mit live eingespielter Orgel.
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TANGERINE DREAM haben sich der „Divina Comedia“ ebenfalls angenommen. „Inferno“ gibt es als reine Audio-CD ebenso wie auf DVD, die den Film samt Edgar Froeses Interpretation dazu enthält.
Punkte: 13/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 30.09.2024
Andrea Grumelli
Claudio Milano
Francesca Badalini
Luca Casiraghi
Francesca Badalini (zither), Andrea Grumelli (electronics, soundscapes)
Snowdonia dischi
66:29
25.04.2024