Ein gelungenes Täuschungsmanöver: Der Opener des neuen Albums von LEIF VOLLEBEKK führt die Hörer mit seinem Titel an der Nase herum - denn auf "Rock And Roll" ist alles Andere zu hören als Rock 'n' Roll. Stattdessen: ein opulenter Midtempo-Song mit prachtvollen Streichern, der gerade noch, das aber sehr geschickt, kurz vor der Kitsch-Mauer die Kurve kriegt.
Wer also den kanadischen Troubador mit dem norwegischen Namen als breitbeinigen Rocker hören wollte, muss sich gedulden. Und, ums gleich vorwegzunehmen, es lässt sich auch danach kein bisschen Elvis im Leif entdecken. Denn "Revelation", die fünfte Studioplatte von LEIF VOLLEBEKK seit dem Debüt "Inland" von 2010, bleibt eine so üppige wie gefühlsintensive, aber nie rockistisch nach vorn gehende Angelegenheit.
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"Southern Star", der zweite Song, könnte beispielsweise direkt von einer der legendären Jackson-Browne-Platten der mittleren Siebziger stammen - eine großformatige Melodie, ein warmes, tiefgründiges Countryrock-Arrangement mit Strings des derzeit allgegenwärtigen Rob Moose, eine seufzende Pedal-Steel von Cindy Cashdollar, Backing-Vocals von Angie McMahon. "Peace Of Mind" erinnert anschließend an die besten Lieder des angesichts herber Beziehungs-Vorwürfe seit Jahren abgetauchten Ryan Adams.
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"Surfer's Journal" lässt zwar im Hintergrund die Meereswellen rauschen, ist aber eine so gar nicht zum Surfen animierende , sondern sich immer mehr hochschaukelnde, zum Heulen schöne Klavier-Ballade. Hab ich da gerade irgendwo die Namen "Eric Carmen" und "John Miles" gehört? Warum nicht, das waren schließlich große Balladensänger - vermutlich kann VOLLEBEKK mit diesem Adult-Oriented-Rock-Vergleich sogar leben. "Moondog" kommt zunächst reduzierter daher, mit Fiddle, Akkordeon, Backing-Vocals der wunderbaren Anais Mitchell, ehe Vollebekks Mundharmonika eine ordentliche Prise Bruce-Springsteen-Feeling einstreut.
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"False-Hearted Lover" und "Sunset Boulevard Expedition" rufen danach abermals die volle emotionale Wucht des Westcoast-Rock der Seventies ab - trotz der Cinemascope-Produktion bleiben aber auch diese Songs wundersamerweise nicht im Pathos stecken und damit nahbar. "Mississippi" ist schlicht eine der strahlendsten musikalischen Landschaftsmalereien seit langem, und "Till I See You Again" lässt gegen Ende des Albums Latenight-Jazz-Feeling aufkommen. Alle elf neuen Lieder von LEIF VOLLEBEKK schaffen es letztlich, gleichermaßen mit Bombast zu überwältigen und mit glaubhafter Sensibilität zu berühren - kein geringes Kunststück.
"Aufgenommen im Sunset Sound und Dreamland in Woodstock, New York, ist 'Revelation' sowohl spirituell als auch bodenständig - vom Himmel über uns bis zu den Ozeanen unter uns", gerät die Album-PR-Abteilung (mit Recht) ins Schwärmen. Der legendäre Schlagzeuger Jim Keltner, die bekannte Steel-Gitarristin Cindy Cashdollar (Bob Dylan, Van Morrison, Rod Stewart) und der renommierte Bassist Shahzad Ismaily sowie McMahon/Mitchell für den Background-Gesang halfen, die Vision eines an die nordamerikanischen Folkrock-Großwerke der 70er angelehnten Albums umzusetzen. Volltreffer.
FAZIT: Das neue Album von LEIF VOLLEBEKK ist, da übertreibt der Titel zum Glück nicht, eine Offenbarung - sprich: das bisher mit Abstand beste Werk dieses talentierten Singer-Songwriters aus Ottawa/Ontario. Wie der Troubador aus Kanada die Balance hält zwischen unfassbar wohlklingenden, üppig produziertem Songwriting und einem Absturz in den Kitsch (auf den man als Hörer irgenwie immer wartet, der aber zur großen Erleichterung bis zum fabelhaften Closer "Angel Child" nicht passiert) - das ist die große Kunst von "Revelation".
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"Modern" ist diese Platte natürlich kein bisschen - eher eine gekonnte, gelungene Reminiszenz an eine goldene Ära nordamerikanischer Rock- und Popmusik. Oder, um einen früheren Songitel von VOLLEBEKK zu zitieren: Big Sky Country.
Punkte: 13/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 27.09.2024
Leif Vollebekk, Shazad Ismaily, Michael Felber
Leif Vollebekk, Angie McMahon, Anais Mitchell, Jess Robertson
Leif Vollebekk, Cindy Cashdollar
Leif Vollebekk, Parker Shper
Jim Keltner, Olivier Fairfield, JT Bates
Leif Vollebekk (Fiddle, Mundharmonika, Akkordeon), Mike Lewis (Saxophon), Sarah Pagé (Harfe), Andrew Marlin (Mandoline), Rob Moose, Budapest Scoring Orchestra (Streicher), Brooklyn Youth Chorus (Chor-Arrangements)
Secret City Records
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27.09.2024