Dem deutschen Pianisten Luca Sestak gelingt ein unglaubliches Kunststück: Es lässt einen abgenudelten Gassenhauer wie „The House Of The Rising Sun“ so klingen, als höre man ihn zum ersten Mal. Eine wunderbare, traumverhangene Version, mit energisch intoniertem Finale, die eine Geschichte vom Blues erzählt, in der es um Sehnsucht, Liebensmüh, prekäre Verhältnisse und den Wunsch auszubrechen geht. Sestak gelingt das ohne Worte, mit den Mitteln des Jazz, dank seines gefühlvollen, fließenden Spiels, das scheinbar unangestrengt von Sanftheit zu Ekstase wechseln kann und die Wirkung von Zwischentönen – und kompetenten Mitmusikern kennt.
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Das Album beginnt mit einer Friedrich Gulda-Interpretation: „Sarcasmus“ ist nicht sarkastisch, sondern wildbewegt, Sestak agiert lebhaft, geschmeidig, bremst beizeiten, versprüht wenig später Rock’n’Roll-Feeling und spielt mit der Jazz-Historie wie er klassische Einflüsse, die später noch prägender werden, einbezieht. Von Chopin über Dixie, Bebop zu Blues, Funk ist alles möglich. Warum Grenzen einreißen, wenn man sie erst gar nicht baut?
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Guldas „Toccata“, „Solfeggietto“ und Chopins „Minutenwalzer“ (die beschwingte Bar-Version) festigen das Faible des Trios für klassische Musik, das abgeklärt und gleichzeitig schwungvoll in den bandeigenen Kotext eingebettet wird. Sestak ist ein äußerst eleganter Pianist, der dies aber nicht für bloße Posen missbraucht, sondern versteht in die Tiefe – und die Höhen – zu gehen.
Bei den eigenen Kompositionen wird mit Verfremdungen des Klangkörpers gespielt, wen ein Stück „Everyone’s Busy“, dann stimmt das auch, Pina Bausch wäre begeistert, alles ist Tanz, Bewegung. Wenn der Wind sich dreht, wird verträumt innegehalten. Bei „Blame Game“ wächst die Besetzung zum Quartett, Oli Parker bereichert den Track um Trompetenklänge, die sich nahtlos ins gesamte Schaffen einreihen. Die Musiker beherrschen die quirligen Sprünge ebenso wie die nachdenkliche Kontemplation, ohne den inneren Zusammenhang zu zerstören.
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FAZIT: „Lighter Notes“ von LUCA SESTAK ist ein berauschendes Album. Eine bunte Spielwiese aus Klassik und Jazz, angereichert mit Versatzstücken aus dem großen Rock-Fundus. Charmant, gekonnt und von großer musikalischer Eloquenz.
Punkte: 12/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 20.03.2024
Alexander Broschek
Luca Sestak
Nicholas Stampf
Oli Parker (Trumpet)
Eigenpressung
48:20
08.03.2024