Es sind gute, ehrliche Bilder, mit denen Mark Knopfler sich derzeit auf seiner Website präsentiert. Der Musiker als würdig gealterter Mann, im warmen Mantel vor einer Brücke, allein im Studio an der Gitarre. Der Schotte sah ja schon vor 45 Jahren, als er mitten in der Sturm-und-Drang-Phase des Punk mit seiner Band Dire Straits und erdigem Erwachsenen-Rock daherkam, älter aus als er damals war. Nun ist er tatsächlich ein sympathisch dreinblickender gereifter Herr von Mitte 70, und es steht ihm gut.
Wie der Look, so der Sound: souveräne Lässigkeit bis zur Bierruhe, in edle Töne gegossen. Dieses einst auch für HiFi-Fetischisten bahnbrechende Klangbild ist längst zum Markenzeichen von Mark Knopfler in seinen Solo-Jahren geworden. Seit seinen Weltstar-Zeiten als Bandleader vor vier Dekaden hat dieser Mann so viel erlebt und geleistet, den regt nichts mehr auf. Und so klingt auch seine Musik seit 20, 30 Jahren: entspannt, warm, behaglich, bluesy, folky, soulful - wenn auch selten wirklich abenteuerlustig oder gar experimentell.
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"One Deep River" ist insofern ein typisches, bodenständiges, hochwertiges Knopfler-Album - wobei angesichts des nahenden 75. Geburtstags am 12. August der Blick des Sängers und Top-Gitarristen in den Rückspiegel noch etwas intensiver ausfällt. Wie schon früher beim Solo-Knopfler, und jetzt erst recht, mischt sich Melancholie, gar milde Alterswehmut in die Melodien mancher Lieder und die tiefenentspannten Bariton-Brummel-Vocals.
Im Januar verkaufte Knopfler seine Gitarrensammlung bei "Christie's" für über acht Millionen Pfund - es roch schon ein bisschen nach Abschied. Und wenig später veröffentlichte Knopfler eine fast zehnminütige Neueinspielung der wunderbaren instrumentalen Titelmelodie "Going Home" aus seiner "Local Hero"-Filmmusik von 1983 - zu einem karitativen Zweck und mit einer Liste an prominenten Gitarristen (seinen "Guitar Heroes") und Instrumentalisten, die in Gänze einen fetten Absatz dieser Review einnehmen würde.
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Um nur einige der bekanntesten Namen von A bis Z zu nennen: Joan Armatrading, Jeff Beck, Eric Clapton, David Gilmour, Brian May, John McLaughlin, Nile Rodgers, Bruce Springsteen, Ringo Starr, Sting, Pete Townshend, Zucchero. Wow, was für ein Staraufgebot. Die einzelnen Instrumental-Takes wurden schließlich von Guy Fletcher zusammengetackert, der nun auch "One Deep River" co-produzierte.
Mit der Wiederentdeckung seines legendären Soundtracks zu dem Schottland-Arthouse-Film schlechthin ging der gebürtige Glasgower Knopfler bereits ein Stück weit zurück zu den eigenen Wurzeln. Auf dem neuen, in den eigenen Londoner British Grove Studios aufgenommenen Album tut er das erneut und würdigt etwa im Titelsong den Fluss, der durch Newcastle fließt - die Stadt seiner Kindheit. "Crossing the Tyne is always on your mind", erzählt Knopfler. "You're heading out or you're coming back, and it just connects with your childhood. The power of it doesn't go away."
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Das Titelstück hat einen dezenten Gospel-Touch und berührt besonders als Closer eines Albums, das ja eines der letzten in dieser langen Karriere sein könnte. Auch "Before My Train Comes" hat die Zielgerade im Blick. "Black Tie Jobs" nähert sich gefährlich dem Kitsch, die Folk-Ballade "This One's Not Going To End Well" und das achselzuckende Goodbye-Lied "Watch Me Gone" hingegen sind einfach nur schön. Andere Songs wie der Uptempo-Opener "Two Pairs Of Hands" oder "Ahead Of The Game" klingen aufgekratzter, erinnern an die Dire Straits der frühen 80er, "Scavengers Yard" ist sogar regelrecht funky.
Kein Grund zur Sorge also, der Mann ist auch als Mittsiebziger noch gut drauf und fit. Zwar erreicht das von lauter Klasse-Musikern eingespielte Album nicht ganz die Tiefe und Qualität des mit ein paar tollen Jazz-Balladen glänzenden Knopfler-Meisterwerks "Down The Road Wherever" (2018). Aber eine gute Ergänzung dieses fast makellosen Solo-Katalogs ist es auf jeden Fall. Und wer nach den zwölf handwerklich und kompositorisch gediegenen Songs noch nicht genug hat, für den/die gibt's "One Deep River" in einer Boxset-Edition mit Vinyl und CD, ergänzt um insgesamt neun Bonustracks, ein "Knopfler-Gitarrenplektrum-Set" und anderen Devotionalien-Krimskrams.
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FAZIT: Im August wird Mark Knopfler 75, der Blick in den Rückspiegel prägt daher sein neues Album. "One Deep River" ergänzt den Katalog des Schotten sehr würdevoll, ohne so hell zu strahlen wie die sechs Jahre zurückliegende Vorgängerplatte. Wo Knopfler draufsteht, ist auch Knopfler drin - auf dieses Motto ist Verlass. Und, mal im Ernst: Wer erwartet Experimente von einem Mann, der schon vor 45 Jahren ein Gegenmodell zur musikalischen Revolution (des Punk) war? Nein, Mark Knopfler macht auch mit seinem Spätwerk vieles richtig. "One Deep River" ist ein Album wie ein guter alter Freund - nicht wirklich aufregend, aber zuverlässig und stets willkommen.
Punkte: 11/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 12.04.2024
Glenn Worf
Mark Knopfler
Mark Knopfler, Richard Bennett, Greg Leisz
Guy Fletcher
Ian Thomas, Danny Cummings
Mike McGoldrick (Whistle und Uilleann Pipes), John McCusker (Fiddle) Emma Topolski, Tamsin Topolski (Background Vocals)
British Grove/EMI/Universal
51:46
12.04.2024