„Ring frei!“ für MEINSCHÄFER & BAADER. Und jetzt gibt’s was auf die Mütze oder die Nase oder mitten auf die Zwölf. Gerne auch ein paar unerlaubte Tiefschläge setzen. 'Alte weiße Männer', die musikalisch wie auch textend etwas auf dem Kasten haben, die dürfen das – und die brauchen im Grunde auch niemandem mehr was zu beweisen. So wie die beiden Herren Stephan Baader und Martin Meinschäfer, die sich längst damit abgefunden haben, dass „der Tacho des Lebens erstmals die Restlaufzeit anzeigt“ und sich darum auf ihrem schlagkräftigen Album sogar auf die Suche nach den „Neuen Helden“ begeben und dabei feststellen müssen: „Sie liegen hackebreit / In einem knallroten Gummiboot“.
Und trotzdem sind sie sich sicher, unsere jungen Helden genauso wie die Ewiggestrigen der älteren Generation, dass sie „Die Besten“ sind, denn „Wir sind die besten von den Letzten / Wir sind hinten ganz weit vorn / …Wir sind die besten Letzten ever born“.
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Doch nur keine Angst vor MEINSCHÄFER & BAADER, denn bevor die zum Angriff auf die „Neuen Helden“ übergehen, stellen sie erstmal voller Selbstironie klar: „60 ist das neue 40“, um kurz darauf zudem ihre „Reise ins Ich“ anzutreten. Wer so mutig ist, der sollte ernstgenommen werden, selbst wenn seine Lieblingslanze die Ironie ist: „Alt sein ist nix für Mimosen / Einen Jungbrunnen gibt es halt nicht / Ich versuche es mit hautengen Hosen / Und 'nem Schrank voller Cremes fürs Gesicht“.
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Für Leute, bei denen Musik nicht nur mit Rhythmen, sondern auch alkoholfrei Geistvollem zu tun hat, die werden garantiert große Freude mit „Ring frei!“ haben. Aber zuerst unbedingt das 12-seitige Textbooklet zur Hand nehmen und die gelungenen, oft sehr ironischen, aber zugleich trotzdem unverblümt kritischen deutschen Texte mitlesen. Denn alle 12 Lieder sind ein Statement für's Understatement, ein selbstmitleidiger Blick ins Dackelgesicht der selbstmitleidigen Überegos und besonders auch solcher Typen, die heutzutage als einflussreiche Schwachköpfe mit Schwarzkopf-Frisur es Anderen übel nehmen, wenn die (ironische) Kritik an ihnen üben. Demokratiefeindliche Schwachköpfe werden ihren Status dann bestätigen, indem sie Macht ihrer grünen Jugendwahn-Suppe ihr wirtschaftsverkackendes Ego dazu missbrauchen, ihre Gegner mit Anzeigen zu fluten oder Rentnern die Polizei zur Haussuchung auf den Hals zu hetzen, während sie parallel dazu auch noch Kanzler werden wollen. Besagter Herr, der irgendwie in puncto Demokratie und Meinungsfreiheit viel zu grün hinter seinen Ohren ist, sollte unbedingt „Kleine Lichter“ hören: „Du hast die Weisheit gefressen, der Löffel war groß / Doch wenn es zu viel ist, dann kommt's wieder hoch / Du hast die Wahrheit gepachtet / Kein Gott neben Dir / Und wer das nicht beachtet / Kriegt keine Liebe von dir.“
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Mit Rockmusik und Balladen, ja sogar angejazzt oder im typischen Liedermacher-Stil finden MEINSCHÄFER & BAADER immer genau den richtigen wie passenden Ton sowie Rhythmus für ihre Texte, um deren Aussageabsicht zu betonen und zu untermalen. Kein klugscheißerndes Lagerfeuergeklampfe mit Anspruch, sondern echter (Rock-)Band-Sound eben. Wobei sich Alt und Jung noch dazu bestens ergänzen. Schließlich schwingt Mainschäfers Sohnemann Moritz gekonnt die Trommelstöcke auf dem Album.
So wird beispielsweise „Die Reise ins Ich“ mit hippen Melodien unterlegt, die zum Mittwippen einladen, während sprechsingend Martin Meinschäfer mit einer gewissen KETTCAR-Mentalität feststellt: „Ob du es glaubst oder nicht / Doch der ganz große Thrill / Ist eine Reise ins Ich“.
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Zeit, um zum Ende zu kommen.
Denn dieses Album ist so gelungen, dass jeder, der gerne gute Musik mit noch besseren Texten hört, „Ring frei!“ für sich selber erschließen sollte, wobei nur noch eins festgestellt werden muss: Selten stößt man heutzutage im ausgelutschten deutschsprachigen Rock- und Pop-Bereich auf so viel Wagemut wie bei MEINSCHÄFER & BAADER, die eben als geistig Junggebliebene längst der 'Bald-abegelaufener-Tacho-Generation' angehören, in einer Zeit großgeworden sind, als eine Schallplatte das Nonplusultra eines Tonträgers war und man diese schwarzgerillten Klangwunderwerke genoss und ihnen viel Zeit, Liebe und Vorsicht widmete. Doch dann wurde es digital und schnelllebig und der Tacho durch E-Auto-Digital-Anzeiger ersetzt. Optimierung statt Genuss, Duplizierung statt Einzigartigkeit, Datenautobahn statt kurviger Analog-Schnellstraße. Der Tod des Vinyls wurde vorhergesagt – und...
...er trat nicht ein. Sondern die Renaissance der LP weckt wieder mehr und mehr die Liebe zur Musik und die Leidenschaft für etwas Besonderes. Genau da sind wir nunmehr bei MEINSCHÄFER & BAADER genau richtig – getreu ihrem starken, am deutlichsten aus dem Album-Rahmen hervorstechenden Song „Mehr Meer“. Wobei die Frage erlaubt sei, ob die Parallele zu „Blick aufs Mehr“ von AXEL PRAHL, der übrigens nicht nur Schauspieler, sondern auch ein richtig guter Liedermacher ist, beabsichtigt ist.
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FAZIT: „Ring frei!“ möchte man allen, die von diesem MEINSCHÄFER & BAADER-Album noch nichts gehört haben, laut zurufen. Kommt, tretet ein, hier werdet ihr nicht verprügelt, sondern mit Texten erster Güteklasse unterhalten, die durchaus mehr Schlagkraft als boxbehandschuhte Fäuste haben. Und auch der tänzelnde Rhythmus des Boxers weist bei dieser musikalischen Begleitung die vielfältigsten Schrittkombinationen auf. Are you ready for fight? MEINSCHÄFER & BAADER sind es getreu ihrem letzten Song „Alles nochmal neu“ auf jeden Fall: „Einfache Botschaft – Lustige Zoten / Oder wie der Hesse sagt: 'Voll uff die Kapp!“
Punkte: 13/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 23.11.2024
Stephan Baader, Martin Meinschäfer, Markus Setzer
Martin Meinschäfer, Stephan Baader
Stephan Baader, Martin Meinschäfer
Martin Meinschäfer
Moritz Meinschäfer
Matthias Dörsam (Saxophon, Klarinette)
Timezone Records
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26.07.2024