Sicher muss die Lyrik Rainer Maria Rilkes nicht jedem sofort ein Begriff sein, denn „Nachtwächter“ bietet auf Seiten der Musik solides Todesblei melodischer Machart. Da sich dabei aber kein wirkliches Alleinstellungsmerkmal finden lässt (die Musik ist gut produziert, klingt fett, hebt sich aber kaum bis gar nicht von der Genre-Konkurrenz ab), ist das Textkonzept, das Rilkes scharfzüngige Gesellschaftskritik in die Jetztzeit transportiert, doch sehr wichtig für das Verständnis und die Wirkung von „Nachtwächter“.
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Die abstrakten Ansätze, die sich in Rilkes Texten finden lassen, intoniert Sängerin Mara Bach mit Inbrunst. Mal schreit sie, mal kratzt ihre Stimme fast unangenehm harsch im Ohr, ehe sie dramatischen Klargesang auspackt. Doch diese Kombination bzw. Darbietung der Dame ist gleichzeitig einer der Knackpunkte des Albums.
Denn gerade der Klargesang wirkt immer mal sehr überzeichnet, allzu gezwungen auf Drama gestriegelt, während die rabengleichen Growls auf Dauer doch einem immer ähnlichen Muster folgen. Das ist im Grunde kein allzu großes Manko, würde da nicht das Gleiche für die Musik als solche gelten.
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Ja, irgendwie wirkt das alles extravagant, auch deshalb, weil die Gedichtform der Texte nicht immer dem klassischen Strophe/Refrain-Schema folgt, aber unter diesem ersten Schleier der Verzückung entpuppt sich die Musik doch als relativ unspektakulär. Zwar lebt das Album von einer gewissen Schwere, die gut zu den Texten passt, aber so richtig zünden will das Ganze nicht.
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Ob’s daran liegt, dass die Diskrepanz zwischen Todesblei und dramatisch grazil wirkendem Klargesang doch etwas groß ist?
Oder vielleicht doch daran, dass gemessen an der Abstraktheit der lyrischen Inhalte, die Musik doch etwas zu sehr vorhersehbar erscheint?
Wer weiß das schon so genau. Am plausibelsten erscheint wohl eine Mischung aus beidem als Erklärung dafür, dass „Nachtwächter“ seinem suggerierten Potenzial nicht ganz gerecht wird.
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FAZIT: MIR ZUR FEIER wollen großes Drama in den Death Metal bringen, verlaufen sich aber auf dem Weg die Inhalte und die Musik zu einem schlüssigen Ganzen zu verbinden. Das hat zur Folge, dass „Nachtwächter“ des Öfteren allzu künstlich aufgeblasen erscheint. Was weder dem Anspruch, mitreißenden Death Metal zu erschaffen, gerecht wird, noch Rilkes lyrische Vielschichtigkeit wirklich packend in Szene setzt. Über die klare und druckvolle Produktion lässt sich in diesem Fall auch diskutieren, denn vielleicht wäre ein wenig mehr Abstraktion auch in puncto Sound nicht schlecht gewesen…
Punkte: 6/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 26.10.2024
Leo Brömser
Mara Bach
Daniel Vorkamp
René Meistrell
Noizgate Records
36:06
10.05.2024