<img src="http://vg02.met.vgwort.de/na/71a90d045d4e4250840f756050ded712" width="1" height="1" alt=""> 1989 wird die Luft dünner für MÖTLEY CRÜE, denn Hair Metal hat sich längst zu einer Bewegung ausgeweitet, die unter anderem mit Poison und Guns N' Roses starke Konkurrenz zu Tage fördert. Zudem stieß "Girls, Girls, Girls" bei Alt-Fans nicht auf vorbehaltlose Gegenliebe, doch davon, dass sich die Musiker unter Druck gesetzt fühlen, ist wohl nicht auszugehen. Bis dahin haben sie einen beispielslosen Aufstieg geschafft, dessen Begleiterscheinungen in Form von Exzessen, Skandalen und Abstürzen hinlänglich dokumentiert wurde.
Für "Dr. Feelgood", das nun pünktlich zum 35. Jahrestag seiner Veröffentlichung in erweiterter Neuauflage erscheint, wechseln die Kalifornier zu Bob Rock als Producer (tatsächlich fühlt sich ein gewisser Lars Ulrich wegen "Dr. Feelgood" bewogen, den Kanadier für Metallicas 1991er "Black Album" heranzuziehen) und nehmen ihr neues Material in Kanada auf. Die Ostküstler Aerosmith nehmen ihren künftigen Klassiker "Pump" zeitglich im selben Studiokomplex auf und zehren ähnlich wie Crüe (Bassist Nikki Sixx ist auf der vorangegangenen Tour mit Whitesnake und Guns N'Roses haarscharf dem Herointod entgangen) von dem Umstand, dass sie begonnen haben, sich ihren exzessiven Drogenkonsum abzugewöhnen.
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Die Songs auf "Dr. Feelgood" sind einschließlich der denkwürdigen Videoclips zu den fünf Singles längst so geschichtsträchtig wie die Band selbst. Das ungeheure Energie freisetzende 'Kickstart My Heart', das kernige Titelstück, die zwei Power-Balladen vom Feinsten - 'Without You' und 'Don't Go Away Mad (Just Go Away)'… Alles kommt genau auf den Punkt, kein Ton wird zu viel oder zu wenig gespielt, so wie an es bei Rocks Produktionen gewohnt ist. Bei aller Massenkompatibilität gelingt der Gruppe auch ein künstlerischer Streich, für den 'Rattlesnake Shake' (mit Bläsern) und 'Time For Change' (mit luftigem Beatles-Einschlag) exemplarisch stehen.
Dass BBC Music die Platte bei erscheinen "letztlich seicht und narzisstisch" nennen - geschenkt. "Dr. Feelgood" steht bald an der Spitze der US-Albumcharts und bleibt bis heute Mötley Crües letzter großer Erfolg. Der fünften LP des Quartetts schließt sich eine Konzert-Odyssee an, von der die fünf Live-Tracks der Neuauflage zeugen. Eine Handvoll Demoaufnahmen vermittelt einen Eindruck des Schaffensprozesses der Band, die vermutlich nie wieder so stark aufspielt wie hier: mit rasender Rhythmusgruppe, Mick Mars' unterschätzter kreativer Leistung als Gitarrist/Komponist und Vince Neil am Zenit seiner gesanglichen Fähigkeiten.
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FAZIT: "Dr. Feelgood" bleibt eines der ikonischsten und einflussreichste Rockalben der 1980er, eine Blaupause für die neuere Glam-Generation von Crashdïet bis zu Steel Panther und also solche in der heutigen Zeit praktisch nicht mehr reproduzierbar. Bei den verschiedenen edlen Jubiläums-Editionen hat der Fan die Qual der Wahl. Uns liegen nur das remasterte Album (Soundveränderungen im Detail - zum Glück; keine Verschandlung, aber auch keine Offenbarung neuer Nuancen, einfach etwas besser "aufgeräumt", wobei wir keine Info darüber haben, ob es sich um das gleiche Remaster wie 2021 handelt) und die Bonustracks vor.
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Erschienen auf www.musikreviews.de am 18.11.2024
Nikki Sixx, Bob Rock
Vince Neil, Donna McDaniel, Emi Canyn, Marc LaFrance, David Steele, Steven Tyler, Bryan Adams, Jack Blades, Skid Row, Bob Dowd, Mike Amato, Toby Francis, Robin Zander, Rick Nielsen
Mick Mars
John Webster
Tommy Lee
Tom Keenlyside, Ian Putz, Ross Gregory, Henry Christian (Blasinstrumente)
BMG
45:07 (Album)
22.11.2024