<img src="http://vg02.met.vgwort.de/na/eaefa18172ce4b379bb984550f546b6e" width="1" height="1" alt=""> Davon abgesehen, dass NESTOR schon seit ihrem Auftauchen der Perfektion nahen Hochglanz-Hardrock im Geist von Eighties-Helden wie Def Leppard, Journey oder Survivor spielten, haben sie ein durchdachtes Narrativ geschaffen, um sich mit ihrem Retro-Sound in einem vom Laufe der Zeit abgekoppelten Paralleluniversum bewegen zu können. Wie lange diese Strategie aufgeht (falls es denn eine ist), steht abzuwarten, doch so lange die Musik weiterhin so tadellos bleibt wie auf dem zweite Album der Schweden, scheint kein Ende in Sicht zu sein.
Vorausgesetzt, man steht auf AOR/Melodic Rock, der naturgemäß und ganz bewusst ohne Ecken und Kanten in Szene gesetzt wird. Wer diese im Hier und Jetzt tut, bewegt sich auf einem schmalen Grat, an dessen Rändern sich Abgründe aus ekelhafter Ironie, albernem Augenzwinkern und letztlich fiesestem Zynismus (wie etwa die Glam-Rock-Überzeichnung von Steel Panther) oder kitschigem Pathos auftun. Beide Extreme ersticken das Feeling, die aufrichtigen Emotionen im Keim.
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Nestor sind aber nicht zynisch. Sie meinen es ernst, stammen aus den goldenen Jahren des Sounds, dem sie sich verschrieben haben, und schmachten zwar wehmütig (Titelstück) oder verzehren sich vor unglücklicher Liebe ('Caroline'), tragen aber nie zu dick auf und fassen das alles offensichtlich auch nicht als bloße Stilübung auf. Hinzu kommt eine latente Aufbruchsstimmung im Sinne des Gesamtkonzepts hinter der Gruppe.
Das Intro 'The Law Of Jante' spannt auf kluge Weise den atmosphärischen Rahmen: Die dänische Synchronsprecherin Freya Miller verbalisiert das in skandinavischen Ländern verbreitete Jantelagen/Janteloven - einen auf den dänisch-norwegischen Schriftsteller Aksel Sandemoses zurückgehenden Verhaltenskodex ("Halte dich nicht für besser, klüger, besonders") - und lehnt ihn schließlich mit einem "fuck that" ab, woraufhin eine nostalgische Party über die Bühne geht.
Mit der Flucht aus der "Geisterstadt" einer langweiligen, eingeengten Mittelschicht-Jugend, die auf dem Debüt "Kids in a Ghost Town" (2021) eingeführt wurde, können eine ganze Menge Menschen etwas anfangen, auch wenn sie sie nicht vor 40, 50 Jahren erlebt haben und egal wo sie leben. Das Ganze überträgt sich letzten Endes in mehr als souveränes Songwriting, das allem von Bryan Adams über Europe bis zu Bon Jovi zu Hochzeiten Konkurrenz gemacht hätte, aber auch in virtuose Musikalität mit einer nach den Stadionrock-Größen von damals klingenden Produktion. Wie gesagt: das Endziel Perfektion ist einen Schritt näher gerückt.
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FAZIT: An NESTOR kommt man als Jünger des melodischen Hardrock nicht mehr vorbei. Die Schweden sind nicht nur im Gegensatz zu vielen ihrer Mitbewerber (etwa die ganzen Casting-Geschichten bei Frontiers Records) eine echte Band, unheimlich spielfreudige, überragende Songwriter und ein Paradebeispiel dafür, wie eine die Musik begleitende Story nicht nur Identifikationspotenzial erzeugt, sondern ihren Schöpfern auch Nachhaltigkeit gewährleistet. Man darf sich fürstlich von "Teenage Rebel" unterhalten lassen und schon gespannt darauf sein, wie's in zwei, drei Jahren weitergehen wird.
Punkte: 12/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 21.05.2024
Marcus Åblad
Tobias Gustavsson
Jonny Wemmenstedt
Martin Frejinger
Mattias Carlsson
Napalm / SPV
45:39
31.05.2024