Wenn uns eine Saxophonistin in ihr „Labyrinth“ entführt, dann nimmt sie natürlich noch ein paar spannende Jazz-Zeitgenossen als Begleiter mit, wie in ihrem Falle den Tuba-Spieler Jon Hansen sowie den Perkussionisten David Stauffacher – und zwei Stücke lang als speziellen Begleiter den Sousaphone-Spieler Victor Hege.
Das hört sich für den Freund eingängiger Rhythmen nicht wirklich spannend an – ist es aber doch, wenn man NICOLE JOHÄNNTGEN in ihrem „Labyrinth“ gewissenhaft folgt und auch für den einen oder anderen Stil-Wechsel offen ist.
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Denn hier bricht sich einerseits große Experimentierfreude die Bahn, andererseits groovt es immer wieder druckvoll und auch für eine gehörige Portion Melancholie bleibt jede Menge Zeit und Raum übrig.
Jazz und Bläser allerdings sollte man unbedingt mögen, denn sonst wird das nichts mit der Nicole, die nach sage und schreibe schon 25 Alben sogar DAVID LIEBMAN, den weltberühmten amerikanischen Tenor- und Sopransaxophonisten, als einen ihrer größten Verehrer gewonnen hat, wenn der feststellt: „Nicole besitzt eine ganz spezielle, sehr eigene Spielart sowie ein großes und großzügiges Herz und eine außergewöhnliche Energie!“
Diese außergewöhnliche Energie entfaltet sich in ihrer ganzen Größe auch auf „Labyrinth“, ein Album, das druckvoll mit einem treibenden perkussiven Einstieg und Stakkato-Gebläse sowie fetten Bässen beginnt und sich dann eine gewisse Traumzeit verordnet, bei der in erster Linie die Tuba den Ton angibt, aber auch ausgiebig Zeit für frei improvisatorische Momente bleibt. Manchmal klingt es ein wenig so, als würde die Tuba tieftraurig ihr Leid klagen, während das Saxophon optimistisch die dunklen Töne beiseite schiebt. Auch dass die Saxophonistin immer wieder ihre Stimme einsetzt und vokale Passagen einfügt, bereichert Johänntgens Musik genauso wie die ausgiebigen Anteile an den Perkussionsinstrumenten, denen ebenfalls jede Menge improvisatorische Freiräume geschaffen werden.
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Auch der eine oder andere Soul-Schnipsel, der seine Ideen direkt aus dem Motown-Katalog entlehnt, gibt es zu entdecken. Und selbst wenn sie ihrem Liebsten kurz vor Album-Ende eine 'Gute Nacht' wünscht, setzt sie dabei auf polyphonische Klänge, während sie zuvor in „Get Up And Dance“ bewiesen hat, dass sie sogar einen flotten Discobeat draufhat, der sofort zum Tanzen einlädt und gar durch das flirrende Drumming etwas Weltmusikalisches mit sich bringt.
Zum Ende wird es dann richtig sentimental.
Mit dem „Little Song For Nenel“ (gesungen durch ein Mikrophon, das in dieser Bauart als Shure Unidynes 556 schon ELVIS PRESLEY nutzte) und dem „Song For Nenel“ sendet sie gleich doppelte Grüße von ihrem Album direkt an ihr Kind Nenel – ein seltsamer Name (der Freunden des Spiels 'Inazuma 3' vielleicht bekannt ist, da Nenel dort der himmlische Spieler ist, der die Wahrheit sieht, wenn er seine Augen schließt), der genauso besonders ist wie die Musik auf „Labyrinth“.
Also: Augen schließen und die wahre Schönheit hinter der Musik von NICOLE JOHÄNNTGEN entdecken.
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FAZIT: Willkommen im „Labyrinth“ der deutschen Saxophonistin NICOLE JOHÄNNTGEN, die gemeinsam mit einem Perkussionisten und einem Tubaspieler zwischen flotten Grooves und verspieltem Jazz samt improvisatorischer Einfälle ein feines Album der Gefühle, die gerne auch mal melancholisch und verträumt seien dürfen, vorlegt. Hinzu kommt, dass die Saxophonistin nicht nur ihre Blasinstrumente beherrscht, sondern auch eine beeindruckende Stimme hat, die oft überraschend immer mal wieder in dem einen oder anderen der insgesamt 10 Stücke auftaucht und ihren Höhepunkt am Ende in der Ballade für ihr Kind Nenel als „Little Song For Nenel“ findet, in dem sie ausschließlich zwischen ihrer Stimme und dem Saxophon zärtlich hin und her wechselt.
Punkte: 12/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 21.02.2024
Nicole Johänntgen
David Stauffacher
Nicole Johänntgen (Sayophone), Jon Hansen (Tuba), Victor Hege (Sousaphone)
Selmabird Records
40:26
24.09.2023