Wie kann nur ein Album, das den Titel „Cold See“ trägt, dermaßen warm und harmonisch sowie melancholisch klingen?
OISIN LEECH lüftet dieses Geheimnis, indem er mit seiner akustischen Gitarre und seinen an NICK DRAKE erinnernden Liedern uns die faszinierend-natürlichen Geschichten rund um die Nordküste von Irland besingt. Songs, die neben der Bucht von Trawbreaga an der irischen Nordküste mit Blick auf das 'Kalte Meer' entstanden – und die ähnlich wie die Gezeiten zwischen Ebbe und Flut, wobei die beruhigende Wirkung der Ebbe im Vordergrund steht, ihre klangliche Erfüllung finden. Und ein Blick auf das malerisch gestaltete Cover dieser vertonten Szenen spricht bereits Bände über die Musik, welche uns hinter solchem Cover erwartet. Noch dazu wurde als Farbe für das limitierte Vinyl das 'Sea Glass'-Grün gewählt, welches uns im Zentrum des LP-Cover-Bildes begegnet.
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Es ist das Land seiner Vorfahren, das OISIN LEECH mit seiner ruhigen, einprägsamen, manchmal zerbrechlichen Stimme besingt und so den Bildern entspricht, die er während der Entstehung des Albums an der Nordküste in sich aufnimmt, genauso wie die Sounds der an- und abschwellenden Flut, aber auch den verblassenden Erinnerungen an die Covid-19-Pandemie, die dem Klang hinter „Cold Sea“ ihre präzise Wirkung verleihen, woran besonders auch ein STEVE GUNN, der maßgeblich an diesem Album als Produzent und Musiker mitwirkte, einen immensen Anteil hat und für alle Stücken die Verantwortung trägt sowie beispielsweise für die seltsam schwebenden Klänge hinter dem die LP-A-Seite abschließenden „Maritime Radio“ verantwortlich ist.
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Leech, der anfangs in Straßen-Punk-Bands begann, sich dann maßgeblich mit einer sieben Alben umfassenden Musik-Ära im Folk-Duo THE LOST BROTHERS professionell verwirklichte, tritt erstmals mit „Cold Sea“ solistisch an. Sein Einfluss dominiert das Album, indem er die akustische Gitarre und seinen Gesang ins musikalische Zentrum rückt, aber der emotionalen Wirkung wegen zusätzlich auch auf Streicher und Tasteninstrumente setzt. Über allem schwebt hierbei seine klar verständliche Stimme, in der er über die Wirkung der Oktober-Sonne oder die Farben des Regens genauso singt wie über „Malin Gales“ oder besagtes „Trawbreaga Bay“.
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Natur und Landschaft – und was beides in dem Musiker OISIN LEECH auslöst – werden in Text wie Musik von ihm zum klangvollen Leben erweckt, das sich in sprachlichen Bildern und poetischen Songs verwirklicht, die allesamt eins in sich tragen: Die beruhigende Stimmung, welche von der irischen Nordküste ausgeht und die sich auf ein minimales Arrangement beschränken und darum gerade solch maximal-emotionale Wirkung beim Hörer auslösen.
Zum Mittelpunkt von „Cold Sea“ wird so neben „Colour Of The Rain“ auch „One Hill Further“, hinter dessen Entstehung sich eine besondere Geschichte verbirgt: „In der irischen Landschaft gibt es sowohl eine Dunkelheit als auch eine Schönheit - in diesem Lied umarme ich beide Seiten. Es ist dieser Kontrapunkt, der mich zu diesem Song inspiriert hat. Der Song handelt von der Tatsache, dass Veränderungen langsam passieren und dann eines Tages über einen hereinbrechen und einen überraschen; er berührt Themen wie verlorene Liebe, gewonnene Liebe, gehegte Liebe, Vaterschaft und Familie. In gewisser Weise ist es ein an das Meer gesungenes Klagelied über die Gewissheit der Liebe. Das Meer antwortet und bietet ein Gefühl der Zugehörigkeit.“
Genau diese von Leech für „One Hill Further“ beschriebene Stimmung durchzieht zugleich das gesamte Album.
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Um seine mit unter 30 Minuten viel zu kurz geratene LP (Obwohl es zu einigen Songs viel mehr Strophen gab – wie angeblich 'Trawbeagra Bay' mit anfangs 20 Strophen –, die Leech der LP wegen dann einkürzte!?) auch vom Klang her genau die Natürlichkeit und Wärme zu verleihen, die sich hinter seinen Liedern verbirgt, wurden bei den Aufnahmen sogar analoge Aufnahmegeräte und Bänder aus den 70er-Jahren verwendet.
Auch der Einfluss der durch die Pandemie ausgelösten totalen Stille hinterlässt noch Wirkung auf die Album-Stimmung sowie die Texte von Seamus Heaney und Leechs Beruf als studierter Dramatiker.
So wird „Cold Sea“ zu einem in sich geschlossenen Werk, das über die Schönheiten und Geheimnisse, die Glücksmomente wie die Ängste rund um die irische Nordseeküste singend die Geschichten erzählt, die der Singer/Songwriter sowie Dramatiker OISIN LEECH akribisch für sich und seine Hörer ausgewählt hat.
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FAZIT: Nicht immer liegt in der Kürze die Würze, denn das ruhige, warme, natürliche und bewegende Album „Cold Sea“ von OISIN LEACH, auf dem man mit jedem zärtlichen Ton und Text den Einfluss der nordirischen Küste, an der es entstand, heraushört, ist mit seinen 27 Minuten viel zu kurz geraten. Dabei ist die ruhige Folk-Stimmung samt der poetischen Naturtexte so, dass sie einen gefangen zu nehmen vermag, aber immer, wenn man das hübsche grüne Vinyl im sehr schön gestalteten LP-Cover plus bedruckter Innenhülle samt aller Texte nach kurzer Zeit wechseln oder neu starten muss, würde man doch nach diesem Album gerne ein wenig länger von den Schönheiten der nordirischen Küste samt dem „Cold Sea“ träumen.
Punkte: 11/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 07.03.2024
Oisin Leech, Steve Gunn
Steve Gunn, Oisin Leech, M Ward, Alan Comerford
Steve Gunn
Dónal Lunny (Bouzouki), Róisin McGrory (Streicher), Chris Vatalaro (Percussion)
Oiutside Music/Bertus
27:06
08.03.2024