<b>„Ich habe versucht, alles auf seine reine Essenz zu reduzieren, um das Songmaterial in seinem einfachsten Zustand zu zeigen und darauf solistisch zu reagieren. So erschienen die Aufführungen zwar weniger bombastisch, dafür aber in sich viel geschlossener.“</b> (Peter Hammill im achtseitigen „Been Alone So Long“-Booklet)
Der Untertitel der Doppel-CD „Been Alone So Long“ verrät schon alles: „The Naked Songs-Tour, Bremen 1985“. Logischerweise tritt der unangefochtene Kopf von VAN DER GRAAF GENERATOR auf seiner 1985er-Live-Tour, die ihn auch am Freitag, dem 8. März 1985, in die Bremer 'Schauburg' führte, nicht ohne Klamotten und pudelnackt auf, sondern eben ganz ohne Band komplett solistisch. Er, sein Klavier, die Gitarre und natürlich diese unglaublich charismatische Stimme, die gerade in diesen 'nackten Versionen' nicht nur in den Mittelpunkt der Musik rückt, sondern auch die unglaubliche Vielfalt und vokale Faszination zum Ausdruck bringt, dass einem schwindelig werden kann und eine nach der anderen Gänsehaut-Attacken angesagt sind.
Jeder Song ist und bleibt eben getreu des Album-Openers ein nach wie vor 'Guter Freund', der sich schlicht in seiner einfachen und damit ungeschönten oder progressiv aufgeblasenen Art und Weise zu einer von aller Elektronik und Bombast entschlackten Version entfaltet, die völlig neue Züge (auch in bester Singer/Songwriter-Manier) offenbart.
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Natürlich werden diejenigen, denen der bombastische Progressive Rock seiner Ur-Band besonders zusagt, sich im ersten Moment doch darauf gefasst machen müssen, dass gerade die instrumentale Seite durch seine Ein-Mann-Performance akustisch minimiert daherkommt, aber sie werden zugleich die ungeheuere Erfahrung machen dürfen, wie unglaublich progressiv, aggressiv, zärtlich, brutal und zerbrechlich, erzählend wie kreischend, flüsternd wie schreiend, bedrohlich wie umschmeichelnd die Stimme dieses Sängers klingt, den man schon nach den ersten zwei Tönen sofort erkennt und zuordnen kann.
Eine echte Besonderheit dieser Doppel-CD-Ausgabe ist zudem das achtseitige Booklet, da hier Hammill höchstpersönlich den Begleittext verfasste und in seinen Erinnerungen einen weiten Bogen schlägt, der eng mit der Stadt Bremen verbunden ist. Dieser erstreckt sich weit zurück ins Jahr 1970, als Hammill gemeinsam mit VAN DER GRAAF GENERATOR in der legendären Fernsehsendung 'Beat Club' (von dem er noch ein altes T-Shirt in höchsten Ehren hält) auftrat, welcher auf ihn und die Band tiefe Eindrücke hinterließ...
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…und dann natürlich dieser, nunmehr auf einer Doppel-CD verewigte rein solistische Auftritt im Rahmen der 'Been Alone So Long – The Naked Songs-Tour' des Jahres 1985.
PETER HAMMILL, der in den letzten Jahren speziell durch seine Zusammenarbeit mit ISILDURS BANE verblüffte, aus der mit <a href="http://musikreviews.de/reviews/2019/Isildurs-Bane--Peter-Hammill/In-Amazonia/" target="_blank" rel="nofollow">„In Amazonia“</a> und <a href="http://musikreviews.de/reviews/2021/Isildurs-Bane--Peter-Hammill/In-Disequilibrium/" target="_blank" rel="nofollow">„In Desquilibrium“</a> gleich zwei gelungene Alben resultierten, denen eben wiederum die (nunmehr im Vergleich zu diesen Live-Aufnahmen um etwa 35 Jahren gealterte) Stimme ihre Unverkennbarkeit und Großartigkeit verleiht, verblüffte in Bremen mit nicht nur der vokalen Leidenschaft, sondern speziell seiner Art des Singens/Schreiens/Jammerns/Jubilierens, die einen beim Zuhören den Eindruck vermittelte, hier ständen unterschiedlich singende wie agierende Schauspieler auf der Bühne, welche bis zur Perfektion ihre unterschiedlichen Rollen spielen bzw. singen würden. Spannung pur! Und Gleiches zieht Hammill auch an seinen beiden Instrumenten (ganz speziell dem Klavier) ab, deren Tasten wie Saiten er zwischen zärtlich bis hart ähnlich traktiert wie seine Stimmbänder.
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Und noch etwas ist ein riesiger Pluspunkt bei dieser Live-Doppel-CD – die Aufnahmequalität, welche die perfekt aufeinander abgestimmte Interaktion von Gesang und Instrument in kristallklarem Klang festhält, unterstützt von einem Publikum, das es tatsächlich beherrscht, ohne Zwischenrufe und Bemerkungen oder Gerede diesem einmaligen Auftritt zu folgen.
Einmalig?
Aber ja, denn der Hammill-Anspruch wurde gerade durch ihn klar definiert, selbst wenn er bei seiner „The Naked Songs“-Tour in 24 Städten quer durch Europa tourte: „This is now, and only now!“
Also: Jeden Auftritt spielte Hammill für den Moment, in dem er die Bühne betrat bis zu dem Moment, in dem er diese wieder verließ. Dazwischen konnte verdammt viel geschehen und das Überraschendste passieren. Genau so wie bei diesem Bremer Auftritt, der einem in seinen knapp 100 Minuten die Genialität eines Musikers offenbart, der auch ohne seine Band VAN DER GRAAF GENERATOR bzw. seine K GROUP das Wunder zu vollbringen vermag, sein Publikum mit seiner charismatische Art von der ersten bis zur letzten Minute in seinen Bann zu ziehen und am Ende in seinem „Labour Of Love“ zu verzaubern.
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FAZIT: Er ist nackt, aber nicht wie in dem Märchen vom König und seinen neuen Kleidern, der sich darin als Lügner und Schaumschläger entpuppt. Oh nein, PETER HAMMILL beweist auf „Been Alone So Long – The Naked Songs-Tour, Bremen 1985“, der in großartiger Qualität von MIG music veröffentlichten Doppel-CD, genau das Gegenteil dieses Märchens. Ohne seine Band VAN DER GRAAF GENERATOR oder die K GROUP erobert er völlig allein an Klavier und Gitarre und natürlich mit seiner unvergleichlichen Stimme, die alle Facetten des vokal Vorstellbaren zu bedienen in der Lage ist, die Bremer Bühne und legt ein Konzert der Extraklasse hin – das am Ende das Publikum nicht im kindlichen Märchen-Übermut etwa rufen lässt: „Der ist doch nackt!“, sondern: „Der ist unglaublich und faszinierend!“ Denn genau das ist dieses Konzert am Ende geworden, vor einem Publikum in Bremen, das sich nach diesem Konzert garantiert nicht mehr auf seinen Plätzen halten konnte. Und aus musikhistorischer Sicht gibt’s hier definitiv ein weiteres Goldstück aus dem MIG-music-Fundus, zu dem zugleich noch PETER HAMMILL selber den informativen Begleittext im dazugehörigen Booklet verfasste.
Erschienen auf www.musikreviews.de am 09.06.2024
Peter Hammill
Peter Hammill
Peter Hammill
MIG music
96:34
26.04.2024