<b>„Wir sind beide konsequent unseren Weg gegangen, abseits des Mainstreams, der uns nie interessiert hat. Was uns interessiert hat, war unsere musikalische Freiheit, unsere Authentizität und die individuelle Umsetzung unseres reichhaltigen Songrepertoires. Eigenes schaffen, nicht nur kopieren, gegen Schubladendenken anspielen und engstirnige Kritiker einfach ignorieren, das war und ist uns bis heute wichtig.“</b> (Richard Bargel, musikalischer Mitstreiter von Roland van Campenhout, zu dessen 80. Geburtstag)
Welch unerbittlicher Kämpfer er doch ist, dieser ROLAND VAN CAMPENHOUT, der mit nunmehr 80 Jahren sich nicht kleinkriegen lässt und in den letzten sechs Jahren ein gutes Album nach dem anderen veröffentlichte, auf denen er 2018 erst seine <a href="http://www.musikreviews.de/reviews/2018/Roland-Van-Campenhout/Folksongs-From-A-Non-Existing-Land/" target="_blank" rel="nofollow">Folk-Songs aus einem nicht exisitierenden Land</a> präsentierte, um dann 2019 <a href="http://www.musikreviews.de/reviews/2019/Roland-Van-Campenhout/Somewhere-In-The-Mountains/" target="_blank" rel="nofollow">irgendwo die höchsten Berge zu besteigen</a>, damit er 2022 endgültig <a href="http://www.musikreviews.de/reviews/2022/Roland-Van-Campenhout/Wonderful-Human-Beings/" target="_blank" rel="nofollow">die wundervollsten Menschen</a> zu entdecken versuchte.
Und nun, anno 2024, ist er also höchstpersönlich dem tiefen blauen See verfallen und stellt sich mutig wie verwegen bereits auf dem Album-Opener „Out On The Rolling Sea“ gleich knapp 10 Minuten lang dem wogenden Meer, wobei mal mit finsterer Blues-Stimme tiefe Moll-Töne genauso intoniert werden wie andererseits die hohen Töne mitunter dem Heulen eines Wolfes ähneln, bis er dann mit einem schwer psychedelischen Intro in „Turn Around & Take Me Home“ einen in die Sinne vernebelnden, berauschenden Klänge einhüllt, während der man zu schweben scheint. Van Campenhout durchbricht alle Blues-Psyche-Rock-Grenzen, die andere Musiker aus Angst vor Blamage oder Versagen erst gar nicht anzugehen wagen.
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Er, den viele Insider wie Musiker als auch Kritiker als „Legende, Phänomen und Kultfigur“ bezeichnen, wobei er doch ein belgisches Blues-Ur-Gestein ist, das eine außergewöhnliche Musikergeschichte aufweist, deren Stationen mit solch namhaften Musikern wie RORY GALLAGHER oder TIM HARDIN und LEO KOTTKE und vielen mehr verbunden sind, veröffentlichte am gleichen Tag, auf den sein 80. Geburtstag fiel (25. Juli), „Roland & The Deep Blue Sea“, um allen zu beweisen, dass – egal wie alt man ist oder aussieht (van Campenhout erinnert einen tatsächlich vom Äußeren her an ROBERT WYATT) – einem als Musiker das Alter tatsächlich nichts anhaben und man noch immer frisch, unverbraucht und sogar besser als häufig zuvor klingen kann sowie über eine Stimme verfügt, der kein Alter etwas anhaben kann.
Hierbei mutet es schon fast mit einer gehörigen Portion Ironie versehen an, wenn einer der längsten (über 10 Minuten), psychedelisch veranlagten Folk-Blues-Songs den Titel „Wake Up All The Death“ trägt. Eine Aufforderung des belgischen Psyche-Bluesers, diese vielen, oft zu früh verstorbenen Freunde besser aufzuwecken, als sich zu schnell auch in deren Reihe einzuordnen.
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Wäre ROLAND VAN CAMPENHOUT kein Belgier, wir würden ihm und seiner Musik ganz schnell nur zu gerne den Begriff 'Krautrock' verpassen können, denn was er hier auf den sechs Songs von „Roland & The Deep Blue Sea“ zum Besten gibt, von denen sich die ersten fünf allesamt zwischen acht und elf Minuten Spielzeit bewegen, ist eine bunt gepaarte Stilmischung voller kräutrig-psychedelischer Düfte, die sich spannungsgeladen über den Plattenspieler entfalten, sodass der Eindruck entsteht, wenn man die LP dem Gatefoldcover entnommen und auf den Plattenteller gelegt hat, dass einem nicht nur ein abgewogener, bestens ausgepegelter Sound, sondern auch jede Menge Duftschwaden entgegenwabern.
Eigentlich müsste ROLAND VAN CAMPENHOUT nicht nur einen Innovationspreis für seine Musik erhalten, sondern in einem Atemzug mit den DOORS oder VELVET UNDERGROUND genannt werden und ebenso legendär und bekannt sein wie diese oder ähnliche Bands es in den Siebzigerjahren waren. Ist er leider nicht – und würde es sicher auch niemals wollen.
Darum überlassen wir das hier abschließende Review-Wort einem seiner musikalischen Bewunderer und Mitstreiter, dem 73-jährigen Slidegitarristen und Sänger RICHARD BARGEL, der zudem noch als Komponist, Schauspieler, Autor und Fotograf aktiv ist sowie zudem 1969 der Mitbegründer der Künstlerkommune 'Tabernakel' war. Bargel formulierte aus Anlass des 80. Campenhout-Geburtstags ein paar mehr als aussagekräftige Beschreibungen dessen, was sein Freund noch immer musikalisch zu leisten imstande ist: „Da explodiert die musikalische Kreativität, rockt es laut, hart, auch leise und zart, streifen apokalyptische, psychedelische Visionen durch's Klangbild, reißen magische, schweißtreibende Beats uns in einen Strudel musikalischer Exzesse. So viel Musikalität! Darüber schwebt wie losgelöst sein unverwechselbarer Gesang, so ausdrucksstark, so fordernd, so besitzergreifend. Einfach grandios. Roll on, Roland, roll on!“
ROLAND VAN CAMPENHOUT ist und bleibt der 'Mitternachtsstern', der anderen nur zu gerne den Weg in Richtung außergewöhnlicher und hervorragender Musik weist, aber nie wie eine Sonne oder Hit-Sternschnuppe am Himmel (ver)glühen will, sondern alle aus seiner einzigartigen Nische anlächelt, aber, sowie ihn jemand von dort heraus ans Mainstream-Tageslicht zerren will, sich umdreht und demjenigen die Tür vor der Nase zuschlägt. Genau so bleibt sich Campenhout auch als 80-Jähriger – wie schon immer – absolut treu!
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FAZIT: ROLAND VAN CAMPENHOUT beglückt sich selber und die Freunde seiner grandiosen, abwechslungsreichen Musik mit diesem, genau zu seinem 80. Geburtstag am 25. Juli veröffentlichten Album. So wird auch „Roland & The Deep Blue Sea“ nach all seinen bisherigen Alben ein weiteres Werk des Belgiers mit der charismatischen Stimme, das an Kreativität wie Emotionalität kaum zu übertreffen ist. Kräutriger Blues und naturverbundener Folk, der von zartfühlend einschmeichelnd bis psychedelisch abgedreht alles zu bieten hat, was sich ein (in der Vergangenheit schwelgender) Musikliebhaber vorstellen kann. Höchste Zeit also, um in das tiefe blaue Meer abzutauchen, während van Campenhout sich einerseits als Leitfisch darin pudelwohl fühlt und andererseits erhaben wie der Mitternachtsstern über allem schwebt und den Weg weist. Alles Gute zum 80., Roland, und danke für dein Geschenk an uns!
Punkte: 14/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 07.08.2024
Mirko Banovic
Roland Van Campenhout
Bruno Fevery, Roland Van Campenhout
Serge Feys
Teun Verbruggen
Meyer Records/Bear Family Records
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25.07.2024