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Sonus Umbra: Whiteout

Stil: Progressive Rock, der sich einmischt

Cover: Sonus Umbra: Whiteout

<b>„Mein 'Whiteout' war ein mentaler Krebs, den man sich mit Augen und Ohren einfängt; ein Akt der Dominanz, der jeden für immer zum Schweigen bringen soll, der kein faschistischer Theokrat ist.“</b> (Luis Nasser von SONUS UMBRA)

Wenn Progressive Rock politisch wird und sich ein fetter überdimensionaler Sumoringer mit einem Trump-ähnlichen Gesicht vom Albumcover auf wie Ameisen wirkende kleine Menschen fallen lässt, um diese zu zerquetschen, dann brechen die amerikanischen Prog-Rocker SONUS UMBRA mit jeder Menge Tabus, welche die Prog-Szene so oft nur zu gerne für sich in Anspruch nimmt. Schon das verlangt einem Hochachtung ab. Denn nur auf freundliche Reaktion wird „Whiteout“ garantiert nicht treffen. Schließlich rechnet die Band auf ihrem siebten Studio-Album – das im Grunde eine Abkehr von ihrem bisherigen Schaffen ist, in dem auch Flöten und Streicher sowie Gesang immer eine große Rolle spielten – knallhart mit dem amerikanischen Zeitgeist, der unter der Trump-Ära zum Tragen kam, ab.

Womit wir gleich beim nächsten Tabu-Bruch wären: Die Musik auf „Whiteout“ ist (so gesehen) rein instrumental. Kein Gesang weit und breit – aber trotzdem besteht die dreiköpfige Band, die sich auf einigen Stücken von Gastmusikern (beispielsweise von ABEL GANZ oder LITTLE ATLAS und ÄNGLAGARD) unterstützen lässt, dass dies ein hochpolitisches Album ist.
Und ja, es ist tatsächlich extrem hochpolitisch, denn die zahlreichen Spoken-Word-Beiträge und Geräuschkollagen geben neben der Musik ein deutliches Bild davon ab, worum es auf „Whiteout“ geht: Die Erstürmung des Kapitols am Ende der Trump-Ära am 6. Januar 2021!

So entdecken wir beim genauen Hinhören beispielsweise ein KING CRIMSON-Zitat, das leicht abgewandelt im Grunde darauf verweist, dass der „21st Century Schizoid Man“ als '21st Century Nazi Man' dank Trump Realität geworden ist. Und ebenso dunkel oder aggressiv wie dieser Song erscheint zugleich der aktuelle SONUS UMBRA-Kosmos, der vordergründig auf dunkel-symphonischen Progressive Rock setzt, welcher oft mit jeder Menge Moll-Tönen, fetten Bässen, komplexen Drum-Patterns sowie floydianischen Gitarren-Soli daherkommt.

Im achtseitigen Booklet erklärt Luis Nasser ausgiebig die Absicht hinter dem Album – und mit diesem Hintergrund wird sofort klar, warum „Whiteout“ mehr auf komplexe Härte und gar improvisatorisch anmutenden Druck setzt – und auf Flötentöne sowie Streicher verzichtet, denn diese würden zur konzeptionellen Absicht einfach nicht passen: „Das Wörterbuch zeichnet ein klares Bild: Ein 'Whiteout' ist ein heftiger Schneesturm, ein Schneesturm, der es unmöglich macht, etwas zu sehen, sodass der Horizont und alle Merkmale des Geländes unsichtbar werden. In meinem Kopf fühlte sich der Sturm an, als würde ich von einem Schwarm von Lügen zerfetzt: von Propagandisten gesteuerte, korrumpierte Elektronik. Mein 'Whiteout' war ein mentaler Krebs, den man sich mit Augen und Ohren einfängt; ein Akt der Dominanz, der jeden für immer zum Schweigen bringen soll, der kein faschistischer Theokrat ist. In DIESER Ohnmacht ist die Lüge der Wahrheit immer einen Schritt voraus. Das war mein Leben in Amerika, 2020...“

Puh, das ist natürlich extrem harter Tobak, den uns Nasser hier verbal nahebringt. Doch genau diese Stimmung setzt die „Whiteout“-Prog-Soundcollagen-Klangkombination auf beeindruckende Weise um. Das ist ein Album, das nicht nebenbei gehört werden kann – nein, man muss ihm aufmerksam folgen, all die ungewöhnlichen Stimmungen (mal rein akustisch, dann wieder elektrifiziert und symphonisch) einfangen und sein Erschrecken beim Hören unter Kontrolle halten. „Whiteout“ ist keine wirkliche Unterhaltung, sondern eine Art musikalische Aufklärung mithilfe Progressive Rocks und Beiträgen aus Funk und Fernsehen, inklusive einiger Trump-Redepassagen, die sich zu einem Großen und Ganzen erheben – mit der Botschaft: Nach diesem Ereignis ist Amerika ein anderes Land, denn hier wurde nicht nur das Kapitol, sondern alle freiheitlichen wie demokratischen Grundsätze des Landes, in dem man vom Tellerwäscher zum Millionär werden kann, angegriffen und in gewisser Weise unwiederbringlich zerstört.

Wer das und die illustre wie ungewöhnliche Musik hinter SONUS UMBRAs Mega-Album aushalten und ertragen kann, dem wird eins der wohl ungewöhnlichsten Prog-Rock-Alben des Jahres beschert und vielleicht sogar ein Licht aufgehen, was konservativ eingestellte Amerikaner bei der Erstürmung ihres heiligen Wahrzeichens amerikanischer Freiheit und Demokratie empfunden haben müssen. Denn hier schwafelt eine Band nicht, wie es die Politik in aller Welt tut, sondern setzt reales politisches Geschehen in reale gefühlvolle Musik um, indem sie Nachrichten und progressive Klangwelten miteinander vereint, und beweist, wozu diese in der Lage ist...
Vielleicht sollten die Amis diese Vorgänge um die von Trump ausgelöste Kapitol-Erstürmung nicht in Lehrbüchern ihren jüngeren Generationen näherbringen, sondern mit diesem „Whiteout“-Album!
<br><center><iframe style="border: 0; width: 350px; height: 350px;" src="https://bandcamp.com/EmbeddedPlayer/album=3784880455/size=large/bgcol=ffffff/linkcol=0687f5/minimal=true/transparent=true/" seamless><a href="https://gotsonus.bandcamp.com/album/whiteout-hi-res-24-bit">Whiteout Hi Res (24 bit) von Sonus Umbra</a></iframe></center></br>

FAZIT: Lassen wir dieses Fazit bei solch schwerer Problematik und dieser extremen Umsetzung am besten gleich den Kopf hinter den amerikanischen Prog-Rockern SONUS UMBRA, Luis Nasser, ziehen: „'Whiteout' nimmt den Hörer mit auf eine Reise durch die turbulenten Zeiten der Erstürmung des Kapitols am Ende der Trump-Ära (6. Januar 2021) und schafft es, sie mit zwei Stücken der alten SONUS UMBRA-Mythologie zu verbinden, die eingefleischte Fans begeistern werden. 'Whiteout' selbst ist ein Maßstab in Sachen Sounddesign. Es ist eine kinematografische Reise aus komplexen Klanglandschaften, mitreißender Musik und den Stimmen vergangener Visionäre, die die Gegenwart, in der wir heute leben, gesehen und uns vor den Torheiten unserer Entscheidungen gewarnt haben. 'Whiteout' ist ein Fenster, durch das der Hörer die Gegenwart als Ergebnis der Gleichgültigkeit der Vergangenheit sehen kann. Es ist ein Plädoyer für Einigkeit, für die Abkehr von Stammesdenken und Personenkult und stattdessen für eine Zukunft, in der wir alle gedeihen können.“ Muss man noch mehr dazu sagen? Nein! Ein Album, das polarisieren wird, am Ende aber sicher als eine Art ungewöhnliches, tabubrechendes Meisterwerk in Sachen Progressive Rock und der SONUS UMBRA-Bandgeschichte in die Prog-Annalen eingehen wird.

Punkte: 13/15

Erschienen auf www.musikreviews.de am 25.08.2024

Tracklist

  1. Whiteout Part 1: Uprising Of The MAGAts
  2. Amnesia Junkies Part 3: Pax Aurantiaca Amentia
  3. Whiteout Part 2: Aurumboros
  4. Whiteout Part 3: Veterans Of The Incel Pixel War
  5. Imperfect Ally
  6. Whiteout Part 4: Incognegro
  7. Whiteout Part 5: Into The Maelstrom
  8. Insects Part 4: Vita Passcitur In Vita
  9. Whiteout Part 6: Anthropocene Blues
  10. Whiteout Part 7: Epilogue Or Requiem?

Besetzung

  • Bass

    Luis Nasser

  • Gitarre

    Tim McCaskey, Andy Tillotson, Aaron Geller, Pete Laramee

  • Keys

    Andy Tillotson, Luis Nasser, Steve Katsikas, Mattias Olsson, Alan Hearton, Brian Harris

  • Schlagzeug

    Andy Tillotson, Mattias Olsson, Jeff Laramee

  • Sonstiges

    Ramses Luna (Saxophone), Mara Kovacevic, Melodie Shaw, Averi Lynn Boid (Gesprochene Worte)

Sonstiges

  • Label

    Progrock.com Essentials/Just For Kicks

  • Spieldauer

    69:26

  • Erscheinungsdatum

    02.08.2024

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