Die progressive Rock-Windmühle aus Norwegen dreht sich wieder und richtet ihre Windmühlenflügel gehörig nach einer starken Brise der 1970er-Jahre und floydianischen wie camelschen und pendragonschen Böen aus, welche die Flügel immer und immer wieder noch etwas mehr antreiben, wobei auch ein tullsches Gebläse so einige Windrichtungswechsel herbeiführt, die sogar manchmal über den reich gedeckten Longtrack-Abendbrottisch von GENESIS wehen.
In erster Linie setzt der norwegische Sechser THE WINDMILL auch auf seinem vierten Album bewusst auf symphonischen Artrock- und Neo-Prog-Schönklang, der besonders von eingängigen Harmonien und ins Ohr gehenden Melodien lebt.
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Hierbei beweisen sie gleich mit einem sehr gelungenen, knapp 23 Minuten langen Longtrack ihr ganzes Progger-Können und zeigen zudem, wie nahe sie auch bei JETHRO TULL und/oder FOCUS sein können, wenn Morten Clason zur Querflöte greift, wobei sie sogar unüberhörbar ein paar „Supper's Ready“-GENESIS-Gedächtnis-Momente einflechten. So lebt das bedrückende „Fear“ von einem geschickten Floyd-Tull-Genesis-Wechselspiel und präsentiert außerordentlich spannend und für WINDMILL ungewohnt abwechslungsreich einen bedrückenden Text über Amnesien und Gedächtnisverluste (allerdings nicht solche, wie sie unser Kanzler runterplappert, wenn es um 'windige' Aktiengeschäfte geht - die hier traurig-emotional von THE WINDMILL besungenen, sind wirklich echt und nicht nur zweckentsprechend vorgespielt). So ordnet sich „Fear“ anno 2024 in der bereits 23 Jahre andauernden THE WINDMILL-Geschichte auf dem Song-Spitzenplatz der Norweger ein, wozu auch der rollenähnliche Gesang von Erik Borgen beiträgt.
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Auch dass THE WINDMILL die Ehre zuteil wurde, beim definitiv letzten 'Night Of The Prog'-Festival spielen zu dürfen, das zur Trauer vieler Progfreunde endgültig in diesem Jahr seine Pforten auf der Loreley schließt, spricht für die Anerkennung und Qualität der Norweger, die allerdings in ihrer Musik kaum auf die skandinavische Aura, sondern viel stärker auf den klassisch geprägten Brit-Prog sowie den melodischen Sympho-Prog setzen. So gesehen wird „Mindscapes“ zu einem wahren Freudenfest für die Prog-Gemeinde, der mehr die Harmonien sowie ruhigeren Momente und symphonischer Bombast, der nie vorhat, wirklich auszubrechen, am Herzen liegt, selbst wenn die Texte durchaus mitunter zu einer recht bedrückenden Herausforderung werden.
Und dass der letzten Song „Nothing In Return“ zudem wie eine fast wilde Kombination aus JETHRO TULL und DEEP PURPLE klingt, während der Irrsinn aus Hass und die Hoffnung auf Freiheit besungen wird („I hear the devil crying / I heard that God might hurt him too...“), sorgt für einen gelungen Abschluss – und sicher auch für den sofortigen Druck auf die Repeat-Taste, wenn man sich nur einmal von den progressiven Gedankenspielen der Norweger hat anstecken lassen.
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FAZIT: Nun sind die Norweger THE WINDMILL schon seit über 20 Jahren und (nur) vier Alben am Melo-Sympho-Neo-Retro-Prog-Ball und präsentieren mit „Mindscapes“ zwar ihr kürzestes (gut 40 Minuten), aber zugleich auch ihr bestes Album, das besonders die Freunde von CAMEL bis JETHRO TULL begeistern wird. Auch wenn musikalisch bewusst auf Harmonie und ruhigere Momente gesetzt wird, so ist das spannende Wechselspiel der Musik eine echte Stärke dieser Geisteslandschaft, von der man sich gerne gefangen nehmen lässt, weil man keinerlei bösen Überraschungen darin zu erwarten hat, selbst wenn die Texte, die sich beispielsweise um Gedächtnisverlust oder die Verletzungen einer ausgesprochenen Wahrheit drehen, durchaus bedrückendes Potenzial besitzen.
Punkte: 11/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 29.07.2024
Arnfinn Isaksen
Erik Borgen
Stig André Clason, Erik Borgen, Emil Olsen
Jean Robert Viita
Kristoffer Utby
Morten Clason (Saxophone, Flöten, Harmoniegesang), Jean Robert Viita (Harmoniegesang)
Crime Records/Just For Kicks
40:33
28.06.2024