Eigentlich war 1982 ein ziemlich verflixtes Jahr, das der Popmusik mit den wildesten wie langweiligsten und absurdesten Wellenbewegungen auf Kosten handgemachter oder ausufernder Rockmusik genau das Oberwasser bescherte, mit dem wir heute noch in vielen Radiostationen Tag für Tag – oft unter dem Slogan: 'Das beste aus den 80ern!', massiv genervt werden. Auch ein TOM PETTY blieb von dieser musikalischen Entwicklung nicht unbeschadet zurück und haute beispielsweise mit „You Got Lucky“ oder „Change Of Heart“ und „Straight Into Darkness“ gleich drei wellige Hits raus – und <a href="http://www.musikreviews.de/reviews/2020/Tom-Petty/Wildflowers--All-The-Rest/" target="_blank" rel="nofollow">die 12 Jahre später gigantisch erblühenden Wildblumen</a> waren anscheinend noch Lichtjahre entfernt.
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Immerhin war das Album, auf dem sich diese Hits vereinten, schon Pettys viertes. Es trug den zwar düsteren Titel „Long After Dark“, hörte sich aber nicht wie lange nach Einbruch der Dunkelheit an, sondern kam mit einem hit-poppigen Sonnengemüt und ein paar rockigen Momenten daher, denen sich die rhythmusbetonte, gerne tanzende Pop-Fraktion kaum entziehen konnte. So lange der Rhythmus – mal schneller, mal verhaltener, mal balladesk – stimmte, passte das schon. Ob das auch heute noch so ist, wird wohl die große Frage sein, wenn man diese fein neu remasterte und erweiterte „Deluxe Version“ von „Long After Dark“ als Doppel-LP auf seinem Plattenteller rotieren hat.
Vor über 40 Jahren war „Long After Dark“ jedenfalls für Petty ein echter Erfolg, da es in die Top 10 in den Billboard Charts kletterte und zudem den Goldstatus erreichte. Dazu drei veritable Hits, die in den Billboard Charts landeten, wovon „Change Of Heart“ seine Inspiration aus dem 1972er-THE MOVE-Song „Do Ya“ zog, während bei dem erfolgreichsten Song „You Got Lucky“ überraschenderweise nicht die für TOM PETTY AND THE HEARTBREAKERS typischen Gitarren in den Mittelpunkt rückten, sondern die (in den 1980ern besonders beliebten) Synthesizer – und außerdem ein Gitarrensolo enthält, bei dem sich Petty von der Filmmusik eines ENNIO MORRICONE beeinflussen ließ. Zu dem Erfolg des Songs trug garantiert auch das futuristisch gestaltete Video bei.
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Die erste LP ist also so gesehen 'Schnee von gestern', der nach dem Remster aber vom Klang her besonders schön erstrahlt und keinesfalls unterkühlt wirkt.
Was aber ist das Besondere an der Deluxe Version?
In diesem Sinne gibt’s so einiges zu entdecken, was bereits bei der aufwändigen Gestaltung im Gatefoldcover plus langer, von David Fricke verfasster, Story im Inneren beginnt, sich über die beiden, mit allen Texten und vielen Fotos bedruckten, Innenhüllen fortsetzt und natürlich bei der komplett neuen zweiten LP voller hochwertiger neuer oder andersweitig aus dieser Zeit stammenden Songs endet: Als da wären Songs, die in der Debatte um die ursprüngliche Ausrichtung des Albums nicht berücksichtigt wurden und worüber sich Petty selber sehr enttäuscht zeigte, da er diesen Songs eigentlich einen sehr hohen Wert beimaß: „Es gab Musik, die für 'Long After Dark' aufgenommen wurde, die es aber nicht auf die Platte geschafft hat, von denen ich aber dachte, dass sie es zu einem besseren Album gemacht hätte. Ich habe damals vier Sachen weggelassen, die ich sehr mochte. Und wahrscheinlich noch ein paar mehr, die gar nicht erst aufgenommen wurden.”
Nun also sind 'die vier Sachen' drin – und zwar auf der Deluxe-Bonus-LP.
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Zugleich gehören zu den Highlights der 12-Song-Bonus-LP Pettys Version von „Never Be You" (ein Top1-Country-Hit von Rosanne Cash) sowie die klare Ansage „Don't Make Me Walk The Line" und die Up-Tempo-Version von „Ways To Be Wicked", das zuvor von Lone Justice gecovert wurde. Am Ende beweisen TOM PETTY AND THE HEARTBREAKERS mit dem TROGGS-Cover „Wild Thing“ sogar noch, was für 'wilde Typen' sie doch sind und die Disco-Welle durchaus stellenweise auch an ihnen vorbeirollte.
Besonders reizvoll sind aber auch die fünf ausgezeichnet klingenden Aufnahmen aus den französischen TV-Sessions und eine spannende akustische, mit zusätzlichen Drums versehene, Version von „Turning Point“, während die Extended Version von „Heartbreakers Beach Party“ auch den Sinn für Humor von TOM PETTY AND THE HEARTBREAKER untermauert.
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FAZIT: „Long After Dark – Deluxe Edition“ ist nach über 40 Jahren eine interessante wie spannend remasterte Neuauflage des Albums von TOM PETTY AND THE HEARTBREAKERS aus dem Jahr 1982, das in dieser Form als Doppel-LP eine komplette Bonus-LP enthält, die ganz den Wünschen von Petty entspricht und neben den Songs, die es 1982 nicht auf die LP schafften, auch Extended Versionen und die Band-Aufnahmen aus dem französischen Fernsehen enthält. Das alles schön gestaltet im Gatefoldcover und mit reichhaltig bedruckten sowie mit Fotos versehenen Innenhüllen, die alle Texte und die Geschichte rund um dieses Album enthalten. Da kommen alle Freunde eines TOM PETTY einfach nicht daran vorbei...
Erschienen auf www.musikreviews.de am 25.10.2024
Howie Epstein, Ron Blair
Tom Petty
Tom Petty, Mike Campbell
Benmont Tench, Tom Petty, Mike Campbell
Stan Lynch, Phil Jones
Howie Epstein, Benmont Tench, Stan Lynch (Harmoniegesang)
Geffen/Universal Music
80:55
18.10.2024