„Elles“ ist das zwölfte Album der südkoreanische Sängerin Youn Sun Nah seit 2001. Seitdem bereichert sie den Jazz um eine äußerst einprägsame Stimme. „Elles“ beinhaltet laut Youn Sun Nah „eine Sammlung von Coversongs“. Die eins gemeinsam haben: Sie sind eng mit Komponistinnen oder den jeweiligen Interpretinnen verbunden. Eine Ausnahme ist „My Funny Valentine“, dessen formidablen Variationen kaum einem bestimmten Interpreten oder einer Interpretin zugeschrieben werden können. Zwischen Miles Davis und Nico ist viel Raum.
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Youn Sun Nah erzeugt ihre eigene Sphäre, insofern gewinnt auch ein eigentlich totgespielter Song wie „My Funny Valentine“ durch die einfühlsame Interpretation der Künstlerin, die auf „Elles“ von dem Keyboarder Jon Cowherd begleitet wird. Das heißt so ganz stimmt das nicht, denn im Kleingedruckten findet sich mit Tomek Mienowski ein weiterer Keyboarder, der zusätzlich auf „White Rabbit“ (ein Höhepunkt des Albums) eine sachte Gitarre spielt. Hervorragend auch „I‘ve Seen That Face Before“, das die Laszivität von Grace Jones Interpretation besitzt, aber weit mehr im beseelten Jazz verhaftet ist.
Auch Björk fällt als Stichwortgeberin ein wenig aus der Reihe, doch ist es eigentlich egal, welcher Vorlagen Youn Sun Nah sich annimmt, sie gewinnt ihnen eigene Aspekte ab. Ihre warme Stimme, der sanftes Säuseln ebenso liegt wie kraftvolles Intonieren, sorgt, neben der sparsamen, aber pointierten Instrumentierung für Gänsehaut-Atmosphäre.
Selbst die akrobatische Scat-Einlage bei Maria Joãos „Coisas Da Terra“ wird konzentriert, aber nicht angestrengt vorgetragen. Das ist hohe Kunst, was man neidlos auch als Scat-Agnostiker anerkennen kann. Besonders einprägsam sind auch das intensive Spiritual „Sometimes I Feel Like A Motherless Child“, das zur Stimme nur mit dem E-Piano-aufwartet und der Abschluss „Killing me Softly Wih This Song“, das Youn Sun Nah ebenfalls auf seine Essenz herunterbricht, und nur von einer Spieluhr begleitet, so geisterhaft wie eindringlich als atmosphärische Beschwörung inszeniert.
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FAZIT: „Elles“ ist ein Cover-Album wie man es sich wünscht. Eine großartige Interpretin, die sich wertgeschätzten Künstlerinnen widmet, um deren Songs ganz individuell zu interpretieren, ohne sie zu zerstören. Die Gesangsleistung von YOUN SUN NAH ist ein nachtblau funkelnder Traum.
Punkte: 12/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 13.02.2024
Youn Sun Nah
Tomek Mienowski
Jon Cowherd, Tomek Mienowski
Youn Sun Nah (Kalimba, Spieluhr)
Warner Music Arts
40:50
26.01.2024