<b>„This music is dedicated to all sentient beings may we all find inner peace. = „Diese Musik ist allen fühlenden Wesen gewidmet, mögen wir alle inneren Frieden finden.“ =“</b> (Widmung auf „Infinity“)
Wenn unser Kollege Dominik Meier <a href="http://www.musikreviews.de/reviews/2024/Violette-Sounds/Infinity/" target="_blank" rel="nofollow">im Fazit seiner Review zur (um 20 Minuten längeren) CD-Ausgabe dieses sehr spirituell angehauchten Albums von VIOLETTE SOUNDS</a> feststellt, dass „Infinity“ sich als „ein an einigen Stellen knorriger als gedachtes, progressiv-verwachsenes Klangkraut“ beweist, dann bringt er genau das, was einen bei dem aktuellen Werk des Herzenprojekts des deutsch-belgischen Schlagzeugers Karl Henneberg erwartet, perfekt auf den Punkt. Es krautet und knorrt an allen Stellen und rüttelt musikalische Erinnerungen an andere Musiker und Bands durch. Das beginnt bereits am Anfang auf „Panchen Lama“ mit URIAH HEEP oder DEEP PURPLE, setzt sich dann auf „Who Are You?“ überdeutlich Richtung NICK CAVE fort und wildert daraufhin mitunter durch Singer/Songwriter-, Progressive-Rock-, Alternative- und gar Electronic- bis hin zu Pop-Stilen, dass es beim Hören eine wahre Freude ist, sich auf das bunte Durcheinander einzulassen.
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Allerdings könnte man bei dem einen oder anderen Wechselspiel auch überfordert sein, gerade wenn beim Titelsong der Eindruck entsteht, hier hätte ein etwas schräg singender Japaner seine Hände und Stimmbänder mit im hymnischen Spiel.
Ach ja! Der Gesang...
Der wirkt tatsächlich etwas seltsam. Mal schamanisch gebetsartig, wie in „Milarepa Duo“, dann wiederum – wie bereits erwähnt – asiatisch oder in den spannendsten Momenten mit einem Hang zu NICK CAVE. Hier wird zudem gejault und geheult, gesprochen und gelautmalert, dass es wahre Freude wie tiefes Leid auslösen kann. Seltsames trifft auf Eingängiges und schmiedet dabei eine geheimnisvolle Verbindung, hinter die man entweder zu schauen und hören versucht oder sich überfordert kopfschüttelnd, spätestens wenn mit „In The Land Behind Your Mind“ auch noch eine schräge weibliche Singstimme, die noch dazu mit den männlichen Vokalisen eine noch schrägere Vereinigung eingeht, samt diverser Flötentöne, die dann von einer Geige abgelöst werden, hinzukommen, abwendet. Selbst wenn nach ein paar Minuten dann bewusst in floydianischen Gefilden gewildert wird, hinterlässt gerade dieser Song ein, nennen wir es mal etwas 'mulmiges' Hörgefühl und die Frage: „Ist das Absicht oder können die's nicht besser?“
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Dass dieses eigenartige Stück dann auch noch ausgeblendet wird, erscheint da fast logisch und ruft nicht gerade Begeisterungsstürme hervor.
Darum ein paar deutlichere Worte zu dem Sänger Loten Namling, der den vokalen VIOLETTE SOUNDS-Kosmos bereichert oder verfinstert – das ist tatsächlich pure Ansichtssache, die sich allerdings maßgeblich auf dieses Album auswirkt. Denn Namling ist ein Exil-Tibeter, Aktionskünstler und Freiheitskämpfer, der vielmehr in der Weltmusik- als in der Prog-Rock-Jazz-Fusion-Szene wie die deutsche Band zuhause ist. Daher klingen die Gesänge so offensichtlich tibetanisch mit deutlich psychedelischer wie auch philosophischer Note aus der konzeptionellen Textabsicht heraus, denn es geht rundum um die Befreiungskämpfe der Tibetaner, wobei sich der Album-Opener „Pancha Lama“, dessen Grundlage ein tibetanisches Gedicht ist, um den im Alter von 6 Jahren im Jahr 1995 entführten Gendün Chökyi Nyima, den eigentlichen Panchen Lama (ähnlich wie der Dalai Lama), dreht.
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Mit diesem Hintergrund fusionieren VIOLETTE SOUNDS ihren progressiven wie krautigen Psyche-Jazz-Rock mit tibetischer Musik. Da lassen dann durchaus auch schonmal GURU GURU oder AMON DÜÜL und KIN PING MEH grüßen – nur dass der singende VS-'Prediger' eben nicht aus dem verkrauteten Deutschland, sondern dem buddhistischen Tibet kommt.
Und wenn dann mit Sprechgesang auch noch der „Birthday Song“ (samt dem Hinweis, dass man in Tibet erst ab dem fünften Lebensjahr seinen Geburtstag feiert) ein paar göttliche Botschaften unters Hörervolk mischt und den insgesamt schon etwas gestörten Gesamteindruck fortsetzt, dann hilft am Ende auch die kurze instrumentale, wiederum blöd ausgeblendete „Infinity Reprise“ nicht mehr, das Album wirklich zu retten, dem als Vinyl-Version zugleich die vier zusätzlichen Instrumentals der CD fehlen, in denen VIOLETTE SOUNDS an ihre alten Jazz-Rock-Traditionen anknüpft.
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Im Gegensatz zur CD, welche noch die vier weiteren (wohl recht interessante und improvisierte) Instrumentals enthält, endet die LP-Version (in der es zusätzlich einen LP-Einleger mit allen Texten und den Song-Hintergründen gibt) mit der Reprise und einer Widmung an alle Wesen, die etwas empfinden können, verbunden mit dem Wunsch, dass wir alle unseren inneren Frieden finden.
Eine sehr hehre Absicht und zugleich zutiefst spirituell wie das gesamte Album, das eben nicht nur auf die Musik, sondern auch die Botschaft dahinter setzt. Wirklich ehrenwert. Doch wen man heutzutage damit erreicht, bleibt offen. Leider wohl viel zu wenige – und diejenigen, die sich in ihrer digitalen Medienblase befinden, sowieso nicht. Der Dalai Lama aber müsste als wichtigster und zugleich humanistischster Vertreter des tibetischen Buddhismus ausnahmsweise lautstark (Obwohl seine Aura ja die der Stille und Meditation ist!) zu „Infinity“ Beifall klatschen. Und damit würden sich wohl VIOLETTE SOUNDS mehr als glücklich schätzen.
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FAZIT: Es ist zwar bereits das Album Nummer 3 von VIOLETTE SOUNDS, aber das erste mit dem sehr ungewöhnlichen wie gewöhnungsbedürftigen Sänger und Texter Loten Namling, ein Exil-Tibeter, der mit seinen Texten und dem Gesang dem ursprünglichen Krautrock der Band einen spirituelle wie politischen Aspekt einbringt, in dem der tiefgläubige Buddhist sich offen gegen die chinesische Vereinnahmung der tibetanischen Tradition, Glauben und Kultur stellt und unmissverständlich feststellt: „Unsere Identität konnten sie uns zum Glück nicht rauben!“ Damit ist auch klar, weswegen das Album auf den Titel „Infinity“ (Unendlichkeit) hört. Ein gewagtes, nicht immer gelungenes Unterfangen, dem sich VIOLETTE SOUNDS hier mit ihrer spirituell neuen Ausrichtung hingeben, auch wenn sie deutlich bemüht sind, ihre alten krautigen Jazz-Rock-Qualitäten zu bewahren.
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Erschienen auf www.musikreviews.de am 09.07.2024
Uwe Böttcher
Loten Namling
Henri Thönnissen
Moritz Schippers, Moritz Schippers
Karl Henneberg
Uwe Böttcher (Bratsche, Geige)
SPV
40:40
26.04.2024