Im klassischen Fanzine-Format DinA5 liegt im Frühjahr 2024 bereits die vierte Ausgabe des WALDEINSAMKEIT DRUCKWERKs vor, welches nicht nur namentlich an das derweil eingestellte Waldhalla-Fanzine erinnert, sondern seine Aufwartung ästhetisch und inhaltlich mit ähnlichem Fokus auf Underground-Black-Metal und Wesensverwandtes macht.
Zu Wort kommen in dieser Ausgabe Depressive Silence, Rauhnacht, Skratte, Ungfell und Zwischenwel… lichten, wobei das Interview mit Nico vom letztgenannten Projekt das umfangreichste ist, während die übrigen Plaudereien eher kurz ausfallen – zweifelsohne lässt das Fanzine-Format deutlich mehr Persönliches zu. So hätte ich mir beim Gespräch mit Menetekel von Ungfell die eine oder andere Nachfrage gewünscht, zum Beispiel, aus welchen sagenhaften Quellen er sich bedient, wenn die Schweizer Sagen in der heutigen Schweiz "keine wichtige Rolle mehr spielen".
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Dass Herausgeber Jonathan Surek (musikalisch aktiv u.a. mit Cineastre, Kampfeswut, Runenberg und Schundmären) bereits auf dem Deckblatt verkündet, dass auf den folgenden Seiten auch "Schabernack" auftaucht, verleiht dem ansonsten tief romantischen Rahmen etwas Entspanntes und steht dem Fanzine gut zu Gesichte. Dass die beschworene Waldeinsamkeit heuer oft ein frommer (?) Wunsch bleibt, wird bei der Lektüre offensichtlich. "Es wäre vermessen zu behaupten", so Nico von Zwischenlichten, "ich wäre nicht im selben Maße wie viele Menschen unserer Zeit in einen Büroalltag eingebunden, der uns die meiste Zeit an Innenräume bindet. Was unsere Außendarstellung anbelangt, tut uns sicherlich allen von Zeit zu Zeit ein Reality Check ganz gut." Womit der musikalische Dichter wohl Recht hat…
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Unbedingt lesenswert ist der 1980 verfasste Text einer Rede zum Volkstrauertag von Jonathans Großvater, der erst kürzlich in einem Umzugskarton entdeckt wurde, und den Jonathan in dieser Ausgabe abdruckt. Darin heißt es: "Dieser Tag soll uns zwingen, immer wieder daran zu denken, wie sinnlos das Opfer durch Kriege und ihre Auswüchse in aller Welt ist. Denn die Menschen sterben nicht für das Vaterland. Dafür sind wir Nachkriegsbürger in unserer heutigen Konsumgesellschaft, in der es uns an nichts mangelt, nach zwei verlorenen Kriegen der beste Beweis. Sie sterben für die wahnwitzigen Ideen, für das Machtstreben, für die Eroberungspläne Einzelner oder kleinerer Gruppen." 44 Jahre später hat diese eindringliche Rede kaum an Aktualität eingebüßt, und die Entscheidung, sie im WALDEINSAMKEIT DRUCKWERK zu veröffentlichen, stößt beim Rezensenten auf Sympathie.
Einige Rezensionen ausgesuchter Tonträger, Konzertberichte und Gedichte runden das vierte WALDEINSAMKEIT DRUCKWERK ab, das im Tonfall zum Enthusiasmus neigen kann, sprachlich manchmal eher ungeschliffen holterdipoltert. Das 44-seitige Fanzine schmeichelt Augen und Händen mit sauberem Farbdruck auf vergleichsweise schwerem Papier und hat meine Aufmerksamkeit auf die Illustrationen eines jungen Künstlers gelenkt, der unter dem Pseudonym Criquelacraque phantastischen Gestalten mit feiner Feder mal finster, mal humorvoll Leben einhaucht.
FAZIT: Es liegt in der Natur der Sache, dass ein Fanzine namens WALDEINSAMKEIT DRUCKWERK ziemlich hinterwäldlerisch wirkt. Getragen vor allem vom romantischen Feuereifer des jungen Herausgebers, kann dem kleinen Heft ein etwas offenerer Ansatz in Zukunft kaum schaden. Grundsätzlich ist mir seine Herangehensweise nicht zuletzt deshalb sympathisch, weil sie mich an die eigenen Fanzine-Frühwerke erinnert.
Erschienen auf www.musikreviews.de am 24.03.2024
Jonathan Surek
Eigenveröffentlichung
44 Seiten
17.03.2024