Wer progressiven Jazz Rock liebt und nicht dieses musikalische ZZEBRA besteigen will (Weil er es vielleicht gar nicht kennt!?), dem ist nicht mehr zu helfen. Oder besser noch: Der ist nicht mehr zu retten! Und das liegt nicht nur daran, dass der- oder diejenige die leider viel zu kurze Haltbarkeitsdauer dieser Brit-Prog-Jazz-Rocker Mitte der Siebzigerjahre nicht mitbekommen oder wahrgenommen hatte, sondern dass einem mit ZZEBRA auch die faszinierende Fusion von Jazz, Progressive Rock, Funk und afrikanischen Rhythmen entgangen ist.
Anno 2023 und nach dieser dank MIG music veröffentlichten CD „Hungry Horse – Live In Germany 1975“ darf man all seine Prog-Jazz-Rock-Lücken rund um dieses Doppel-Z-gestreifte Wunderwesen, das neben dem (Z)Zebra von seiner musikalischen Farbvielfalt auch deutlich Chamäleon-artiges in sich trägt, endlich schließen – und dabei begeistert sein.
COLOSSEUM und CHICAGO oder BLOOD SWEAT & TEARS sowie (selbstverständlich) IF, die phänomenale Jazz-Funk-Rock-Formation der Frühsiebziger aus England, scheinen sich auf diesem großartigen Live-Album der gänzlich unbekannt gebliebenen britischen Jazz-Rock-Band die musikalischen Hände zu reichen und dabei eine total begeisternde Symbiose unter dem Namen ZZEBRA (Nur echt mit dem 'Doppel-Z'!) zzu zzelebrieren.
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Doch so unbekannt wie sie auf den ersten Blick erscheinen sind ZZEBRA dann doch nicht, selbst wenn sie, die eigentlich als Jazz-Rock-Supergroup gehandelt werden sollten, unter diesem tierischen Namen keinen Erfolg hatten, so gingen ihre Bandmitstreiter doch aus Musikern <a href="http://www.musikreviews.de/reviews/2017/If/If-1970--180g-remastered-Vinyl/" target="_blank" rel="nofollow">besagter IF</a> hervor, welche sich kurz zuvor nach sieben Alben im Jahr 1975 aufgelöst hatten. Und diese taten sich mit Musikern der damals ebenso bekannten OSIBISA oder der IAN GILLAN BAND zusammen, um nunmehr das ZZEBRA loszulassen.
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Zum Glück wurde diese feine Band aber auch in Deutschland nicht übersehen und überhört, sodass sie für den 20. Oktober 1975 eine Einladung nach Bremen erhielten, um dort in der Bremer Postaula aufzutreten. Alle Fans oben besagter Bands dürfen sich nun glücklich schätzen, denn dieses Konzert wurde in hervorragender Stereo-Sound-Qualität von Radio Bremen mitgeschnitten und erblickt hier erstmals (!!!) das Licht der Musikwelt – und trifft hoffentlich auch ab sofort auf jede Menge offene Ohren. Denn es lohnt sich, das zu genießen, was da vor fast einem halben Jahrhundert in der Bremer Postaula auf der Bühne abging.
Noch dazu scheint gerade diese Live-Aufnahme auch aus historischer Sicht sehr bedeutungsvoll zu sein, zumindest wenn man der Aussage ihres flötenden Saxophonisten und ehemaligen IF-Musikers David Qunicy vertraut, der feststellte, dass dieses Konzert, bei dem sie sogar eine spannende Cover-Version des balladesken Dauerbrenners „You've Lost That Loving Feeling“ der RIGHTEOUS BROTHERS zur Aufführung brachten, das letzte vor der Auflösung von ZZEBRA war.
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Aber auch Bassist John McCoy, der übrigens unter anderem aktiv in der IAN GILLAN BAND oder bei CURVED AIR und ATOMIC ROOSTER war, ließ sich folgenden Kommentar zum Konzert nicht nehmen: „Dies war ein solcher Abend mit seinen typischen Hoch- und Tiefpunkten. Wir haben improvisiert, sind musikalische Risiken eingegangen und wir hatten einfach zusammen eine echt geile Zeit auf der Bühne.“
Nur stopp – nach echten Tiefpunkten sucht man bei diesem Konzert vergeblich. Es versprüht eine herrlich dynamische Atmosphäre und räumt jedem Musiker seine Freiräume – auch für die verblüffendsten Soli – ein und sprudelt dann am Ende bei dem 17-Minüter „Hungry Horse“ vor Kreativität und Improvisationskunst wahrhaft über.
Bemerkenswert ist auch das umfangreiche 12-seitige Booklet, welches im Jewelcase zu entdecken ist und neben dem informativen englischsprachigen Text sowie den Musikerfotos sogar zwei deutschsprachige Zeitungsartikel enthält, die unter den Überschriften „Nicht nur ein Lückenbüßer – Englische Jazz-Rock-Gruppe ZZEBRA erhielt viel Zustimmung“ und „Jazzrock mit vielen Abstechern“ über das Konzert umfangreich (und von dessen Qualität ernsthaft überrascht) berichten und denen man anmerkt, dass die beiden Schreiber durchaus so ein paar Berührungsprobleme mit der ungewöhnlichen Musik haben und der 'Weser Kurier' am 22. Oktober 1975 das Fazit zieht: „Insgesamt wurde bei der klar gegliederten, nie schwammig werdenden Musik die Betonung auf das Zusammenspiel gelegt. Nur gegen Ende des Auftritts erhielten einige Musiker Gelegenheit zur Solodarbietung. Eine reizvolle Begegnung mit einer Gruppe, die man wieder hören möchte.“
Genau dieser Wunsch ging dann für fast 50 Jahre nicht mehr in Erfüllung. Bis heute! Doch nun ist es so weit, dass dieses 'Wiederhören' dank der historischen, soundstarken Live-Aufnahme erstmals überhaupt von einem Tonträger möglich ist.
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Darum hier unser FAZIT: Dieses ZZEBRA – mit ehemaligen Musikern von IF und OSIBISA – kackt einem nicht die Bude voll, sondern verwöhnt unsere Ohren mit einer tierischen Fusion aus progressivem Jazz-Rock, der gerne auch weltmusikalische Percussion-Arbeit sowie fette Funk-Einlagen feilbietet, dass einem beim Hören regelrecht schwindlig werden kann und man mitunter den Eindruck gewinnt, mal wieder das musikalische COLOSSEUM zu betreten. Noch dazu hat MIG music hier ganze Arbeit geleistet, indem das Label zum ersten Mal überhaupt nach fast 50 Jahren diesen Live-Mitschnitt aus der Bremer Postaula in großartiger Sound-Qualität (Eben weil Radio Bremen das Konzert aufnahm!) plus umfangreichem Booklet veröffentlicht. „Hungry Horse – Live In Germany 1975“ sprudelt vor Ideen und Improvisationen sowie dem absolut spielerischem Können jedes einzelnen der insgesamt sieben Bandmitglieder regelrecht über. Einziger Wermutstropfen: Kurz nach diesem Konzert löste sich ZZEBRA auf, sodass mit dieser Aufnahme nur noch eine schöne Erinnerung an diese britische Jazz-Rock-Band übrigbleibt, die eigentlich nach nur zwei Studio-Alben und nunmehr dieser ersten und einzigen Live-CD eine grandiose Zukunft hätte vor sich haben müssen.
Erschienen auf www.musikreviews.de am 01.01.2024
John McCoy
Alan Marshall, Lasisi Amao, Tommy Eyre
Steve Byrd
Tommy Eyre
Liam Genockey
David Qunicy (Saxophone, Flöten), Lasisi Amao (Saxophone, Percussion)
MIG music
58:43
17.11.2023