Ob ABRAHAM mit „Idsungwüssä“ Lebensschöpfung im Sinne des Bibelvaters propagieren, darf bezweifelt werden. Denn dazu klingt die Musik der Schweizer zu pessimistisch. Viel eher wirkt dieses Album wie eine künstlerische Ode an die Apokalypse, ein finaler Abgesang auf die Menschheit, die drauf und dran ist, sich selbst auszulöschen.
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Dabei zieht sich ein stetes Unbehagen als roter Faden durch die etwas mehr als einstündige Musiktortur, der sich die Band hier hingibt.
Stücke wie „I Am the Vessel and the Vessel Is Me“ wirken bis zum Bersten angespannt, schichten bedrückende Reizpunkte über kraftvolle Grooves, während die Gitarren unbehaglich rauschen und Sänger/Schlagzeuger Dave Schlagmeister beschwörend flüstert und raunt.
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„A Discomposite Shell“ geht mit marginaler Black Metal-Referenz noch einen Schritt weiter, klingt zermürbend und vermag den Hörergeist bisweilen regelrecht zu erschüttern.
Noise-Rock als Katharsis?
Ob ebenjene Erlösung letztlich eintritt, ist im Albumkontext fraglich, aber das lärmende Element, das emotionales Licht ebenso erstickt, wie es seinen Schatten voll zur Geltung bringt, hat durchaus etwas Eskapistisches.
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Mit „Naked in a Naked Sky“ besingt die Band die Nicht-Existenz von Liebe und Kommunikation im Zustand völliger Hoffnungslosigkeit. Der Bass scheint sich passenderweise aufzubäumen, während die Musik einer unvorhersehbaren Dynamik folgt, die sich zum Ende hin in purer Verzweiflung suhlt.
„Suurwäut“ nimmt diesen emotionalen Faden auf und verpackt ihn in etwas Mystisches, das zuvorderst dem Dialekt-Gesang geschuldet ist. Gleichzeitig bietet die Dynamik des Songs reichlich Raum für schmerzhafte Bilder und Gedankenspiele, die sich im atmosphärischen Klangrausch von „06.00.40U“ und dem Zwischenspiel „En Tüüfus Tümpu“ zu einem langsam ansteigenden Soundmonolith auftürmen. Flankiert von schrägen, blechernen Orgel (?)-Sounds hämmert sich das Schlagzeug mit stoischer Gewalt voran, während der Gesang einem apokalyptischen Mantra ähnelt, das alles und jeden verwünscht.
Ob es angesichts dieser emotionalen Tortur so angenehm ist, nach Hause zu kommen, ist infrage zu stellen. Aber das finale „Home“ klingt durchaus ein wenig wärmer, als der Rest des Albums, was u.a. am präsenter eingesetzten Keyboard liegt. Gleichzeitig ergeht sich das Stück in einer destruktiven Atmosphäre, die einer Band wie NEUROSIS nicht unähnlich ist und Nihilismus in Reinform vertont.
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FAZIT: ABRAHAMs „Idsungwüssä“ ist keine leichte Kost, sondern liegt wie ein schwerer Stein im Magen. Hier wird emotionales Chaos als Vehikel zum Niedergang des Lebens propagiert und die Band suhlt sich an einigen Stellen geradezu im Leid ihrer Musik. Das klingt bisweilen nicht angenehm, aber es unterstreicht den erlösenden Effekt, den Musik als Therapieform haben kann.
Punkte: 11/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 10.10.2025
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Dave Schlagmeister
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60:14
26.09.2025