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Cranial: Structures

Stil: Post Metal / Atmospheric Sludge / Doom

Cover: Cranial: Structures

Es steht dem Opener der neuen CRANIAL-Scheibe „Structures“ gut zu Gesicht, dass man ihm einen melodiebetonteren Abschluss aus Postrock- sowie Ambient-Elementen spendiert hat, weil dem kompromisslos-brutalen Downtempo-Donnerwetter ansonsten die gewünschte Zugänglichkeit fehlen würde. Es ziemt sich gleichsam – da eine der Songwriting-Tugenden im Longtrack-Bereich – dem letzten Viertel (hier eines opulenten Elfminüters) ein hervorstechendes Merkmal zu verleihen, dem der Hörer in gespannter Erwartung entgegenfiebert.

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„The album's emotional DNA is rooted in grief, anger and uncertainty, but it never collapses under that weight and gives room for hope.” Darüber hinaus könnte man sich der Beschreibung des Promo-Textes anschließen und die Musik als Ausdruck einer Dualität des Seelenlebens bezeichnen, Musik also, die in ihren härtesten Momenten wütend und trauertragend, in den versöhnlichsten optimistisch und hoffnungsvoll daherkommt.

Das Hin- und Herpendeln zwischen den emotionalen Stadien lässt sich ebenso ins Bild changierender Gezeiten setzen. Auf die hier zu rezensierende Tonkunst gewandt: Mal brechen die Gitarrenwände wie eine wilde Sturmflut mit harscher Gewalt auf einen nieder, ein anderes Mal ziehen sie sich wieder zurück und verebben in stilleren Tönen. Der Titeltrack mag demgemäß mit seiner nervösen, fast schon noisigen Fasson im besten Sinne nervenzehrend und emotional aufwühlend sein, die in Ruhe getauchten Samples dürften die Wogen samt schäumender Gischt aber wieder ein Stück weit glätten. Ganz nebenbei können an dieser Stelle der atmosphärisch dichte Mittelteil sowie der abschließende Leadgitarreneinsatz ein dickes Ausrufezeichen setzen.

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Der Song „Into The Abyss“, der qua Titelgebung erneut den Abstieg in die Niederungen der menschlichen Gefühlswelt andeutet, stößt an die Grenzen dessen, was man außerhalb des alternativen Sektors für Musik hält. Da würden manche vermutlich für die langatmig empfundene Monotonie sowie die bisweilen spärliche Instrumentierung wenig Verständnis aufbringen – und damit verkennen, dass es sich um effektives Songwriting handelt. Denn je sporadischer – will sagen: gezielter – harmonisch tönende Stücke eingebracht werden und die vermeintliche Langeweile vertreiben, desto mehr klammert man sich, auf der verzweifelten Suche nach ihnen, daran fest, was ihre Intensität nur noch steigert. Dass am Ende zusätzlich der Blastbeat-Hammer geschwungen wird, trägt sein Übriges zu dieser Steigerung bei.

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Die „griffigen“ sieben Minuten des Albumrausschmeißers bleiben stilistisch konsequent. Der durchaus angenehme Melodieteppich kann der eingeschworenen Rhythmusgruppe nichts anhaben. Zudem ist er wie gewohnt einigermaßen trügerisch, da im nächsten Augenblick Knochen unter der Macht brechender Wellen – das heißt: harter Saitengriffe – zerbersten und ein Wirbelwind ungestümer Percussions den Rundling beschließt. Man endet offenbar wenig versöhnlich…

FAZIT: Es drängt sich der Verdacht auf, die Auflösung von OMEGA MASSIF hätte ihrerzeit zum Entstehen zweier ähnlich gelagerter Bands (CRANIAL einer- und PHANTOM WINTER andererseits) geführt. Sample-Gebrauch, stehende Töne, zermalmende Rhythmen und abgrundtiefer Gesang mögen diesen denn auch bestätigen. CRANIAL liebäugeln auf ihrem dritten Langdreher indes mehr mit klassischem Post Metal. Außerdem: Während PHANTOM WINTER gerne alles in Schwärze tauchen, bricht sich hier öfter einmal ein jäher Lichtschimmer Bahn. Ein persönliches Album wie „Structures“ muss aller Unzulänglichkeiten des Lebens zum Trotz wohl gleichermaßen hoffnungsvoll stimmen, obgleich das letzte Wort ein anderes ist. In diesem musikalischen Dunstkreis führt die emotionale Zerrissenheit offenkundig zur Produktion wertiger Tonkunst.

Punkte: 12/15

Erschienen auf www.musikreviews.de am 04.10.2025

Tracklist

  1. 1. Guidelines (10:59)
  2. 2. Structures (11:45)
  3. 3. Into The Abyss (13:38)
  4. 4. The Beauty In Aggression (7:20)

Besetzung

  • Bass

    Julian Weidhaus

  • Gesang

    Julian Weidhaus

  • Gitarre

    Michael Melchers, Sebastian Kröckel

  • Schlagzeug

    Felix Amthor

Sonstiges

  • Label

    Moment Of Collapse Records

  • Spieldauer

    43:42

  • Erscheinungsdatum

    02.10.2025

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