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Nikolaj Efendi: Vulgo (Review)

Artist:

Nikolaj Efendi

Nikolaj Efendi: Vulgo
Album:

Vulgo

Medium: CD/LP/Download
Stil:

Progressiver Indie-Rock

Label: (dramatic pause) / recordJET
Spieldauer: 43:05
Erschienen: 27.09.2019
Website: [Link]

„'Vulgo' klingt wie der Soundtrack für Menschen, die sich nachts im Wald verirren: bedrückend und hoffnungsvoll. 'Vulgo' ist weder eine Glorifizierung noch Kassandraruf. 'Vulgo' ist eine Liebeserklärung an die Geduld.“ (Auszug aus dem Begleitschreiben zum Album von NIKOLAJ EFENDI)

NIKOLAJ EFENDI! Ein Name, der sich ab sofort und spätestens nach diesem „Vulgo“-Album in das Bewusstsein und die Ohren all derjenigen brennen sollte, die einen NICK CAVE mit seinen BAD SEEDS oder aber PORTISHEAD mit BLIXA BARGELD und die späteren SWANS lieben, auch mal kakophonischen Klangwelten aufgeschlossen gegenüberstehen und gerne in melancholischen Tiefen versinken. Dabei dürfen neben einigen aggressiven Rock-Rhythmen mit harten Gitarren und treibendem Drumming auch immer wieder Trompeten-Klänge als schallten sie direkt aus Jericho zu uns herüber und schräge Kirchenorgeln, als hätte sich während ihres Spiels gerade die Himmelspforten verschlossen und alle Höllen-Tore aufgetan, genossen werden. Ein Hörerlebnis, dem sicher nicht jeder gewachsen ist, schon gar nicht all die Radio- und Mainstream-Junkies. Wer aber noch immer nach den finsteren Seiten des Mondes, der faszinierenden Komplexität des Jazz und der Kreativität des Prog sucht, der findet auf „Vulgo“ einen Weg in die richtige Richtung.

Was der kärntner-slowenische Künstler, Theatermusiker, Schriftsteller und in erster Linie natürlich Indie-Rock-Musiker, der auf seinem aktuellen, bereits dritten Album neben den englischen Texten bei „Domovina“ und „Le Kdaj?“ sogar auf seine slowenische Muttersprache zurückgreift, hier abliefert, hat den finsteren Charme, den wir von einem frühen NICK CAVE oder DEAD CAN DANCE kennen.
Vulgo“ lädt den Hörer atmosphärisch in die kunstvoll-bedrückenden Welten ein, wie sie uns ein KAFKA in seinen Parabeln oder E.A.POE in seinen tiefschwarzen Short Storys beschreiben. So verwundern auch die letzten gesungenen Zeilen auf dieser ebenfalls tiefschwarz gehaltenen LP nicht, wenn es auf „I'll Be Waiting“ heißt: „Just let me hear you one last time humming, / Before everything will be crushed.“ Schwere Metal-Breitseiten besiegeln dann das (LP-)Ende.

Womit auch die Frage auf den ähnlich bedrückenden, an den „Blackstar“-BOWIE erinnernden Song „Will That Be Enough?“, der die LP-A-Seite abschließt, beantwortet wäre. Ein wahres Highlight, nicht nur des Albums, sondern der gesamten Musik-Szene.
„Look Out For Them“ wartet sogar mit postrockigen Steigerungen auf, die dem bedrückenden Song eine bedrohliche Dynamik verleihen, die ideal zu dem Konzept hinter „Vulgo“ passt.

Efendi vollzieht auf seinen Alben eine verblüffende Wandlung, denn jedes entwickelt seine eigene Identität, die deutlich von den vorherigen abweicht. Ein bewusster Werdegang, den der Musiker mit folgenden Worten regelrecht manifestiert: „Ich beziehe mich kaum auf meine Vorgängeralben, stelle mich selbst unter keinen Fortsetzungsdruck, sondern komponiere nach einem Gesamtkonzept und suche mir dazu die passenden MusikerInnen, die nach der jeweils angestrebten Ästhetik klingen.“

Dieses Mal suchte der musikalische Freigeist sich für sein Konzept ein verdammt schweres, in keiner Weise beschönigendes Thema aus, das ganz speziell auch etwas mit seiner Heimat zu tun hat – das Porträt der kärntner-slowenischen Partisanen: „Obwohl ich mich von Tagebüchern und Interviews inspirieren ließ, flossen auch viele persönliche Erfahrungen mit in meine Texte ein. Es wurde sowohl ein Album über die Erinnerung an die kärntner-slowenische Widerstandsbewegung, als auch eine Auseinandersetzung mit meinen inneren Konflikten.“
All das Persönliche wie gleichermaßen Kämpferische voller Höhen und Tiefen hört man auf dem abwechslungsreichen „Vulgo“, das einen bereits mit dem in Grau gehaltenem Cover von einem Kornfeld, durch das sich Reifenspuren ziehen, verunsichert. Der dunkle Charakter wohnt natürlich auch der Musik inne, aber es passiert deutlich mehr als dass ein Traktor die anheimelnde Feldstimmung durchkreuzt. Hier tauchen bildlich betrachtet auch Flugkörper und Dampfwalzen oder Vögel und Grillen auf. Alle bekommen ihren Einsatz und tragen ihren Teil bei – so schließt sich dann der Kreis.

FAZIT: „Vulgo“ ist ein Album wie ein brodelnder Vulkan, der ständig auszubrechen droht, aber trotzdem mit seiner Lava nicht alles um sich herum zerstört. Der kärntner-slowenische Musiker NIKOLAJ EFENDI greift textlich das Konzept der kärntner-slowenischen Widerstandsbewegung der Partisanen auf und webt es in Musik ein, die nach den großen, finsteren Zeiten eines NICK CAVE oder „Blackstar“-DAVID BOWIE klingt. Berauschend und sich langsam, aber dann immer sicherer, entwickelnd. Nehmt euch Zeit für „Vulgo“. Es lohnt sich!

Thoralf Koß - Chefredakteur (Info) (Review 3616x gelesen, veröffentlicht am )

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  • 15 Punkte: Absolutes Meisterwerk - so was gibt´s höchstens einmal im Jahr
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Wertung: 13 von 15 Punkten [?]
13 Punkte
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Tracklist:
  • Seite A (22:03):
  • Interlude (1:10)
  • Leave The Wounded Behind? (5:15)
  • Look Out For Them (6:32)
  • Domovina (4:16)
  • Will That Be Enough? (4:50)
  • Seite B (21:02):
  • Leave It All To Me (5:20)
  • Le Kdaj? (5:18)
  • Ear To The Ground (5:51)
  • I‘ll Be Waiting (4:33)

Besetzung:

Alle Reviews dieser Band:

  • Vulgo (2019) - 13/15 Punkten
Interviews:
  • keine Interviews
Kommentare
SophX
gepostet am: 13.12.2019

User-Wertung:
14 Punkte

Unglaublich geiles Album!
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