Musikreviews.de bei Facebook Musikreviews.de bei Twitter

Partner

Statistiken

Interview mit Korben Dallas (03.09.2012)

Korben Dallas

In der Slowakei herrscht ein buntes musikalisches Treiben, wie uns das Label Hevhetia zeigt. Bassist Lukás Fila beantwortet unsere Fragen zu KORBEN DALLAS, einer sehr originellen slowakischen Band zwischen Singer-Songwriter und kantigem Alternative.

Warum singt ihr bei Korben Dallas in eurer Muttersprache, nachdem Appendix englische Texte hatten?

Diese Änderung ging einher mit einem generellen Wandel, denn mittlerweile gehen wir auch unsere Musik völlig anders an. Unser Anliegen war vor allem, dem Gesang eine wichtigere Rolle einzuräumen, wohingegen er bei Appendix nur als weiteres Instrument fungierte. dadurch wurde es unmöglich die Texte nachzuvollziehen, solange man kein Booklet vorliegen hatte. Oft gestaltete es sich so, dass wir die Texte erst hineinquetschten, wenn die Songs bereits vollständig komponiert waren. Jetzt dienen wir uns eher traditionellem Songwriting an, indem wir die Lyrics in den Vordergrund rücken, und sich in der eigenen Muttersprache auszudrücken ist schlichtweg natürlich.

Worum geht es grob gesagt in den aktuellen Texten?

"Cierne Ráno" bedeutet "schwarzer Morgen" spricht von der Trockenheit im Mund, brennenden Augen und nervendes Zwitschern der Vögel am Morgen, wenn man im Morgengrauen aufstehen muss. "Nájdi Si" heißt "finde dich selbst" und drückt aus, dass man mehr mit seinem Leben anfangen kann als Koksen und Däumchen zu drehen. Sucht euch lieber ein hübsches Mädchen mit sandfarbenem Haar oder einen Fleck, an dem ihr später begraben werden wollt. "Nalej" ist eine Aufforderung zum Nachgießen und rekapituliert die Auswirkungen von Alkoholismus auf Beziehungen zwischen Mann und Frau. "Pochybnosti" sind Zweifel; das Stück drückt aus, wie frustrierend es ist, wenn man Punkte verbinden kann und dennoch keinen Sinn dahinter erkennt. "Vsetko Sa Meni" lässt sich mit "alles verändert sich" übersetzen. Damit meinen wir die Fragen, die man sich stellt, sowie Versuchungen, gegen die man kämpft, vermeintliche Wahrheiten, denen man aufsitzt, und Gesichter, die man mag oder nicht. Man tut gut daran, sich weiterzuentwickeln; ansonsten kann es geschehen, dass man sein Umfeld irgendwann nicht wiedererkennt. In "Pec" geht es darum, am Feuer zu sitzen und seine Wärme zu spüren - oder das Gefühl, unter der Asche zu liegen. "Co Uz" ist eine Frage: "Na und?" Wird man älter, stößt man zunehmend an seine Grenzen. Man kann wenig dagegen unternehmen, muss es also akzeptieren. "Biele Ráno" ist im Gegensatz zum ersten Track der weiße Morgen. Ich fürchte den schwarzen, während unser Sänger die weißen genießt.

Ihr seid ziemlich virtuose Musiker; welche Ausbildung habt ihr genossen?

Juro spielte acht Jahre lang Geige, womit er schon als Kind begann, dann Bass in einer Combo, die Songs von tschechischen Metal-Bands coverte. Ozo fing als Punk-Trommler an, schwenkte dann aber auf breiter gefassten Rock um und hat bereits eine Spanien-Tournee mit einem Weltmusik-Sänger hinter sich, der Gitarre mit Grashalmen spielte. Nebenbei trommelt er für eine Alternative-Folk-Band. Lubo, der Gitarre auf unserem Debüt spielte, aber nicht zur Band gehört, spielt bei Chicki Liku Tu-a, einer sehr erfolgreichen slowakischen Alterna-Band, und ist der einzige Prodi-Mucker bei uns. Ich selbst genoss fünf, sechs Jahre Bass-Unterricht.

Erzähl mal von der Musikszene in eurem Land generell.

Qualitativ liegen meiner Meinung nach Chicki Liku Tu-a weit vorne, ferner Longital und David Kollár. Sie gehören zu den wenigen Künstlern im Land, die auch anderswo auftreten und recht originell klingen. Repräsentativ für irgendeine Szene stehen sie allerdings nicht. Der Mainstream kopiert stilistische Schemata aus dem Westen. In der Slowakei ist es äußerst schwierig, seinen Lebensunterhalt mit Musik zu verdienen. Folglich handelt es sich bei weiten Teilen der Alternative-Szene um Amateure oder Halbprofis, wenngleich uns die gemeinsame Vergangenheit mit den Tschechen zum Vorteil gereicht. Deren musikalische Tradition ist weiter gefasst, bedient einen entsprechend größeren Markt und ist offen für neue Acts aus dem Nachbarland.

Mit den muttersprachlichen Texten wird es aber schwieriger, im Ausland zu punkten.

Die erwähnten Bands singen seltsamerweise auch auf Slowakisch, und seltsamerweise behauptet sich bei uns so gut wie kein englischsprachiger Act. Der Westen übersättigt den Markt damit sowieso. In den 13 Jahren mit Appendix spielten wir ein einziges Mal im Ausland, nämlich in Wien. Das sagt eigentlich alles bezüglich der Grenzen, die uns trotz großer Ambitionen auferlegt waren.

Warum habt ihr euch aufgelöst?

Hübsch ausgedrückt ging es um künstlerische Differenzen, aber in Wirklichkeit hatten wir unsere Motivation verloren, kommunizierten nicht mehr richtig miteinander und stellten unterschiedliche Erwartungen an die Band, was wiederum zu Entäuschungen führte. Dennoch überraschte mich die Auflösung selbst, und ich weiß bis heute nicht so recht, wie es dazu kam, obwohl ich froh darüber bin, dass es vorbei ist. Juro und ich haben jetzt ein Umfeld gefunden, dass uns erfüllt.

Warum der Name KORBEN DALLAS? Ein anderer Filmheld hätte es nicht getan?

Nachdem wir eine Menge Material gesammelt hatten, wussten wir immer noch nicht, wie wir uns nennen sollten. Als wir in einer Kneipe darüber diskutierten, ging Juro kurz aufs Klo, wo er am Spiegel einen Zettel mit dem Namen entdeckte. Wir kamen überein, ihn zu verwenden, fanden aber erst am folgenden Tag heraus, dass es sich um eine von Bruce Willis' Rollen handelt. Tatsächlich hätten wir also jeden beliebigen Filmhelden verwenden können … oder war es Schicksal?

Ihr seid stilistisch kaum zu fassen. Wo liegen eure Einflüsse?

Juro ùnd ich sind mit Neunziger-Rock aufgewachsen: Faith No More, Red Hot Chili Peppers, Primus und Soundgarden. Mittlerweile inspiriert uns eine Menge Zeug; Juro steht auf alles von Peter Gabriel und Elton John bis zu Frank Zappa und den Motown-Schoten. Ich bin Fan von King Crimson, aber auf meinem iPhone wirst du auch Justin Timberlake und ein bisschen Jazz finden. Ozo trägt seinen Spitznamen in Anlehnung an Ozzy Osbourne, schwört aber auch auf Tori Amos und liebt die polnische Poprock-Sängerin Kasia Kowalska. Luboslav hingegen ist ein wandelndes Musiklexikon. Im Frühjahr haben wir eine kurze Tournee mit der US-Sängerin Jess Klein absolviert, im Sommer ein gemeinsames Konzert Andrej Seban, einer lokalen Gitarrenlegende, und im Herbst stehen ein paar Gigs mit einer Hip-Hop-Combo an. Du siehst also, wir mögen eine Menge unterschiedlicher Musik. Was uns aber auch beeinflusst, sind unsere Jobs: Juro ist Architekt mit eigenem Büro, Ozo PR-Agent für den größten Radiosender des Landes, und ich arbeite im Politik-Ressort bei einer Tageszeitung.

Was steht in Zukunft bei KORBEN DALLAS an?

Ein zweites Album natürlich und so viele Live-Gigs wie möglich. Dass wir mal ein Interview mit einem deutschen Magazin führen würden, hätten wir nie erwratet, also will ich gar nicht abschätzen, was noch alles geschehen mag. Hast du eine Idee?

Mitnichten, aber danke für eure Zeit - dass ihr groß herauskommt, werden wir bestimmt nicht verhindern.

Andreas Schiffmann (Info)
Alle Reviews dieser Band: